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KAPITELWAHL

I AM LOVE (Italien 2009)

von Florian Lieb

Original Titel. I AM LOVE
Laufzeit in Minuten. 120

Regie. LUCA GUADAGNINO
Drehbuch. LUCA GUADAGNINO . BARBARA ALBERTI . IVAN CONTRONEO . WALTER FASANO
Musik. JOHN ADAMS
Kamera. YORIK LE SAUX
Schnitt. WALTER FASANO
Darsteller. TILDA SWINTON . FLAVIO PARENTI . EDOARDO GABBRIELLINI . ALBA ROHRWACHER u.a.

Review Datum. 2011-04-08
Erscheinungsdatum. 2011-02-25
Vertrieb. ASCOT ELITE

Bildformat. 1.85:1 (anamorph)
Tonformat. DEUTSCH (DD 5.1) . ITALIENISCH (DD 5.1)
Untertitel. DEUTSCH
Norm. PAL
Regional Code. 2

FILM.
Manchmal geht man in einen Film mit einer gewissen Vorbelastung. Zum Beispiel wenn man den Trailer gesehen hat, der den gesamten Film inklusive Ende spoilert, wie es inzwischen Mode geworden ist. Oder wenn man auf dem DVD-Cover ein Medienzitat liest wie im Falle von I AM LOVE. "Ein Meilenstein der Filmgeschichte" hängt Europas größte Filmzeitschrift, die Cinema, die Meßlatte sehr hoch. Gefüttert in ihrer eigenen Besprechung, die Luca Guadagninos Werk als Film bezeichnet, "wie es ihn (...) noch nie gegeben hat". Bevor man jetzt jedoch seine Kopien von CITIZEN KANE und Co. aus dem Fenster wirft, sei gesagt: I AM LOVE ist kein Meilenstein der Filmgeschichte und schon gar kein Film, wie es ihn noch nie gegeben hat. Das Gegenteil ist der Fall.

Die Handlung ist schnell zusammengefasst. In einer bourgeois-patriarchalischen Mailänder Textilfamilie bricht Emma Recchi (Tilda Swinton) aus ihrem sozialen Gefängnis aus, indem sie ihrer Lust freien Lauf lässt und den Freund ihres Sohnes und Koch der Familie vögelt. Natürlich ist da noch ein bisschen mehr, aber nicht essentiell viel. Eine Tochter, die sich als homosexuell outet. Ein Sohn, der sich für die Erhaltung der Firma einsetzt, die ihm gemeinsam mit seinem Vater von seinem Großvater aufgetragen wurde, aber eigentlich lieber ein Sterne-Restaurant in den Bergen eröffnen möchte. In seiner Summe also lauter Familienmitglieder, die ihre eigenen Wünsche der Erwartungshaltung der Familie unterordnen, aber dann doch aus dem System ausbrechen.

"Es geht nicht um ein reales soziales Milieu, sondern um die Idee eines Milieus, das eine Überzeugung von sich selbst hatte", fasst es Hauptdarstellerin und Produzentin Tilda Swinton im Interview zusammen. Das ist nun nicht gerade etwas, dass das Kino so oder zumindest in ähnlicher Form nicht schon erschaffen hat. Zwar sind die Recchis keine Mafiafamilie, verhalten sich einer solchen jedoch nicht unähnlich. Prunkstück Edoardo (Flavio Parenti) verliert ein Pferderennen gegen Antonio (Edoardo Gabbriellini), den Koch, mit dem er ein Restaurant und seine Mutter eine Affäre plant. Für das verlorene Rennen wird er vom Großvater nur schwach gerüffelt, seine Schwester Elisabetta (Alba Rohrwacher) für ihren Wandel von der Malerei zur Photographie dagegen schon stärker.

Obwohl Emma als Mutter der Leim ist, der die Familie zusammenhält, bleibt sie als russische Immigrantin eine Außenseiterin. Ihr Name ist nicht einmal "Emma", hat sie diesen doch ihrem Mann zu verdanken. Der reiste einst nach Russland, um Kunstwerke zu erstehen und verbrachte einen Tag mit Emma im Taxi und an dessen Ende kehrte sie ihrem Heimatland den Rücken und besuchte es nie wieder. Wieso sich diese beiden Menschen, die sich nicht verständigen konnten, ineinander verliebt haben sollten, warum Emma nie wieder nach Hause flog, um ihren Vater zu besuchen und ob sie Tancredi eventuell nur heiratete, um raus zu kommen aus Russland - Fragen, um die sich I AM LOVE einen Dreck schert, die er jedoch zugleich in den Raum wirft.

Infolgedessen bleiben die Figuren unnahbar und damit Karikaturen. Emmas und Antonios Affäre ist so beliebig und unerklärlich, dass sich der Gärtner in den Arsch beißen sollte, nicht ebenfalls seine Chefin angebaggert zu haben. Dass die Affäre über kurz oder lang nicht an allen Familienmitgliedern einer derart patriarchalisch organisierten Familie vorbei gehen kann, liegt in der Natur der Sache. Die Auflösung des Filmes ist dabei in gewisser Weise genretechnisch konsequent, in ihrer Umsetzung jedoch an Lächerlichkeit kaum zu überbieten. Das tragische Element der Geschichte soll etwas Schicksalhaftes mit sich bringen, was jedoch nur funktioniert, wenn man mit der Hauptfigur der Tragödie mitfühlen kann. Ist sie einem scheißegal, ist es einem folglich auch ihr Schicksal.

Filme wie I AM LOVE hat man schon dutzendfach gesehen und was entscheidender ist: besser. Die Handlung bewegt sich zu prosaisch an altbekannten Ufern, die Charaktere, die dieses Ufer entlang schreiten, bieten dem Zuschauer keinen Zugang zu sich. Wenn die Flut einsetzt und sie hinweg schwemmt, hat man sich desinteressiert abgewendet, während die vorhergehende Aufmerksamkeit den exzellent photographierten Bildern von Yorik Le Saux, sowie auch Ausstatterin Monica Sironi und Kostümbildnerin Antonella Cannarozzi geschuldet war. Vielleicht wäre man mit dem Film auch gnädiger verfahren, hätte man sich nicht durch das DVD-Cover auf einen "Meilenstein der Filmgeschichte" eingestellt. Dann doch lieber CITIZEN KANE.

DVD.
Bild und Ton der DVD sind zufriedenstellend, ohne einen zwingend in Verzückung geraten zu lassen. Den exzellent ausgeleuchteten Bildern von Le Saux wird die DVD jedoch gerecht. Das Bonusmaterial wartet mit einem Blick hinter die Kulissen auf, der allerdings weitestgehend auf Italienisch ist und keine Untertitel anbietet. Zusätzlich gibt es zwei Interviews von Guadagnino und Swinton, die nicht sonderlich informativ sind. Ein Audiokommentar mit beiden wäre wünschenswert gewesen, doch den kriegen nur die Amerikaner und Briten, Ascot hat ihn sich für die deutsche DVD gespart.








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