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KAPITELWAHL

DER DRITTE MANN (Großbritannien 1949)

von Florian Lieb

Original Titel. THE THIRD MAN
Laufzeit in Minuten. 105

Regie. CAROL REED
Drehbuch. GRAHAM GREENE
Musik. ANTON KARAS
Kamera. ROBERT KRASKER
Schnitt. OSWALD HAFENRICHTER
Darsteller. JOSEPH COTTON . ALIDA VALLI . TREVOR HOWARD . ORSON WELLES u.a.

Review Datum. 2012-02-03
Erscheinungsdatum. 2011-11-17
Vertrieb. STUDIO CANAL

Bildformat. 1.33:1 (1080p)
Tonformat. DEUTSCH (DTS-HD 2.0) . ENGLISCH (DTS-HD 2.0) . FRANZÖSISCH (DTS-HD 2.0) . SPANISCH (DTS-HD 2.0)
Untertitel. DEUTSCH . FRANZÖSISCH . NIEDERLÄNDISCH . SPANISCH
Norm. PAL
Regional Code. B

FILM.
Was soll man noch groß über einen Film schreiben, der über ein halbes Jahrhundert alt ist und weithin als (Film-noir-)Meisterwerk angesehen wird? Darf man überhaupt etwas Schlechtes über so ein Werk schreiben, das unisono gelobt wird? Muss man die Scheuklappen des Gegenwartskinos ablegen und zur filmhistorischen Rezeption übergehen? Die atmosphärische Inszenierung über die narrative Stringenz und Qualität stellen? Ist es in Ordnung, einen Film wie DER DRITTE MANN nicht als Meisterwerk zu empfinden? Am Denkmal zu rütteln und festzustellen, dass der Sockel heutigen Baugenehmigungen nicht mehr vollends entspricht? Dürfen wir das?

Denn irgendwie will Reeds Geschichte vom Amerikaner Holly Martin der ins Post-Weltkriegs-Wien kommt, um festzustellen, dass sein alter Kumpel Harry Lime verstorben ist, nicht sonderlich fesseln. Da latscht er nun, der Joseph Cotten, durch ein zertrümmertes Hegemonial-Zentrum, verknallt sich in die illegal eingewanderte Ex seines Freundes und stellt fest, dass nichts ist, wie es zu sein scheint: Der Unfall, der Lime das Leben gekostet haben soll, ein ominöser dritter Mann, von dem nur der Wiener Vermieter wissen will und kriminelle Machenschaften. Cotten übernimmt die Position des Publikums, führt uns ein in diese Welt, dieses Wien, diesen mysteriösen Fall.

Nur interessant ist dieser irgendwie nicht. Weder das subtil amouröse Geplänkel mit Alida Valli, noch die Kabale mit Trevor Howards britischem Militär. DER DRITTE MANN zieht sich und kämpft sich vorwärts, durch seine Handlungstrümmer, manövriert sich oftmals ungeschickt durch seinen Wust aus Film noir und Post-Kriegsdrama. Währenddessen keifen und schimpfen gelegentlich die österreichischen Mimen wie Paul Hörbiger und Hedwig Bleibtreu ob des oppressiven Charakters der Besatzermächte. Spannend ist das nicht und wird es auch erst, als Orson Welles' Figur die Bühne betritt. Ebenso ihren Schatten voraus werfend, wie der Filmstar über diesen Film selbst.

Wer an DER DRITTE MANN denkt, dem fällt wohl der erste Auftritt von Harry Lime ein. Das Spiel mit den Schatten, die Zither von Anton Karas. Oder die Riesenrad-Szene auf dem Jahrmarkt, das Finale in der Wiener Kanalisation. Die gelungenen narrativen Szenen von Reeds Film sind die Szenen, die uns Harry Lime präsentieren. Nun könnte man argumentieren, das liege vor allem daran, da der Spannungsaufbau des Films entsprechend ausfiel. Dass Lime deswegen so interessant ist, weil Cotten und Co. ihm eine Stunde lang entsprechend die Bühne bereitet haben. In Wirklichkeit liegt es aber wohl eher daran, dass Lime die einzig interessante Figur des Filmes darstellt.

Sicherlich ist der Film von technischer Seite aus sehr geschickt inszeniert, das Spiel mit Licht und Schatten, die verzerrenden Blickwinkel der Kamera. In Kombination mit den kargen Trümmern Wiens, der immer noch offenen Wunde des großen Krieges, wird eine nicht zu verleugnende Atmosphäre heraufbeschworen. Ein Intrigenspiel zwischen Personen und Nationen gleichermaßen. Nur trägt die Atmosphäre allein trägt keinen Film (siehe auch BLADE RUNNER) und schon gar nicht die erste, inhaltlich schleppend geratene Hälfte dieses angepriesenen Meisterwerks. Ebenso will auch Karas' verspieltes Zither-Theme nicht so ganz zur düsteren Filmprämisse passen.

Ähnlich wie Harry Lime sein Schatten vorauseilt, verhält es sich auch mit DER DRITTE MANN. Die vielen positiven, womöglich sogar meisterlichen Elemente des Films wiegen nicht die Schwachpunkte in der Erzählung auf, sodass das Renommee von Reeds Werk nicht diesem selbst vollends gerecht zu werden vermag. Was soll man also noch über einen Film schreiben, der über ein halbes Jahrhundert alt ist und weithin als Meisterwerk angesehen wird? Vielleicht, dass er überschätzt ist. Aber nur, wenn man das darf.

BLU-RAY.
Technisch lässt sich über den Blu-ray-Transfer angesichts des Filmalters nicht meckern. Das Bild ist für seine 60 Jahre beeindruckend scharf, der Ton weitestgehend sauber und verständlich. Überwältigend fällt das über 3-stündige Bonusmaterial aus, von Audio-Interviews mit Cotton und Greene über einen virtuellen Rundgang durch Wien bis hin zur Dokumentation "Shadowing the Third Man". Mehr als genug Material also für Fans des Klassikers, abgerundet von einem etwas monotonem Audiokommentar von einem Assistant und zwei Second Unit Regisseuren von damals, der sich anhört, als wäre er im Seniorenheim bei einer Tasse Tee mit Plätzchen aufgenommen worden. Ein Booklet ist scheinbar ebenfalls enthalten, lag dieser Rezension jedoch nicht zugrunde.








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