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BOMBER (Großbritannien/USA 2009)

von Jenny Jecke

Original Titel. BOMBER
Laufzeit in Minuten. 84

Regie. PAUL COTTER
Drehbuch. PAUL COTTER
Musik. STEPHEN COATES
Kamera. RICK SIEGEL
Schnitt. MATT MADDOX
Darsteller. SHANE TAYLOR . BENJAMIN WHITROW . EILEEN NICHOLAS u.a.

Review Datum. 2010-04-02
Kinostart Deutschland. nicht bekannt

Die Inhaltsstoffe klingen ein wenig verheerend. Ein Roadmovie über eine dysfunktionale Familie? Das muss ein LITTLE MISS SUNSHINE-Abklatsch sein! Ein ehemaliger Bomberpilot, der sich bei den Einwohnern einer deutschen Stadt entschuldigen will? Eine tränenreiche Auseinandersetzung mit der deutsch-britischen Geschichte! Eine britische Familie, die sich ins norddeutsche Hinterland begibt? Ein Culture Clash mit vielen witzigen Missverständnissen! Viele Vorzüge kann man Paul Cotters Spielfilmdebüt BOMBER zuschreiben, doch herausragend ist zweifellos seine Fähigkeit, all die genannten Erwartungen mit einem zurückhaltenden Lächeln auf den Lippen zu untergraben. Trotzdem gehört BOMBER nicht zur Sorte Film, die ihre Zuschauer mit einer High Concept-Prämisse in ihr kinematografisches Pfefferkuchenhaus locken, nur um anschließend der Enttäuschung freien Lauf zu lassen. Von allem ist eine Prise im Film zu finden, aber er ist keinesfalls überladen.

Zunächst das Roadmovie: In einem Kleinbus begibt sich das Rentnerpaar Alistar (Benjamin Whitrow) und Valerie (Eileen Nicholas) auf die Reise nach Deutschland. Da Autofahren im Alter kein Kinderspiel mehr ist, muss Sohn Ross (Shane Taylor) sie auf dem Trip begleiten. Der hat überhaupt keine Lust, soviel Zeit mit seinen Erzeugern zu verbringen und verhält sich deshalb über weite Strecken der Fahrt wie ein manisch-depressiver Duracell-Hase. Ross ist damit das genaue Gegenteil seines Vaters, dessen Foto problemlos im Wikipedia-Eintrag für "stiff upper lip" zu finden sein könnte. Bei dieser Kombination braucht der Film keinen suizidgefährdeten Proust-Fan, um Spannungen herzustellen.

Zur Auseinandersetzung mit der Geschichte: Alistar will natürlich nicht nach Deutschland, um bei einem Schönheitswettbewerb mitzumachen. Während des Zweiten Weltkriegs hatte er aus Versehen ein Dorf bombardiert und nun gilt es, am Ende seines Lebens mit sich und seiner Schuld ins Reine zu kommen. Er will sich bei den Einwohnern für sein Missgeschick entschuldigen.

Zum Culture Clash: Jenseits der Klischees ist BOMBER durchaus auch ein Blick des Fremden auf Deutschland. Ob Möbelhaus, Touristeninformation oder Bürokraten-Nonsense – die Vertrautheit jener Stationen, welche die Familie in der deutschen Provinz abhakt, mag in einem ironischen Licht erscheinen, doch damit hat sich's. Statt eines Zusammenpralls wirkt BOMBER vielmehr wie ein europäisches Roadmovie, in dem sich von Grenzüberschreitung zu Grenzüberschreitung nur äußerst subtil die Schattierungen der Landschaft verändern.

Paul Cotter ist schließlich ein Film über eine Familie und ihren Generationenkonflikt gelungen, der nicht die Anhäufung von Ticks und schräger Figuren zum Ziel hat, wie eben zu viele amerikanische Independentfilme es tun. Mit seinem niedrigen Budget und dem winzigen Ensemble zeichnet sich BOMBER durch präzise Charakterzeichnung und einem Schwall an Pointen aus, ohne sich jemals endgültig für den Pfad der Komödie zu entscheiden. Wenn Ross als Exemplar einer Generation, die gelernt hat, über ihre Gefühle zu sprechen, zum Mittler zwischen Vater und Mutter wird, bleibt BOMBER verhaftet an den alltäglichen Dramen, die das Leben vieler Menschen nun einmal ausmachen. Alistar ist alt, verbohrt und längst blind gegenüber den Gefühlen anderer. Ross hat in seinem Leben nicht viel zu Stande gebracht, aber gibt nicht auf und Valerie hat ihre Gefühle hinter der Maske der nachsichtigen Mutter verborgen. Es ist wohl so, dass BOMBER keine Heroin-süchtigen Opas und Nietzsche-lesende Söhne mit einem Hang zum Schweigegelöbnis zu bieten hat. Aber im Gegensatz zu manch anderem Film braucht er das gar nicht.











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