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KAPITELWAHL

PINK FLOYD: BEHIND THE WALL (Großbritannien 2011)

von David Leuenberger

Original Titel. PINK FLOYD: BEHIND THE WALL
Laufzeit in Minuten. 79

Regie. SONIA ANDERSON
Drehbuch. SONIA ANDERSON
Musik. -
Kamera. JOHN SIMMONS . SIMON ROWELS
Schnitt. SAM TOLLITT . BEN NASH
Darsteller. DAVID GILMOUR . NICK MASON . ROGER WATERS . RICHARD WRIGHT u.a.

Review Datum. 2013-04-19
Erscheinungsdatum. 2012-06-29
Vertrieb. I-ON NEW MEDIA

Bildformat. 1.78:1 (anamorph)
Tonformat. DEUTSCH (DD 5.1) . ENGLISCH (DD 5.1)
Untertitel. keine
Norm. PAL
Regional Code. 2

FILM.
WARNUNG: kann rudimentäre Spuren von Pink Floyd enthalten!

Musik-Dokus, besonders solche über eine bestimmte Band, sind so eine Sache: wie kann man Fan-Boys und Fan-Girls aus aller Welt dazu bringen, einen Film über ein Thema zu schauen, über das sie eigentlich schon alles wissen, gleichzeitig aber auch allgemein-Interessierte Zuschauer gewinnen, bei denen man nicht allzu viel Vorkenntnisse voraussetzen sollte? Und dabei auch noch ein gelungenes Filmwerk vorlegen? Das ist schwierig, zugegeben, aber PINK FLOYD: BEHIND THE WALL versagt wirklich in absolut jeglicher Hinsicht.

Wann die Mode der Interview-Schnipsel-Dokus angefangen hat, ist wahrscheinlich ebenso schwer zu bestimmen wie die Frage danach, wann die "Wackleritis"-Epidemie bei Action-Filmen ausgebrochen ist. Fest steht, dass anscheinend beide leider nicht aus der Welt zu schaffen sind. Statt also eine Doku über Pink Floyd zu drehen, hat Sonia Anderson einfach nur ganz viele Interview-Schnipsel zusammen montiert. Dabei handelt es sich meistens um Gespräche mit Leuten, deren Namen man nach zwei Minuten vergisst und deren Relevanz für das Thema nur rudimentär erkennbar ist. Nichts gegen die Leute selbst: die Freundin eines Kumpels von Syd Barrett, die sich vor 44 Jahren mal mit dem ersten Floyd-Leadgitarristen sich einen Acidtrip reingepfiffen hat, ist bestimmt eine nette Person. Was sie jedoch vor sich hinlabert, interessiert aber gelinde ausgedrückt kein Schwein! Und das ist nur eine von einem Dutzend interviewter Personen, die sich für die geilsten Experten aller Zeiten halten und irgendetwas völlig belangloses rumbrabbeln, um sich damit wichtig zu fühlen.

Dass der Interviewpartner der größte Feind des Dokumentarfilmers ist, müsste aber mittlerweile genauso klar sein wie die Tatsache, dass Zeitzeugen die größten Feinde des Historikers sind. Das gilt genauso für die eigentlichen Objekte der Untersuchung selbst. David Gilmour macht die ganze Zeit völlig selbstverliebt einen auf falsche Bescheidenheit, während Roger "Pink Floyd, das bin ich" Waters so selbstverliebt redet, dass man ihm am liebsten ins Gesicht spucken möchte. Aber es gibt auch viele Momente in Andersons Machwerk, wo tatsächlich auch mal einfach nicht geredet wird: für fünf Sekunden, und wenn's wirklich verwegen wird sogar zehn. Gute Momente, um ein bisschen Musik zu hören - die aber zu zwei Dritteln nicht von Pink Floyd stammt, sondern der "impressionistischen" Untermalung neunmalkluger "Zeitkolorit"-Analysen dient.

Im Stil der "Sendung mit der Maus" bekommt der Zuschauer dann fünf Minuten lang erklärt, wie die wilden 1960er Jahre in London eigentlich so waren. Es kommt irgendwann einmal der obligatorische Abschnitt "LSD für Dummies". Der Zuschauer bekommt dann ohne jeglichen Kontext den Namen Timothy Leary an den Kopf geschmissen, und einer der interviewten "Experten" sagt vor der Kamera den kompletten und genauen wissenschafltichen Namen der Substanz und darf sich dabei superintelligent fühlen. Und das dauert Minuten, und Minuten, und Minuten, und Minuten, und Minuten... als liefe die Doku auf Duracelhase-Autopilot. Allen Ginsberg schließlich dabei zuzuschauen, wie er auf Acid völlig zusammenhanglos darüber brabbelt, wie man in den Park geht, um dort Spaß zu haben, ist sicherlich ganz unterhaltsam, hat aber nur bedingt was mit dem Thema zu tun. Natürlich davon abgesehen, dass der Poet von den Machern auch noch falsch buchstabiert wird (nämlich als "Alan Ginsberg").

Wer sich nun wundert, dass bislang in dieser Besprechung von Pink Floyd nur wenig die Rede war: genauso ist es in PINK FLOYD: BEHIND THE WALL auch. Obwohl die Doku chronologisch "erzählen" möchte, wird das Debüt-Album "The Piper At The Gates Of Dawn" erst bei Minute 42 zum ersten Mal erwähnt. Das Album wurde zeitgleich mit "St. Pepper's" von den Beatles im selben Studio aufgenommen, weshalb sogleich ein Drei-Minuten-Exkurs über die Beatles und ihren Indien-Exkurs folgen muss. Dann kommt irgendwann ein "und das passierte nach Syds Weggang"-Zeitraffer und bei Minute 58 wird "Dark Side Of The Moon" erstmals erwähnt. Auf sehr "ausführliche" Art und Weise wird "Wish You Were Here" abgehandelt und bei Minute 59 (!) geht es schnurstracks zur Auflösung der Band in der klassischen Roger-Waters-Formation. Die letzte Viertelstunde, die noch einmal richtig Gas gibt, um so viele Interview-Schnipsel wie nur möglich aneinander zu reihen, ist an absurder Lächerlichkeit kaum zu toppen. Richard Wrights Tod sichert noch einen kleinen Moment der Rührseligkeit, wo alle Interviewten mit einer Träne im Augenwinkel bestätigen dürfen, was für ein dufter Kerl der Rick doch war. Schließlich kommt endlich das Ende.

Eines muss man der Sonia Anderson lassen: sie vertritt klipp und klar die Meinung, dass Syd Barrett Pink Floyd war, und zwar nur Syd Barrett. Der einzige rote Faden ist also die Syd-Story, die über die bereits erwähnten "Experten"-Interviews (nicht) erzählt wird. Was die Floyds nach Syds Weggang gespielt haben, war ja so oder so kein "richtiges" Pink Floyd, sondern Käse. "Dark Side Of The Moon": Käse. "Wish You Were Here": Käse, aber nicht ganz so käsig, weil da ja Syds gedacht wurde. "The Wall": Käse hoch drei. Sicher: wer einen Film über Pink Floyd dreht, sollte sich wohl auch mit den bizarren Exzessen gigantomanischen Stadion-Rocks der 1970er Jahre beschäftigen, aber bitte schön etwas kritischer, ausführlicher (sprich: länger als zwei Minuten) und etwas Material-gesättigter. Und vielleicht auch ohne diese demonstrative Verachtung jeglichen Schaffens Pink Floyds nach 1968.

PINK FLOYD: BEHIND THE WALL ist also der ideale Film für Leute, die die Erfahrung machen wollen, wie viel alberner Blödsinn und Dilettantismus in 79 Minuten reinpassen. Wer einen Dokumentarfilm über eine der prägendsten und bedeutendsten Bands der Popgeschichte sehen möchte, sollte allerdings passen.

DVD.
Bild und Ton sind in Ordnung. Wer mit britischem Englisch Mühe hat, muss mangels Untertitel überaffektiert dahinredende Sprecher ertragen, die ansonsten wohl hauptsächlich Pornos synchronisieren. Extras gibt es keine, und mit "keine" meine ich: Keine! Nada! Nitschewo! Pustekuchen! Ein paar längere Konzertausschnitte ohne ständiges Geplapper sind ja schließlich nichts, was irgendein Pink-Floyd-Fan oder Interessenten der Popgeschichte im geringsten jucken könnte.








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