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Normalerweise lassen Sequels zu erfolgreichen Filmen nicht lange auf sich warten - nicht zuletzt, um das Momentum zu nutzen. Umso überraschender, dass ALICE IM WUNDERLAND: HINTER DEN SPIEGELN nun sechs Jahre nach Tim Burtons Vorgänger erscheint, seinerzeit der zweitertragreichste Film des Jahres. In gewisser Weise ein zweites Sequel, nachdem bereits in ALICE IM WUNDERLAND die Hauptfigur zurück ins Wunderland kehrte, muss Alice (Mia Wasikowska) hier erneut ihre reale Welt verlassen. Was die Figur nicht ungern tut, kehrt sie doch zu Beginn von einer Chinareise zurück und scheint anschließend vom ihrem vormaligen designierten Verlobten und jetzigen Vorgesetzten nun aus ihrem Job als Schiffskapitän entlassen. Da kommt ein Hilferuf aus dem Wunderland ganz gelegen, so dramatisch er auch ist.
Dort leidet der Hutmacher (Johnny Depp) Kummer, trauert um seine einst vom Jabberwocky getötete Familie. Und verlangt von "seiner" Alice nun, dass sie ihm seine Verwandtschaft wiederbeschafft. Möglich wäre dies, so informiert die weiße Königin (Anne Hathaway) die Hauptfigur, wenn sie sich der Macht der Zeit (Sacha Baron Cohen) selbst bemächtigt. Was ihr zwar gelingt, allerdings in der Folge die Grundfeste von Wunderland erschüttert. Während sich Alice also auf in die Vergangenheit macht und dabei auch auf ein Drama zwischen weißer und roter Königin (Helena Bonham Carter) stößt, folgt ihr die Zeit auf dem Fuß, um zu verhindern, dass sich der bisher angerichtete Schaden noch verschlimmert.
Mit Charles Lutwidge Dodgsons - besser bekannt als Lewis Carroll - gleichnamiger Romanfortsetzung hat ALICE THROUGH THE LOOKING GLASS (so der Originaltitel) außer den Figuren nichts mehr am Hut. Bereits im Vorgänger verwob Tim Burton Elemente aus beiden Büchern mit etlichen Anleihen zu anderen Genrevertretern wie HERR DER RINGE oder DIE CHRONIKEN VON NARNIA zu einem unübersichtlichen, langweiligen und visuell garstigen Kuddelmuddel. Umso erfreulicher also, dass James Bobin, der hier die Verantwortung auf den Regiestuhl übernimmt, es besser macht als der Kollege. Das Zeitreise-Abenteuer erlaubt nette Einblicke in die Vorgeschichte dieser weitestgehend unbekannten Welt, wenn sich auch der Blick auf die Handvoll bekannter Figuren beschränkt.
Allen zuvorderst der Hutmacher und seine Hutmacher-Familie - Rhys Ifans übernimmt die Rolle als vermeintlich kaltherziger Vater -, was jedoch immer noch befremdlich erscheint. Die Bedeutung, die dem Hutmacher in beiden Filmen zugemessen wird (und allein durch Johnny Depp als Darsteller bedingt ist), irritiert. HINTER DEN SPIEGELN tut gerade so, als sei der Hutmacher für die Welt des Wunderlands von immenser Bedeutung. Als selbstverständlich wird da die Rettung der verstorbenen Verwandtschaft erachtet - kurz nachdem wir eine andere Figur beim Sterben beobachten. Mit der auslösenden Prämisse öffnet der Film tendenziell Tür und Tor der Frage, wessen Familie vor dem Tod zu bewahren - beziehungsweise konkreter: von den Toten zurückzuholen - ist und welche nicht.
Bobin, so viel sei an dieser Stelle verraten, umgeht diesen Problem dann schnell, indem des Hutmachers Familie als untot, sprich: lebendig, spezifiziert wird. Was wiederum ein Mysterium um sie ins Zentrum rückt. Parallel dazu wird auch die Beziehung der königlichen Schwestern vertieft, wodurch Alice oftmals als Beobachterin historischer Ereignisse hinten angestellt wird. Das Zeitreise-Element von HINTER DEN SPIEGELN - der Flux der Zeit wird hier bildlich ansprechend als Ozean dargestellt - gefällt ebenso wie die Dynamik zwischen Alice und der personifizierten Zeit als ihrem Verfolger. Selbst wenn die Romanze von Letzterem mit der verbannten roten Königin - wie schon im Vorgänger erneut herrlich-überspielt von Bonham Carter verkörpert - etwas irritiert.
In der Summe macht das alles keinen besonders guten Film, da der Hutmacher als Figur (auch, oder womöglich gerade wegen Johnny Depps Darstellung) schlicht uninteressant ist und die mehrmals betonte Freundschaft zwischen ihm und Alice nie wirklich etabliert wurde oder glaubhaft erscheint. Dennoch verfügt ALICE IM WUNDERLAND: HINTER DEN SPIEGELN über mehr positive Szenen (darunter ein vorzüglich inszeniertes Seefahrer-Intro) als Burtons Vorgänger, sieht weniger hässlich aus als dieser und funktioniert insgesamt - trotz etlicher Mängel - besser, da er eine eigenständige Geschichte erzählt, anstatt von anderen, besseren Filmen zu klauen. Ob das Ganze ausreicht, um wieder an der Milliarden-Dollar-Grenze zu kratzen, muss sich erst noch zeigen. Auf einen möglichen dritten Teil darf so oder so erneut einige Jahre gewartet werden.
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