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KAPITELWAHL

SWEET KARMA (Kanada 2009)

von Alexander Karenovics

Original Titel. SWEET KARMA
Laufzeit in Minuten. 88

Regie. ANDREW THOMAS HUNT
Drehbuch. ANDREW THOMAS HUNT . JAMES FLEER
Musik. MATTEO DIMARR
Kamera. JOHN V. LINDSAY
Schnitt. ANDREW THOMAS HUNT
Darsteller. SHERA BECHARD . JOHN TOKADLIDIS . CHRISTIAN BAKO . LAURA MCLEAN u.a.

Review Datum. 2012-01-21
Erscheinungsdatum. 2011-06-24
Vertrieb. I-ON NEW MEDIA

Bildformat. 1.78:1 (anamorph)
Tonformat. DEUTSCH (DD 5.1) . ENGLISCH (DD 5.1)
Untertitel. keine
Norm. PAL
Regional Code. 2

FILM.
Der beste Weg, einen Grindhouse-Film zu drehen, ist immer noch, einfach einen Grindhouse-Film zu drehen; ohne sich das aggressiv blinkende LED-Schild um den Hals zu hängen, wie toll Vintage, Retro und Low Budget und deswegen kultig das doch jetzt alles sei. Solange das Projekt mit ausreichend Herz und Eifer umgesetzt wurde, kommt die verdiente Aufmerksamkeit von alleine - ganz ohne Tarantino-Referenz auf dem Poster.

Glücklicherweise widersteht Andrew Thomas Hunt in seinem "grindigen" Debüt der Versuchung, auf Gedeih und Verderb einen Pseudo-70er-Stil durchzudrücken. Das hat schon beim Seelenverwandten RUN! BITCH, RUN! nur bedingt funktioniert. Um heutzutage die Vergangenheit glaubhaft auferstehen zu lassen, braucht es Geld, CGI und Steven Spielberg, and Mr. Spielberg does not do Rape & Revenge. Das kann man gut oder scheiße finden, aber darüber zu diskutieren ist müßig. SWEET KARMA passiert im Hier und Jetzt, und steht und fällt mit seiner Hauptdarstellerin Shera Bechard, die, sind wir mal ehrlich, keine überragende Schauspielerin ist - als Playboy-Playmate des Monats November 2010 bedarf es gewisser Hard Skills, ein Abschluss an der London Academy of Music and Dramatics gehört nicht dazu. Trotzdem ist sie die kleine, feine Goldader, die sich durch die sonst eher trist bebilderte Handlung zieht: Shera Bechard hat jenes fragile Charisma, das bereits Christina Lindberg in der skandinavischen Exploitation-Granate THRILLER: THEY CALL HER ONE-EYE auszeichnete. Und nicht nur äußerlich ähneln sie sich: beide verkörpern einen schweigsamen Charakter - bei Christina Lindberg traumatisch bedingt (als Kind wurde sie von einem Obdachlosen vergewaltigt), die titelgebende Karma ist von Geburt an stumm.

Seitdem ihre Schwester von einer undurchsichtigen Organisation mit der Aussicht auf schnelle, ertragreiche Arbeit in den Westen gelockt wurde, wartet Karma vergeblich auf ein Lebenszeichen. Nachforschungen bringen die hübsche Russin auf die Spur eines Mädchenhändler-Rings, der junge Frauen aus aller Welt an Nachtclubs und Bordelle in Kanada verschachert. Entschlossen, ihre Schwester aus den Klauen der Mafia zu befreien und nebenbei die Welt ein kleines bißchen sicherer zu machen, begibt sich Karma auf den Kriegspfad. Zum Glück sind alle Männer notgeile Schweine - mit etwas nackter Haut und Koks hat man sie schnell da, wo sie sich schnell und effizient entsorgen lassen. So dauert es nicht lange, bis der erste Ostblock-Pimp seine schmutzige Seele aus dem Arsch getreten bekommt. Von da an geht's aufwärts: das Koks wird weißer, die Geldbeträge größer, und die Gegner gefährlicher.

Wer auf meterdicken Sleaze hoffte, wird bei harschen, unangenehmen Einblicken in die Hinterzimmer der Sex-Industrie Erwartungen korrigieren müssen, für eine ernstzunehmende Abrechnung mit dem Thema Menschenhandel wickelt sich Shera Bechard allerdings ein bißchen zu lasziv um die Stripper Pole; gewalttätige Auseinandersetzungen tut weh, gehen aber meist recht trocken und schnell über die Bühne, hier wird so manch abgestumpfter Vigilante-Fan enttäuscht dreinblicken. Dennoch eine kluge Entscheidung: indem er Erwartungen gezielt unterwandert, bewahrt sich der preiswerte (dabei mitnichten dilettantische) Exploitation-Krimi Realitätsnähe und Glaubwürdigkeit, anstatt mittels grotesker Blut-Pointen seinen ohnehin wackeligen Boden noch rutschiger zu machen. Seine häßlichste Fratze zeigt das knappe Budget in spärlich beleuchteten Innenräumen und Nachtaufnahmen: gedreht wurde mit natürlichen Lichtquellen, da sorgt das suboptimale Equipment schonmal für schwammiges Rauschen. Sieht man einmal über technische Mängel hinweg, lässt Andrew Thomas Hunts Wunschprojekt aber durchaus Talent und Herzblut durchsickern: die Spannungskurve hält trotz generischer Formel ein paar Twists parat, kommt schnell zum Punkt, und wenn's hart auf hart kommt, liefern Kamera und Schnitt die richtigen Perspektiven um Druck und Dynamik zu erzeugen.

SWEET KARMA ist ein kleiner, sexy Reißer, der weiß woher er kommt und was er seinem Klientel schuldig ist. Seine besten Momenten erinnern ans schmuddelige Bahnhofskino-Flair, welches 1974 dem Schweden-Export THRILLER: THEY CALL HER ONE-EYE zu fragwürdigem Ruhm verholfen, und Menschen wie Christina Lindberg in glorreichen Verruf gebracht hat - in seinen schlechtesten liefert er immerhin noch das Mindestmaß an dubiosem Entertainment, welches sich alle übrigen tausend Filme seiner Gattung auf die Fahne geschrieben haben. Nicht mehr, aber auch nicht weniger. Ob das reicht? Einer kleinen Gruppe anspruchsloser, respektive bedingungsloser Filmliebhaber sicherlich. Für alle anderen hat in ein paar Jahren Luc Besson die schillernde PG-13-Version fertig - ohne Playmate, dafür mit doppelt hohem Bodycount und französischem Hip-Hop im Abspann. Regie-Legende Jean-Luc Godard soll einmal gesagt haben: "Alles, was man für einen Film braucht, ist ein Revolver und ein Mädchen" ...

Recht hat er.

DVD.
Dialoge liegen in Deutsch und Englisch vor, die Synchronisation ist für so einen Film sicherlich akzeptabel geraten, hat aber auch ihre hölzernen Momente und schert osteuropäische Akzente des Originals, welche einen Großteil der Atmosphäre ausmachen, über den gleichen, langweiligen hochdeutschen Kamm.

Im Bonus-Material findet sich neben ein paar Trailern noch ein Interview mit der der Hauptdarstellerin Shera Bechard, die mit unaffektiertem Girl Next Door-Charisma zwar formale Schwächen des Films nicht ungeschehen macht, aber dennoch ein paar Sympathiepunkte sammelt. Ein paar Untertitel zu implementieren wäre sicherlich kein großer Aufwand gewesen, wer des Englischen nicht mächtig ist, guckt hier leider in die Röhre.

Ansonsten ist das deutsche Release ordentlich, um nicht zu sagen: zweckmäßig, geraten ... aus einem Trabbi kann man eben nur soviel herausholen wie die Hardware hergibt, und das dem geringem Budget geschuldete Bildrauschen wird auch mit 1080p nicht schöner. Wer auf die Blu-Ray reingefallen ist, wird sich zu Recht zwar ärgern, den Film sollte man jedoch nach wie vor fair bewerten - eine Kunst, welche empörte Amazon-Kunden nicht beherrschen, und damit leider nicht alleine sind: auch namhafte Print-Medien sind bereits dazu übergegangen, für ihr Fazit einen Qualitäts-Mittelwert aus Film und technischer Präsentation zu errechnen. Willkommen in HD-Absurdistan!








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