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KAPITELWAHL

ICH SEH, ICH SEH (Österreich 2014)

von Hasko Baumann

Original Titel. ICH SEH, ICH SEH
Laufzeit in Minuten. 95

Regie. VERONIKA FRANZ . SEVERIN FIALA
Drehbuch. VERONIKA FRANZ . SEVERIN FIALA
Musik. OLGA NEUWIRTH
Kamera. MARTIN GSCHLACHT
Schnitt. MICHAEL PALM
Darsteller. SUSANNE WUEST. LUKAS SCHWARZ . ELIAS SCHWARZ . HANS ESCHER u.a.

Review Datum. 2016-05-15
Erscheinungsdatum. 2015-10-22
Vertrieb. KOCH MEDIA

Bildformat. 2.40:1 (anamorph)
Tonformat. DEUTSCH (DTS/DD 5.1)
Untertitel. DEUTSCH . ENGLISCH
Norm. PAL
Regional Code. 2

FILM.
Meine geübter Riecher erschnüffelt einen neuen Trend im Arthouse-Kino. Es gibt jetzt vermehrt Filme, die mit Stilmitteln und Spielregeln von Genres arbeiten, denen die Programmkino-Crowd sonst eher mit gerümpfter Nase begegnet. So wie zum Beispiel das gnadenlose Schnarchfest SLOW WEST, das sich an Westernklischees abarbeitete, aber mit lümmeliger Bratschenmusik und visuellem Kunsthandwerk dennoch die Teetrinker und Multiplex-Meider zu orgiastischen Lobeshymnen verführte. Perfide!

So verhält es sich auch mit dem (sehr) österreichischen Festival- und Feuilletonliebling ICH SEH, ICH SEH, der die professionelle Cinephilie genauso um den Finger wickelte wie die internationale Horrorcrowd. Ein Film, den ich dementsprechend in die Kategorie "Blender-Hits" einsortieren möchte! Für eine ganze Weile tut der Film sehr mysteriös, da erwarten nämlich die Zwillingsbrüder Lukas und Elias die Rückkehr ihrer Mutter aus dem Krankenhaus. Als sie dann eintrifft, bleibt nicht nur ihr Gesicht unter den Bandagen einer nicht näher benannten Operation verborgen, auch ihre Charakterzüge scheinen den Kindern völlig fremd. Die offenbar zuvor gemeinsam gelebte Idylle (der Film beginnt mit einer Aufnahme der singenden Trapp-Familie, scheinbar ein Hinweis auf die bisher vertraute - oder erträumte - Harmonie) ist dahin, stattdessen fordert Mama mit harter Hand ihre Erholungsphase ein. Lukas und Elias kommen Zweifel - ist das wirklich die Mutti? Mit immer härteren Psychospielchen versuchen sie, die wahre Identität dieser fremd scheinenden Frau zu ergründen, bis das Drangsalieren in körperlicher Brutalfolter eskaliert.

Natürlich bemühten hilflose Journalisten in ihren Rezensionen sofort die Namen Haneke und Seidel. Liegt nahe, immerhin ist Regisseurin Veronika Franz die Frau von Ulrich Seidel und mit Olga Neuwirth findet sich eine Musikerin aus dem Dunstkreis von Haneke in der Stabliste. ICH SEH, ICH SEH wohnt denn auch eine österreichische Tristesse bei, die Strenge und die Menschenfeindlichkeit, für die Haneke weltweit so geliebt wird. Tatsächlich jedoch ist der Film, so grell er auch die Leute zu blenden weiß, ein auf 95 sehr lange Minuten aufgeblasener Kurzfilm, dessen mit viel Tamtam angetrommelte Pointe jedem Horrorfan nur allzu bekannt ist. Sie kommt auch keineswegs überraschend, was viele Fans des Films als Tugend verklärten, so als habe der Plot den "Twist" gar nicht nötig; verfolgt man allerdings diese Interpretation, verwundert der mit lauten Tatzen hereinrüpelnde Erklärbär, der den "Ach so"-Effekt von der armen Mutter nochmal verbalisieren lässt, nur um so mehr.

Stilistisch könnte man den Film als gelungen bezeichnen, eine dräuende Soundkulisse sorgt für Unbehagen, aber die strenge Bildsprache fühlt sich auf die Dauer redundant und unsinnlich an - eigentlich eher glatt als streng, nie so recht nach Kino. Über die erzählerisch schlicht unterversorgte Laufzeit fällt dann auch immer mehr auf, wie leicht es sich die Autoren mit dem abgelegenen Zuhause gemacht haben; keine Freunde, keine Familie, keine Anrufe, keine Fragen. Stattdessen kommt es im letzten Drittel zu einem von einer Schweizer Kollegin so wunderbar als "seidelig" bezeichneten Totalausfall: Die geschundene Mutter liegt bereits gefesselt im Bett, als es an der Tür klopft und zwei absurd schlechte Laienschauspieler in rotweißen Uniformen eintreten. "Hallo, Rotes Kreuz, jemand zuhause" murmeln sie, "Wir kommen wegen einer Spende". Als die zwei bösen Buben flunkern, die Mama sei nicht zuhause, entschließen sich die zwei tapsigen Figuren, auf sie zu warten. Am Ende gehen sie dann unverrichteter Dinge wieder weg.

Entweder ich habe hier den sehr speziellen österreichischen Humor nicht verstanden, oder das ist schlicht die doofste Szene des Jahres.

DVD.
Technisch alles bestens, wie man es von Koch gewohnt ist. Diverse Extras wie entfallene Szenen und Interviews.








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