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KAPITELWAHL

KRIEGERIN (Deutschland 2011)

von Martin Eberle

Original Titel. KRIEGERIN
Laufzeit in Minuten. 100

Regie. DAVID WNENDT
Drehbuch. DAVID WNENDT
Musik. JOHANNES REPKA
Kamera. JONAS SCHMAGER
Schnitt. ANDREAS WODRASCHKE
Darsteller. ALINA LEVSHIN . JELLA HAASE . SAYED AHMAD WASIL MROWAT . GERDY ZINT u.a.

Review Datum. 2013-04-27
Erscheinungsdatum. 2012-10-09
Vertrieb. ASCOT ELITE

Bildformat. 2.35:1 (anamorph)
Tonformat. DEUTSCH (DTS/DD 5.1)
Untertitel. DEUTSCH
Norm. PAL
Regional Code. 2

FILM.
Wir haben euch was mitgebracht: Hass, Hass, Hass!

Es ist - glücklicherweise - ein relativ großer gesellschaftlicher Konsens, prügelnde Nazi-Skins sehr schlimm zu finden. David Wnendt (spricht sich so, wie es sich schreibt) findet prügelnde Nazi-Skins auch schlimm und hat daraus einen Film gemacht: KRIEGERIN.

Die Kriegerin, das ist zunächst einmal Marisa (Alina Levshin), 20 Jahre alt, wütend, die mit ihrer Clique ostdeutscher Dorfjugendlicher alles fremdartige hasst und bei Gelegenheit auch verprügelt. Während sie sich allerdings im Laufe des Films langsam vom rechten Milieu entfernt, findet die 15-jährige Svenja (Jella Haase) in der Gruppe die Freundschaft und vor allem Anerkennung, die sie zuhause nicht bekommt. Svenja rutscht mehr und mehr in die rechte Szene ab.

Wnendt hat den Anspruch, mit KRIEGERIN einen Einblick in das Seelenleben desorientierter ostdeutscher Jugendlicher zu gewähren. Und da sind ihm die feinen Zwischentöne offenbar zu undeutlich. Die gibt es in seinem Film ganz einfach nicht.
So geschieht unter Nazis alles, alles, wirklich alles, immer hasserfüllt, nicht nur das Verprügeln. Auch das Autofahren, der einvernehmliche Sex, das Zigarette-Anzünden, vermutlich sogar der tägliche Stuhlgang mit zornzerknitterter Tageszeitung in den Händen. Immer unter Volldampf, immer mit hochrotem Kopf. Das ist für den Zuschauer auf Dauer anstrengend und macht vor allem die Figuren unglaubwürdig.

Mit der Glaubwürdigkeit des Plots ist es auch nicht weit her. Marisas Wandel von einer geifernden Draufprüglerin zur guten Samariterin für ein afghanisches Flüchtlingskind dürfte selbst privatfernsehkonditionierten Küchentischpsychologen ein, zwei Nummern zu zackig gehen. Die talentierte Jungschauspielerin Alina Levshin versucht zwar redlich und mit gewissem Erfolg, ihrer Figur Ansätze von Charakterzeichnung, von Leben mitzugeben. Dass ihr das innerhalb der sehr engen Grenzen des Drehbuchs nur leidlich gelingt, spricht eindeutig für sie und schwer gegen das Drehbuch. Dieses lässt z.B. den österreichischen Senior-Nazi einen sabbernder Lustgreis sein, den Stiefvater einen Ignoranten, der nur versteht, Leistung mit Geld zu belohnen und sonst mit übertriebener Härte zu reagieren. Und dann gibt es noch Nazi-Oppa, der der einzige war, der sich um das Kind so richtig gekümmert hat. Und natürlich die Jugendlichen, die, wie schon erwähnt, immer nur voller Hass, Hass, Hass sind. So grob überzeichnet sind die Figuren, so schlimme Karikaturen und Klischeebilder ihrer selbst, dass man unwillkürlich mit Ihnen Mitleid bekommt. Das muss man, bei einem dezidiert anti-nazistischen Film, erst mal hinkriegen.

So derbe hingeworfen, so holzschnittartig, so eindimensional die Charaktere, so uninspiriert und dröge auch die Inszenierung. Immer der nächstbeste Abzweig, immer die am ehesten vorauszusehende Entwicklung. Jeder Ansatz von Originalität verkümmert zum Standard. Svenja und ihr Freund packen Propagandamaterial aus. Dabei setzt er sich eine Gummi-Hitlermaske auf, sie schauen sich an, setzen zum Kuss, zum ersten Kuss an..... und anstatt mit der Hitlerbirne für einen wenigstens etwas grotesk-absurden Moment zu sorgen, eine Knutscherei mit einem Gummiführer, wird die Maske flugs abgesetzt und ganz klassisch zum Petting übergegangen. Ein verschenkter Moment, der diesem dullen Erziehungsfilm zur Abwechslung mal etwas mehr spin gegeben hätte.

"Ein wichtiger deutscher Film" prangt als Zitat auf der DVD, direkt darunter das "Prädikat besonders wertvoll". Und vielleicht hat KRIEGERIN ja sogar einen gewissen Wert, zumindest, wenn man ihn als idealtypisches Beispiel für das Niveau des aktuellen Rechtsextremismus-Diskurses nimmt. Es geht nämlich in aller Regel um "wir hier" vs. "die da". "Wir" sind die Guten, hier in der Mitte der Gesellschaft, die wir mit Rassismus oder Rechtsextremismus nichts am Hut haben. "Die" sind die Bösen, die irgendwo "da", Ostdeutschland bzw. am Rande der Gesellschaft, unsere armen Ausländer verprügeln und nichts vernünftiges aus ihrem Leben machen. Eine sehr bequeme Sicht der Dinge, denn Deutschland, West wie Ost, ist nicht immer eine besonders freundliche, offene Gesellschaft. Nur mal zum Beispiel und zur Erinnerung: Als 1992 die Situation für Anwohner und Asylbewerber in Rostock-Lichtenhagen immer unerträglicher wurde und in einem brandschatzenden Mob gipfelte, war es Bundesinnenminister Seiters (gebürtiger Osnabrücker), der sich gerade NICHT um Menschenleben scherte sondern im Gegenteil die Ausschreitungen zur weiteren Hetze gegen Asylbewerber nutzte ("Wir müssen handeln gegen den Missbrauch des Asylrechts, der dazu geführt hat, dass wir einen unkontrollierten Zustrom in unser Land bekommen haben, ich hoffe, dass die letzten Beschlüsse der SPD, sich an einer Grundgesetzänderung zu beteiligen, endlich den Weg frei machen.").
Und eine weitere Monstrosität aus dem Rechtsstaat Deutschland (no pun intended): im Polizeigewahrsam verbrennt ein dunkelhäutiger Betrunkener, angezündet von bundesdeutschen Polizeibeamten ("Unsere Polizei macht einen guten Job", Klaus Jeziorsky (CDU), Sachsen-Anhalts Innenminister).

Rassismus, Rechtsextremismus also nur ein Problem vom Rande der Gesellschaft? Man kann sich ja mal den Spass machen und politische Statements zur Ausländer- oder Innenpolitik von CDU und NPD nebeneinander stellen. Und auch der ein oder andere SPD-Mann könnte leicht mit einem rechtsextremen Rassentheoretiker verwechselt werden. Von Polizisten und Verfassungsschützern ganz zu schweigen, für die eine Dekade lang die Idee zu grotesk war, dass die Mordserie an türkischen/griechischen Migranten rechts motiviert hätte sein können.

In diesem Land mit diesem bigotten Rechtsdiskurs funktioniert KRIEGERIN wie ein kuscheliges Lagerfeuer, um das man sich schart, an dem man sich Gruselgeschichten aus der Dunkelheit erzählt. Sonst gerne Zombies, Vampire, hier aber, etwas realitätsnäher, Neo-Nazis.... eine fremde, seltsame Welt, faszinierend und abstoßend zugleich. Vor allem aber: eine Freak-Show, die mit unserer Erlebniswelt nichts weiter zu tun hat.
KRIEGERIN also als der Wohlfühl-Exploiter für die liberale Mittelschicht, die zwar nie so weit gehen würde, den Schwiegereltern das Sarrazin-Pamphlet zu Weihnachten zu schenken, aber trotzdem diese bettelnden Zigeuner, Verzeihung, Sinti und Roma vor dem Bio-Supermarkt wahnsinnig lästig findet und spätestens sobald der erste Nachwuchs unterwegs ist, schnell von Berlin-Kreuzberg ins geruhsame Steglitz zieht, um den Kleinen nicht die Zukunftsaussichten durch unterdurchschnittliches schulisches Niveau wegen all den integrationsunwilligen Migrationshintergrundskindern zu verbauen. Aber nun gut, die Rassisten sind immer die anderen.

Schlusswort von Serdar Somuncu:

Und es ist so erschreckend schnell, und es ist so erschreckend nah! Es sind nicht Leute, die 70 sind und einen Wackeldackel im Fond ihres Mercedes haben, es sind Deine Freunde!

DVD.
Technisch alles C-Dur, aber wer den Film gesehen hat und dann die so selbst überzeugten Interviews usw. sehen muss, kann das nur schwer ertragen. Immerhin, auf der DVD gibt es auch noch Material für die armen Schulklassen, die wehrlose Zielgruppe, die sich den Film im Unterricht antun müssen.








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