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KAPITELWAHL

LEBEN UND STERBEN DES COLONEL BLIMP (Großbritannien 1943)

von Sven Taucke

Original Titel. THE LIFE AND DEATH OF COLONEL BLIMP
Laufzeit in Minuten. 157

Regie. MICHAEL POWELL . EMERIC PRESSBURGER
Drehbuch. MICHAEL POWELL . EMERIC PRESSBURGER
Musik. ALAN GRAY
Kamera. GEORGE PÉRINAL
Schnitt. JOHN SEABOURNE SR.
Darsteller. ROGER LIVESEY . DEBORAH KERR . ADOLF WOHLBRÜCK (ALS ANTON WALBROOK) . ROLAND CULVER u.a.

Review Datum. 2014-08-20
Erscheinungsdatum. 2013-08-13
Vertrieb. KOCH MEDIA

Bildformat. 1.33:1
Tonformat. DEUTSCH (DD 2.0) . ENGLISCH (DD 2.0)
Untertitel. DEUTSCH
Norm. PAL
Regional Code. 2

FILM.
Das englische Kino war in den Vierzigerjahren mit Regisseuren wie Carol Reed, David Lean oder den Produktionen des Teams Emerald Pressburger und Michael Powell gleichermaßen von unglaublicher handwerklicher Qualität und überbordender Kreativität. Das LEBEN UND STERBEN DES COLONEL BLIMP von Powell & Pressburger ist ein Schlüsselfilm dieser Zeit. Und ein Film zum Staunen. Da sind diese unglaublichen Farben: Frühes Technicolor, das alles in satten und leuchtenden Tönen zeigt, eben ganz so, wie die Titelfigur Blimp (die Rolle seines Lebens: Roger Livesey) das britische Empire zwischen Jahrhundertwende und zweitem Weltkrieg sieht. Dann ist da Deborah Kerr, mindestens genauso strahlend. Sie spielt nicht einfach irgendeine Frau, sie spielt DIE Frau. Oder besser: das weibliche Ideal, welches der Colonel in den Frauen erkennt, denen er zugetan ist. Deshalb ist Deborah Kerr auch in gleich drei Rollen zu sehen. Das ist ungewöhnlich, nicht nur für einen Film aus den Vierzigerjahren. Und dann ist da die Geschichte selber, die von der Freundschaft zwischen Colonel Blimp und einem vom Österreicher Adolf Wohlbrück dargestellten deutschen Offizier erzählt. Einem anständigen Deutschen. Das ist ebenfalls ungewöhnlich und erstaunlich, denn immerhin wurde THE LIFE AND DEATH OF COLONEL BLIMP mitten im Zweiten Weltkrieg gedreht.
Von Winston Churchill heißt es, dass er BLIMP sogar verhindern wollte, da er fürchtete, dass das Ansehen der britischen Armee wegen der Darstellung des Colonels leiden würde. Denn natürlich ist die Figur eine Satire auf den Militarismus, Namensgeber ist sogar eine Cartoonserie. David Lows COLONEL BLIMP lief in den dreißiger Jahren erfolgreich im Evening Standard. Der Film-Blimp hat aber zu guter Letzt nur das Aussehen mit der gezeichnet Vorlage gemeinsam. Blimp wird die Hauptfigur zwar im Titel genannt, im Film selber heißt der Colonel Clive Candy. Außerdem ist er durchaus sympathisch gezeichnet. Wohl um sich nicht den Vorwurf eines Zensors zuzuziehen, intervenierte Churchill schließlich doch nicht.

Um die ganze Aufregung zu verstehen, muss man sich vor Augen führen, in was für einer historischen Situation der Film gedreht wurde. In nur fünf Monaten produziert, hatte BLIMP im Juni 1943 Premiere. Das war zwei Jahre nachdem die Royal Air Force in der Luftschlacht von England Görings Luftwaffe eine Niederlage zugefügt hatte und so den Invasionsplänen der Nazis einen Riegel vorschob. Im Mai '43 hatte Feldmarschalls Montgomerys Armee das deutsche Afrikaabenteuer beendet. Die Niederlage der Deutschen im U-Bootkrieg zeichnete sich ab. Auch an der Ostfront und im Pazifik stand es ab diesem Jahr nicht mehr allzu gut für die Achsenmächte. Der Krieg begann sich also zu Gunsten der Alliierten zu entwickeln, sein Ende war freilich noch lange nicht abzusehen. Das war die Lage, als sich die kriegsgebeutelte Bevölkerung in ihren zerbombten Städten den Film ansehen konnte. BLIMP wurde von der Kritik gelobt, aber auch massiv angegriffen.
Ein Grund für das negative Echo war der bereits erwähnte deutsche Offizier. Dieser heißt Theo Kretschmar-Schuldorff, und Clive Candy duelliert sich mit ihm bevor sich die beiden Männer anfreunden. Das brillant gefilmte Duell (eine Fechtszene) mit der wie durch das Dachfenster fliegenden Kamera ist heute sicher die berühmteste Szene des ganzen Films. Der emotionalste Moment gehört ebenfalls dem Deutschen. Kretschmar-Schuldorff muss vor den Nazis fliehen und sucht in England Asyl, wo er vom Terror der Nazis berichtet. (Eine bewegende und traurige Parallele zum Schicksal des Schauspielers Adolf Wohlbrück, der als "Halbjude", Homosexueller und Antifaschist 1936 Deutschland den Rücken kehrte. Wohlbrück hatte bei Max Reinhard gelernt und in Deutschland seit der Stummfilmzeit mit gestandenen Regisseuren wie Reinhold Schünzel gearbeitet. In England nannte er sich Anton Walbrook und spielte später unter anderem in 1950 Powell & Pressburgers wohl berühmtesten Film DIE ROTEN SCHUHE mit.) Er ist es auch, der Candy die Dimension des Kampfes gegen die Nazis klar macht, dem Briten deutlich sagt, dass es keinerlei Ritterlichkeit in diesem Krieg gibt: "This is not a gentleman's war. This time you're fighting for your very existence against the most devilish idea ever created by a human brain - Nazism. And if you lose, there won't be a return match next year... perhaps not even for a hundred years".

THE LIFE AND DEATH OF COLONEL BLIMP wurde von rund 160 auf knapp 90 Minuten heruntergekürzt und geriet bis zur Wiederaufführung in Langfassung 1983 nahezu in Vergessenheit. Powell & Pressburger zählten zu diesem Zeitpunkt längst zu den ganz Großen. Neunzehn Filme hatten The Archers, wie sie ihre Produktionsfirma nannten, zwischen 1942 und 1956 auf die Leinwand gebracht. Ihr Einfluss auf die Filmemacher des New Hollywood Anfang der Siebzigerjahre war immens und wird von Regisseuren wie Francis Ford Coppola, Brian DePalma, George A. Romero und Martin Scorsese gerne und oft betont. In England wird der Film heute zu den besten britischen Produktionen überhaut gezählt. Hierzulande ist er nicht sonderlich bekannt, was sich hoffentlich dank der hervorragenden DVD- und BluRay-Veröffentlichung ändert. DasLEBEN UND STERBEN DES COLONEL BLIMP ist ein Geschenk. Eine der besten Veröffentlichungen des Jahres 2013.

DVD.
Perfekt restauriert kommt der Klassiker von Powell und Pressburger daher. Als Bonus gibt es eine Dokumentation und einen Beitrag über die Restaurierung. Verwendung findet die deutsche Synchronisation der alten, gekürzten Fassung. Englische Passagen sind untertitelt.








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