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KAPITELWAHL

LIFE IN A DAY - EIN TAG AUF UNSERER ERDE (USA/Großbritannien 2011)

von Florian Lieb

Original Titel. LIFE IN A DAY
Laufzeit in Minuten. 95

Regie. KEVIN MACDONALD
Drehbuch. -
Musik. HARRY GREGSON-WILLIAMS . MATTHEW HERBERT
Kamera. SOMA HELMI
Schnitt. JOE WALKER
Darsteller. diverse

Review Datum. 2012-01-15
Erscheinungsdatum. 2011-10-10
Vertrieb. RAPID EYE MOVIES

Bildformat. 1.77:1 (anamorph)
Tonformat. ENGLISCH (DD 5.1)
Untertitel. DEUTSCH
Norm. PAL
Regional Code. 2

FILM.
In Zeiten von Web 2.0 und User Generated Content, von Facebook, Google und YouTube, war es wohl nur eine Frage der Zeit, ehe ein Film wie LIFE IN A DAY entstehen würde. Eine auf Crowdsourcing aufbauende Dokumentation, ein Film über Menschen, gedreht von ihnen selbst. "Ein Film von euch" lautet daher auch die treffende Tagline auf dem Kinoplakat. Ausgestattet mit ein paar simplen Fragen wie "Was hast du in deiner Tasche?", "Wovor fürchtest du dich?" oder "Was liebst du?" konnten Menschen weltweit am 24. Juli 2010 ihren Alltag festhalten. So kamen am Ende 4.500 Stunden - das sind über 187 Tage - Filmmaterial von 80.000 Clips aus 192 Ländern zusammen.

Regisseur Kevin Macdonald (EIN TAG IM SEPTEMBER) und Cutter Joe Walker oblag es nun, diese sechs Monate Filmmaterial auf einen 90-minütigen Film herunter zu kürzen. Während sie sich zu Beginn noch an gewöhnlichen Prozessen wie Aufstehen, Zähneputzen und Frühstücken orientieren, verläuft sich der Film anschließend gemeinsam mit seinen Protagonisten in unterschiedliche Richtungen. Wo also LIFE IN A DAY zu Beginn noch den Parallelverlauf von gewöhnlichen Handlungen im Montagestil kontrastiert - manche Menschen schlafen zum Beispiel im Bett, andere auf der Straße -, beginnt er nach einem Drittel seiner Laufzeit sich freier zu bewegen.

Die Protagonisten scheinen dabei willkürlich gewählt. Eine Frau mittleren Alters im türkisfarbenen Hemd mit kurzen, grauen Haare und Brille steht jede Nacht auf, weil "der Schleier zwischen dieser und der nächsten Welt am dünnsten" zwischen 3 und 4 Uhr Morgens sei. Ein anderer Clip findet nachts derweil einen Betrunkenen auf der Parkbank, der zufrieden Musik hört und den schönsten Tag seines Lebens verlebt. Macdonald beginnt den Film also schrill und schräg, mit skurrilen Figuren der Nacht, ehe der Morgen das Publikum in den tristen Alltag der Realität zurück katapultiert. Hier folgen Krebs- und Herzpatienten, Straßenkinder, Weltverbesserer, Witwer, Soldatenfrauen und Normalos.

Vorbehalte oder political correctness kennt LIFE IN A DAY dabei nicht. Wir sehen, wie Kühe und Ziegen getötet werden, ein Filipino genehmigt sich vor der Kamera Balut (ein angebrütetes Entenei) und ein junger Mann erklärt Homosexualität zur Krankheit. Der Film verschließt vor solchen eher unschönen Aufnahmen (zu denen gegen Ende auch ein Video von den tragischen Ereignissen der Duisburger Loveparade zählt) nicht die Augen, auch wenn sie die Seltenheit in einem ansonsten unwahrscheinlich hoffnungsvollen und lebensbejahenden Film sind. Dieser lebt natürlich weniger von seiner Handlung, wie von seinen handelnden Personen. Den Protagonisten des Films.

Besondere Aufmerksamkeit erfahren die wohl beiden interessantesten und durch den Film hindurch wiederkehrenden Figuren eines koreanischen Idealisten und peruanischen Schuhputzers. So reist der Koreaner ("ob Süd oder Nord spielt keine Rolle") Okhwan Yoon seit 9 Jahren und 36 Tagen per Fahrrad durch die Welt. 190 Länder hat er bereits besucht, wurde dabei sechs Mal angefahren und fünf Mal operiert. Seine Aktion soll zur Wiedervereinigung beitragen, erklärt Yoon. In Peru begegnen wir wiederum dem kleinen Abel, der mit 2,5 Sol in der Tasche Passanten die Schuhe reinigt und nichts mehr mag, als seinen Laptop. "Wikipedia ist voller Geschichten", berichtet er fasziniert von der einzigen Fluchtmöglichkeit aus seinem Leben, die ihm das Internet offenbart.

Yoon und Abel bleiben einem im Bewusstsein, aber auch zahlreiche faszinierende Landschaftsaufnahmen oder bewegende private Momente. Ein Heiratsantrag in Las Vegas, ein erneuertes Eheversprechen (mit Anklängen an GOOD WILL HUNTING) oder ein Vater, der die Geburt seines Kindes filmt und plötzlich ohnmächtig wird. Szenen wie aus Hollywood, die jedoch aus dem wahren Leben stammen, welches die Beteiligten mit der Welt teilen. Sicherlich ist das kein gewöhnlicher Tag, dafür ist er zu harmonisch, mit zu großem Fokus auf Geburt, denn Tod. Nichtsdestotrotz ist LIFE IN A DAY ein bemerkenswertes Projekt, das sicherlich nicht das Ende, sondern den Anfang eines neuen Subgenres darstellen kann. Die BBC hat jedenfalls schon ein eigenes Projekt in Auftrag gegeben: BRITAIN IN A DAY.

DVD.
Da auf externes Videomaterial zurückgegriffen wurde, variiert das Bild, ist in seiner Summe jedoch ebenso wie der Ton durchaus zufriedenstellend. Das Bonus-Material besteht aus einer halben Stunde nicht verwendeter Szenen, die teils neues, teils erweitertes Material beinhalten. Zusätzlich gibt es fast 20 Minuten an Interviews mit Kevin Macdonald und Joe Walker, in denen der Arbeitsprozess des Films beschrieben wird. Interessanter wäre aber ein Audiokommentar der Beiden gewesen, in welchem sie erklären, wieso gerade die ausgewählten Videos verwendet wurden.

Wem das Geld für die DVD oder Blu-Ray zu schade ist, kann sich den Film - es ist schließlich ein YouTube-Projekt - auch kostenlos und in HD auf YouTube anschauen.








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