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KAPITELWAHL

UND ERLÖSE UNS NICHT VON DEM BÖSEN (Frankreich 1971)

von Björn Lahrmann

Original Titel. MAIS NE NOUS DÉLIVREZ PAS DU MAL
Laufzeit in Minuten. 102

Regie. JOËL SÉRIA
Drehbuch. JOËL SÉRIA
Musik. CLAUDE GERMAIN . DOMINIQUE NEY
Kamera. MARCEL COMBES
Schnitt. PHILIPPE GOSSELET
Darsteller. JEANNE GOUPIL . CATHERINE WAGENER . BERNARD DHÉRAN . GÉRARD DARRIEU u.a.

Review Datum. 2013-08-18
Erscheinungsdatum. 2012-10-05
Vertrieb. BILDSTÖRUNG

Bildformat. 1.85:1 (anamorph)
Tonformat. FRANZÖSISCH (DD 2.0)
Untertitel. DEUTSCH
Norm. PAL
Regional Code. 2

FILM.
Sommerferien in der französischen Provinz: Zwei jeunes filles en fleur in knappen Röcken radeln eine weidengesäumte Landstraße hinunter, ausgelassen kichernd immer der Kamera entgegen - eine Szene wie aus Jean Eustaches MEINE KLEINEN GELIEBTEN, nur eines fehlt: gleichaltrige garçons. Die gibt es weder auf dem lesboiden Nonneninternat noch in Nachbarschaft des grafschaftlichen Anwesens, wo eines der Mädchen residiert. Stattdessen: Pfaffen, Bauerntölpel, schwachsinnige Gärtner. Wem soll man da bitte die knospenden Körperreize darbieten als allenfalls der besten Freundin und dem Schlafzimmerspiegel?

Anne und Lore haben eine bessere Idee: Dem Teufel wollen sie sich verschreiben mit Seele und mehr noch Leib. Zur Vorbereitung lesen sie böse Bücher - de Sade, Lautréamont - und tun böse Dinge: Heuhaufen anzünden, Kanarienvögel töten. Vor allem aber provozieren sie unentwegt männliche Blicke mit ihrer noch halb kindlichen, verbotenen, deswegen umso begehrenswerteren Sexualität (beide Darstellerinnen waren beim Dreh um die 20, sehen aber mindestens fünf Jahre jünger aus). Regiedebütant Joël Séria steht ihnen als williger Erfüllungsgehilfe bei, inszeniert seine spätere Partnerin Jeanne Goupil und Catherine Wagener einerseits softpornoesk appetitlich, lässt aber zugleich nie Zweifel aufkommen, dass ihre Lolita-Frivolität immer auch unbedarften Spielcharakter hat.

Séria tut nichts gegen diesen zeigästhetischen Doublebind aus Lockung und Abstoßung, im Gegenteil, er forciert ihn nach Kräften: Als Lore nach minutenlanger Upskirt-Neckerei von einem groben Dörfler angefallen wird, liebkost die Kamera die unangenehme Szene seelenruhig weiter, während harmlos-laszives Flötengestöhn das Vergewaltigungsgeschrei untermalt. Als Tarantinoeske Riot-Grrrl-Ermächtigungsfabel taugt UND ERLÖSE UNS NICHT VON DEM BÖSEN damit ebensowenig wie zum sorglosen Schmutzgenuss Marke "Die selijen Siebzijer". Noch absurder ist die gelegentlich behauptete Nähe zum Satanismushorror: Wenn die Mädchen in einer verfallenen Kapelle antichristliche Gebete aufsagen und gestohlene Hostien lutschen, wähnt man sich eher in einer morbiden Puppenstube als im Vorhof zur Hölle.

Bleibt dennoch die Frage, was der Film eigentlich will, von sich, von mir und überhaupt. Seine Haltung, gerade keine klare Haltung demgegenüber einzunehmen, was er zeigt; sich zu weigern, an den pubertären Sadistinnen und ihrem stockkatholischen Umfeld ein Moralprogramm - auch kein Lob des Unanständigen - durchzuexerzieren, ist ebenso grundsympathisch wie rar: echte Ambivalenz, die nicht mit sich selbst hausieren geht. Sicher ein gefundenes Fressen für Theoretiker des Bösen von Bataille bis Bohrer - für exploitative Drastiker (wie mich) dagegen eine Übung in cleverer, darum aber umso größerer Lustfrustration.

DVD.
Rundum tadelloses Paket, wie immer mit Begleitheft. Als Bonusmaterial gibt's drei knapp viertelstündige Interviews mit Séria, Goupil und Paul Buck, der den Film mit dem Mordfall Parker/Hulme - Grundlage für Peter Jacksons HEAVENLY CREATURES - kurzschließt.








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