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KAPITELWAHL

DAS SYNDIKAT (Deutschland/Italien 1972)

von Hasko Baumann

Original Titel. LA POLIZIA RINGRAZIA
Laufzeit in Minuten. 94

Regie. STEFANO 'STENO' VANZINA
Drehbuch. STENO . LUCIA DI CARO
Musik. STELVIO CIPRIANI
Kamera. RICCARDO PALLOTINI
Schnitt. JUTTA BRANDTSTAEDTER . ROBERTO PERPIGNANI
Darsteller. ENRICO MARIA SALERNO . JÜRGEN DREWS . MARIO ADORF . CYRIL CUSACK u.a.

Review Datum. 2012-05-25
Erscheinungsdatum. 2011-08-19
Vertrieb. COLOSSEO FILM/ALIVE

Bildformat. 2.35:1 (anamorph)
Tonformat. DEUTSCH (DD 2.0) . ENGLISCH (DD 2.0) . ITALIENISCH (DD 2.0)
Untertitel. DEUTSCH
Norm. PAL
Regional Code. 2

FILM.
Alles hat irgendwo seinen Anfang, auch der italienische Polizeifilm. Und der Anfang des italienischen Polizeifilms heisst DAS SYNDIKAT, beziehungsweise eigentlich, sehr viel schöner, LA POLIZIA RINGRAZIA ("Die Polizei dankt"). Natürlich ist auch diese These streitbar - so sah man etwa schon im Jahre 1968 in Lizzanis BANDITI A MILANO wildgewordene Verbrecher die Straßen der Großstadt terrorisieren - aber DAS SYNDIKAT entwirft zweifelsohne die Blaupause für die zentrale Figur des Poliziesco. Es ist dies der frustrierte Kriminalbeamte, der gegen die eigene Machtlosigkeit ankämpft; die Hände von korrupten Vorgesetzten gebunden, mißachtet von der Presse, mißachtet vom gequälten Volk und belächelt von der übermächtigen Mafia. Auf der einen Seite muß er sich mangels Erfolg kritisieren lassen von Medien und Meute, um gleichzeitig von denselben Leuten für jeden polizeilichen Übergriff angefeindet zu werden. In Italiens "bleiernen Jahren" zwischen politischem Chaos und ausufernder Kriminalität war die regulative Figur die zerrissenste.

Commissario Bertone ist allerdings noch weit entfernt von den rücksichtslosen Draufgängern, die die späteren Poliziesco-Helden Milian und Merli so effektiv verkörpern sollten. Der Theaterschauspieler Enrico Maria Salerno stellt ihn als Bürokraten am Rande der Verzweiflung dar, streng und überlegt, nicht gewaltbereit und alpha-männlich. So sehr ihn die gnadenlosen Kriminellen anwidern, so entsetzt ist er über die Alternative, die sich auf den Straßen Roms blutrünstig Bahn bricht: Ein systemintern geschaffenes Monster pflügt sich in Form eines Selbstjustiz-Exekutionskommandos durch die Unterwelt. Irgendwann muß sich Bertone entscheiden: Die Augen schließen und den Auftragshenkern das Feld überlassen oder die Regeln des Systems beschützen vor der Vigilante-Anarchie.

LA POLIZIA RINGRAZIA ist kein Actionfilm wie die späteren Polizeireißer mit ihrer entgrenzten Wildheit, tatsächlich kommt der Film unter der Regie von PLATTFUSS-Macher Steno mitunter recht behäbig daher. Zum Leben erwacht der Film vor allem dann, wenn Jürgen Drews als Kleinkrimineller auf den Plan tritt und seine schöne Geisel Laura Belli drangsaliert. Dem unverschämt gutaussehenden Drews gelingt hier mit schauspielerischer Unbedarftheit das Porträt eines jungen Mannes auf der schiefen Bahn, bei dem man lange nicht sicher sein kann, ob hier nicht doch ein guter Junge nur mal die falsche Ausfahrt genommen hat. Bis er sein wahres Gesicht zeigt.

Wenn Commissario Bertone den Flüchtigen dann gegen das Rachekommando in Schutz nimmt und sich dementsprechend offen gegen den Machtmißbrauch der korrupten Geldsäcke in den oberen Rängen stellt, findet auch der Film seine spannende Mitte. In der Konsequenz orientiert sich Stenos Film eher an Damianis Politkino als am aktionsbetonten Copfilm: Der Preis, mit dem Bertone seinen Mut zu zahlen hat, ist bekannt. Doch es wird immer einen geben, der sich nicht kaufen lässt, und wenn es Mario Adorf ist.

DVD.
Colosseo Film gönnt dem Filmfreund hier ein dickes Paket. Auf DVD 1 findet sich eine erstmals ungekürzte Fassung des Films mit prächtigem Bild und deutschem, italienischen und englischem Ton. Der deutsche Ton fällt dabei sogar am klarsten aus und glänzt mit guten Sprechern (Salerno darf sich über Manfred Schott freuen). Dazu gibt es den Trailer, der schon ganz schön viel erzählt. Auf DVD 2 dann eine hübsche Bildergalerie mit tollem internationalen Werbematerial. Außerdem hat man Jürgen Drews, Mario Adorf, Produzent Dieter Geissler und das legendäre Multitalent Peter Berling zwecks retrospektivem Blick auf die damalige Zeit vor die Kamera geholt. Leider spotten die Interviews formal jeder Beschreibung; trotz teils sichtbarer Anstecker wurde auf kaum verständlichen, stimmungslosen Kameraton zurückgegriffen; Geissler wurde ans Ende seines schmucklosen Balkons gesetzt und beim ausladenden Berlin auf jede Rücksicht verzichtet - gnadenlos und unbegründet zoomt sich die Kamera auf sein vom Alter gezeichnetes, fleckiges Gesicht zu und verweilt dort ungerührt. Allein das Interview mit Drews sieht professionell aus und klingt auch so, was sich wohl die Produzenten der DVD auch gedacht haben: Das Gespräch mit ihm gibt es als Extra-Feature in voller Länge zu sehen. Drews ist als gut gelaunter Raconteur dabei meilenweit entfernt vom König von Mallorca, und es ist im Grunde eine Schande, diesen Mann an den übelsten Boulevardtrash verloren zu haben (was er, so hat man zumindest den Eindruck, manchmal auch selbst denkt). Durchgängig ansehen kann man sich das trotzdem nicht, weil seine Aussagen aneinander gekloppt wurden, ohne Redundanzen zu eliminieren. Ich nehme bei dieser liebevollen Special Edition den guten Willen für die Tat, aber etwas mehr handwerkliche Sorgfalt wäre schon schön gewesen.








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