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KAPITELWAHL

AMY - THE GIRL BEHIND THE NAME (Großbritannien/USA 20015)

von Florian Lieb

Original Titel. AMY
Laufzeit in Minuten. 128

Regie. ASIF KAPADIA
Drehbuch. -
Musik. ANTONIO PINTO
Kamera. nicht bekannt
Schnitt. CHRIS KING
Darsteller. AMY WINEHOUSE . BLAKE FIELDER-CIVIL . NICK SHYMANSKY . MITCH WINEHOUSE u.a.

Review Datum. 2015-11-29
Erscheinungsdatum. 2015-11-16
Vertrieb. EUROVIDEO

Bildformat. 2.40:1 (anamorph)
Tonformat. ENGLISCH (DD 5.1)
Untertitel. DEUTSCH . ENGLISCH
Norm. PAL
Regional Code. 2

FILM.
Es gibt angesagte und es gibt unrühmliche Clubs - zu welchen der Club 27 gehört, ist wohl ein Thema für sich. Eine Ansammlung berühmter Personen, die in ihrem 28. Lebensjahr starben, mit solch illustren "Mitgliedern" wie den Musikern Jimi Hendrix, Jim Morrison, Janis Joplin und Kurt Cobain. Am 23. Juli 2011 stieß auch Amy Winehouse nach einer Alkoholvergiftung zum Club hinzu. Nach drei Jahren Auf und Ab mit Drogen- und Beziehungsproblemen sowie einer Vielzahl abgesagter Konzerte. Ein Leben und eine Karriere, der sich Regisseur Asif Kapadia mittels Archiv- und Privataufnahmen in Verbindung mit 100 geführten Interviews mit Familie und Freunden widmete, um in AMY - THE GIRL BEHIND THE NAME der Person und der Künstlerin Amy Winehouse ein Denkmal zu setzen.

Kapadia "begleitet" Winehouse im Alter von 14 Jahren bis zu jenem Juli 13 Jahre später, in dem die Britin ihren Kampf gegen ihre Sucht verlor. Singen war Amy Winehouse immer wichtig, verrät sie zu Beginn der Dokumentation. Aber eine Sängerin plante sie nie zu werden. Geworden ist sie letztlich doch eine, vielfach Grammy-prämiert und für ihre einzigartige soulige Stimme verehrt. Jener Zwiespalt zwischen Musikerin und Weltstar zieht sich jedoch spätestens dann durch Winehouses Leben, als ihr Ende 2006 mit dem Song "Rehab" - den bezeichnender Weise ihr Label, nicht sie, als Single auskoppeln wollte - der internationale Durchbruch gelingt. Ein Wendepunkt für ihre Karriere - aber wie sich zeigen sollte, auch für ihr Leben.

Für ihren ersten Vertrag erhielt die damals noch jugendliche Winehouse fast 250.000 Pfund, ein Label-Chef erkannte früh, dass bei der 18-Jährigen "eine alte Seele in einem jungen Körper" steckte. Winehouse selbst glaubte nicht an einen Durchbruch, für sie war ihre Musik nicht auf dem entsprechenden Level. Sowieso: Berühmt wolle sie gar nicht werden. "Ich könnte damit gar nicht umgehen", gesteht sie in einem frühen Interview. "Ich würde wahrscheinlich verrückt werden." Wie sich zeigen sollte, enthielten die Aussagen mehr Wahrheit als sich jeder hätte wünschen können. Und während Winehouse ihr Debütalbum "Frank" erste Erfolge bescherte, sollte eine selbstzerstörerische Romanze bald ihr Leben für immer verändern.

Alle ihre Songs seien persönlich, erzählt Winehouse am Anfang von AMY. "Ich kann nichts rüberbringen, was ich nicht selbst erlebt habe." Insofern verdankt die Britin ihren Erfolg in gewisser Weise vermutlich auch ihrem Freund und späteren (Ex-)Ehemann Blake Fielder-Civil. Was als Affäre begann, brach Fielder-Civil schließlich ab - ihre Gefühle über die Trennung verarbeitete Winehouse unter anderem in ihrem zweiten Album und gleichnamigen Song "Back to Black". Zu diesem Zeitpunkt kämpfte sie bereits mit den Drogen, erlebte einen ersten Absturz in dessen Folge sie ihre Freunde erfolglos in die Rehabilitation schicken wollten. "And if my daddy thinks I'm fine" singt Winehouse in ihrem Hit-Song "Rehab" über jene Entscheidung zu einem Zeitpunkt, als sich die alte und neue Amy bereits auseinander dividiert hatten.

Mit ihrem ersten Manager und persönlichen Freund Nick Shymansky hatte Winehouse aufgrund ihrer Drogeneskapaden inzwischen beruflich gebrochen, ernannte überraschend ihren Promoter Raye Cosbert zum neuen Manager. Und erlebte später, als sie zweitweise harte Drogen durch exzessiven Alkoholkonsum ersetzte, Rückfälle in die Bulimie, die sie bereits als Jugendliche neben Depressionen geplagt hatte. Der Erfolg von "Back to Black" spülte dann Blake Fielder-Civil zurück in ihr Leben, das spätestens 2008 nur noch eine Richtung kannte: nach unten. "This is someone who is trying to disappear", realisierte ihr Kollege und Freund Yasiin Bey aka Mos Def später. Und auch der Zuschauer sieht: Diese Frau war geschaffen für die Musik, aber nicht für den Erfolg.

Speziell die Privataufnahmen ihrer Freunde zeichnen in AMY dabei ein stellenweise fast schon voyeuristisch-intimes Bild des Menschen und der Künstlerin Amy Winehouse. Interviews mit ihren Freunden und Verwandten sowie Archivaufnahmen bilden die Narration auf der Tonspur, die gerade in der zweiten Hälfte oft auch Sekunden lang schweigend innehält - als wüsste selbst Regisseur Kapadia nicht, was er angesichts des dramatischen Verlaufs von Winehouses Karriere noch sagen soll. Dass insbesondere Blake Fielder-Civil, aber auch Mitch Winehouse und Raye Cosbert vielleicht oft eher sich selbst statt das Wohl von Amy Winehouse zum Ziel hatten, deutet der Film an. So befand der Vater jenen ersten Reha-Versuch für nicht notwendig, als es dann doch zu einem kam - inklusive Rückfall -, spielte Cosbert dies herunter. Und Blake Fielder-Civil wirkt ohnehin wie ein Parasit, der Winehouse nur herunterzog.

Grundsätzlich haderte Winehouse mit ähnlichen Problemen wie andere berühmte Persönlichkeiten vor ihr. Gerade an Marilyn Monroe fühlt man sich erinnert, angesichts jenes ausufernden medialen Interesses, das keinen Respekt vor Privatsphäre kennt. Selten erhielt man aber wohl derart intime Einblicke in das Leben und Scheitern einer Berühmtheit wie in AMY. Infolgedessen gerät der selbstzerstörerische Niedergang der Amy Winehouse stellenweise sehr bewegend und emotional - allerdings auch eine Spur zu lang. Zudem der Film - was einerseits in der Natur seines Konzepts liegen mag - nicht ganz aufklären kann, wieso alles so kam, wie es kam. Und ob jemand die Schuld trifft oder die Ereignisse hätten verhindert werden können. Dennoch ist AMY - THE GIRL BEHIND THE NAME nicht nur Fans von Amy Winehouse ans Herz zu legen, gelingt Kapadia mit diesem einerseits eine Art Denkmal, aber auch ein anmutiges Requiem.

DVD.
Dieser Besprechung lag ein Online-Stream zu Grunde. Zu Bild- und Tonqualität kann daher kein Feedback erfolgen. Als Bonusmaterial gibt es einige Aufnahmen aus dem Aufnahmestudio - wer sich für so etwas interessiert. Außerdem 30 Minuten an zusätzlichen beziehungsweise erweiterten Szenen, mit zusätzlichen Erinnerungen und/oder Einschätzungen. Ein Bonus für Hardcore-Fans, der allerdings keine sonderlichen qualitätsreicheren Einblicke schenkt. Ähnlich verhält es sich bei den Interviews mit Regisseur Asif Kapadia und den Produzenten zu den Beweg- und Hintergründen der Dokumentation. In der Summe also: Kann man gucken, muss man aber wahrlich nicht.








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