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KAPITELWAHL

ELECTRIC BOOGALOO (Australien 2014)

von Hasko Baumann

Original Titel. ELECTRIC BOOGALOO: THE WILD, UNTOLD STORY OF CANNON FILMS
Laufzeit in Minuten. 103

Regie. MARK HARTLEY
Drehbuch. MARK HARTLEY
Musik. JAMIE BLANKS
Kamera. GARRY RICHARDS
Schnitt. JAMIE BLANKS . SARA EDWARDS . MARK HARTLEY
Darsteller. RICHARD CHAMBERLAIN . FRANCO NERO . TOBE HOOPER . ELLIOTT GOULD u.a.

Review Datum. 2015-05-04
Erscheinungsdatum. 2015-04-21
Vertrieb. ASCOT ELITE

Bildformat. 1.78:1 (anamorph)
Tonformat. DEUTSCH (DD 5.1) . ENGLISCH (DD 5.1)
Untertitel. DEUTSCH
Norm. PAL
Regional Code. 2

FILM.
"No other production organization in the world today—certainly not any of the seven Hollywood "majors"—has taken more chances with serious, marginal films than Cannon."
So sprach Roger Ebert im Jahre 1987. Und in der Tat, die GoGo-Brothers Yoram Globus und Menahem Golan waren nicht wie andere Produzenten. Sie waren Idealisten, Ausbeuter, Kapitalisten, Filmliebhaber, Lügner und Betrüger; sie waren geschmacklos, träumerisch und großmäulig. Der Name ihrer Produktionsfirma, Cannon Films, stand für Ballerkino mit Bronson, Dudikoff und Norris; aber er stand auch für das Regiedebüt Norman Mailers, für vielgelobte Filme von Franco Zeffirelli und einen Auslandsfilm-Oscar für das niederländische Drama THE ASSAULT. Ihre Geschichte ist faszinierend, amüsant und erschreckend; ein wahres Geschenk für Dokumentaristen also. In Mark Hartleys ELECTRIC BOOGALOO merkt man nichts davon.

Die freudige Nachricht, jemand würde sich der Geschichte von Cannon annehmen, schlug je in Ernüchterung um bei der Nennung Hartleys als Regisseur. Was Hartley unter Popkultur-Dokumentarfilm versteht, konnte man sich bereits bei seiner Ozploitation-Abhandlung NOT QUITE HOLLYWOOD vor Augen führen: Da wurde eine endlose Anzahl von - in dieser Geschwindigkeit quasi namenlos bleibenden - Interviewpartnern zu Lieferanten von Soundbites degradiert, die einem aufgedrehten Quentin Tarantino beim Beurteilen von Filmclips sekundierten. Ein grausiges Einerlei, das leider in Bereich "Dokus über Film" Schule gemacht hat: Mehr Namen statt Inhalt, mehr Auschnitte statt Einordnung oder gar Vertiefung.

Die Hoffnung, das verhalte sich bei ELECTRIC BOOGALOO vielleicht anders, wird jäh zerstört. In einem Affenzahn hagelt es Bilder, O-Ton-Geber und ballernde Musik; ohne Sinn und Verstand wird hier zwanghaft und in zugekokster Hektik um jeden Preis vermieden, mal zur Ruhe zur kommen. Zuschauer, die sich fragen könnten, wer denn da eigentlich spricht und warum er da sitzt, werden mit blinzelschnellen Bauchbinden abgefrühstückt, die aber bis auf eine Berufsbezeichnung auch keine weiteren Informationen enthalten. So geht das über die komplette Lauflänge des Films, der sich als Anekdotensammlung ohne roten Faden erweist und einzig und allein daran interessiert ist, Golan und Globus sowie jeden einzelnen ihrer Filme in die Pfanne zu hauen. Selbst die prominentesten Gäste müssen sich mit ein oder zwei Sätzen zu ihrer jeweiligen Erfahrung begnügen; so erfahren wir von Dolph Lundgren etwa, daß er sich beim Dreh von MASTERS OF THE UNIVERSE schon ein wenig "stupid" gefühlt habe. Das erinnert alles fatal an die im deutschen Fernsehen grassierenden Ranglistenshows, bei denen Prominente in der Bluebox sitzen und ihren Senf zu alten Videos abgeben müssen, meistens mit maximalem Informationsgehalt: "Ach ja, den Song kenn ich auch noch". Zupp, Nächster.

ELECTRIC BOOGALOO erweist sich somit als die befürchtete Zumutung und nicht selten als kunstfeindliches Hoho-sind-die-doof-Pogrom postmoderner Besserwisser. Der Informationsgehalt geht gegen Null, die Chance auf ein Dokumentieren produktionsinterner Prozesse wird selbst beim katastrophalen Musterbeispiel SUPERMAN IV - THE QUEST FOR PEACE nicht genutzt. Stattdessen nur und immer wieder Hoho-sind-die-doof. Doof ist aber vor allem Hartley, der einen mit dem Namen "Goddard" unterzeichneten Bierdeckel als vetragliche Zusage Jean-Luc Godards verkauft.

Menahem Golan, der übrigens im israelischen Unabhängigkeitskrieg als Pilot diente und in Tel Aviv seine Wohnung mit dem Berliner Playboy Rolf Eden teilte, ist jüngst verstorben. Diesen Nachruf hat er nicht verdient.

DVD.
Der des Englischen nicht mächtige Zuschauer kann zwischen deutschem Voiceover und deutschen Untertiteln wählen. Das Voiceover ist angesichts der Masse an Zeitzeugen natürlich dramatisch unterbesetzt und so mit Quatschen beschäftigt, daß der Originalton niemals hochkommt. Die Untertitel machen aus Frank Yablans allen Ernstes "Frank Le Vans" und nennen Godard auch stoisch "Goddard". Da hatte jemand überhaupt keinen Bock. In den Extras verbergen sich entfallene Szenen, z.B. zu den hochinteressanten Themen TOUGH GUYS DON'T DANCE, SPIDER-MAN und CAPTAIN AMERICA, die allerdings auch alle im atemlosen Hartley-Stil verkackt werden. Ach ja, und Michael Dudikoff darf noch einen Satz mehr sagen. Dafür war im fertigen Schnitt wohl keine Zeit.








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