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FILM.
Im Grunde geht doch jeder Thriller, ja jede filmische Technik der Spannungserzeugung auf Alfred Hitchcock zurück. Und doch gibt es immer wieder Filme, bei denen man den Wunsch, den Meister nachzuempfinden, besonders deutlich zu sehen bekommt. Das gilt für vereinzelte Krimis wie etwa Curtis Hansons THE BEDROOM WINDOW ebenso wie für Parodien im Geiste von Mel Brooks' schwergängigem HIGH ANXIETY, besonders aber selbstverständlich für die genüßlich versauten Filme Brian De Palmas. Wo De Palma aber Hitchcocks implizierte Sexualität und die Erotik des Wahnsinns konsequent - und manchmal über das Ziel hinaus - weiterdenkt, kapriziert sich Robert Benton in seinem Psychothriller STILL OF THE NIGHT auf subtilere Dauerbrennerthemen aus Hitchcocks Köchelverzeichnis. Ein Mann (Roy Scheider als Psychiater) gerät unschuldig in Gefahr. Einer seiner Patienten (Josef Sommer) wurde ermordet, der Schlüssel zu einem Geheimnis findet sich in seinen Träumen. Eine kühle undurchsichtige Blondine (Meryl Streep) wickelt den Psychiater um den Finger, könnte aber die psychopathische Killerin sein. Und dann hat der Psychiater auch noch eine so dominante wie gewitzte Mutter (Jessica Tandy, die als strenge Mama Rod Taylors in THE BIRDS dem Master of Suspense schon einmal untertan war).
Was ursprünglich als Krimikomödie mit dem Titel STAB mit Lily Tomlin gedacht war, gerät in den Händen Robert Bentons zu einer stilsicheren Hommage an Hitchcocks klassische Thriller. Benton und sein Ko-Autor David Newman gelingt dabei eine stattliche Zahl memorabler Momente: Wer den Film wie ich als Kind im Fernsehen sah, wird wohl auch so einige Szenen in sein Gedächtnis eingebrannt vorfinden. Der blutende Teddy aus Sommers Alptraum; Roy Scheider allein in der höllischen Kellerwaschküche; die nächtliche Verfolgung durch die unwirtlicheren Teile des Central Park, das sind Sequenzen, die Benton mit großer Finesse gebaut hat. Getragen wird das mysteriöse Geschehen - scheinbar mühelos - von einem sympathisch-kantigen Roy Scheider und einer selten so schönen Meryl Streep, der Benton am Ende sogar einen langen Close-Up-Monolog gönnt; da hat jemand großes und berechtigtes Vertrauen in seine Darsteller.
Was STILL OF THE NIGHT aber letztlich am Ziel vorbeischießen lässt, ist der Plot; der ist nämlich zu konturlos und dient allenfalls zweckmäßig als bloße Plattform für besagte memorable Szenen - und findet auch zu keiner wirklich zufriedenstellenden Auflösung. Dennoch ist Bentons Film ein sehenswerter, weil gekonnt und atmosphärisch inszenierter Kotau vor Hitchcock.
DVD.
Ein alter Film mit tollem Ton und tollem Bild, so hat man das gerne. Die deutsche Synchro ist, wie damals üblich, sehr sorgfältig und bietet einen sensiblen Charles Brauer als Roy Scheider. Warum hat es Scheider eigentlich nie zu einer Feststimme geschafft? Oben drauf gibt es den reißerischen Trailer.
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