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KAPITELWAHL

MIT SCHIRM, CHARME UND MELONE - GESAMTEDITION (Großbritannien 1966-1977)

von Martin Eberle

Original Titel. THE AVENGERS
Laufzeit in Minuten. 5440

Regie. DON LEAVER . PETER HAMMOND u.a.
Drehbuch. BRIAN CLEMENS . PHILIP LEVENE u.a.
Musik. LAURIE JOHNSON
Kamera. ALAN HUME . ERNEST STEWARD u.a.
Schnitt. LIONEL SELWYN . RICHARD BEST u.a.
Darsteller. PATRICK MACNEE . DIANA RIGG . LINDA THORSON . TARA KING u.a.

Review Datum. 2011-03-30
Erscheinungsdatum. 2010-11-18
Vertrieb. KINOWELT HOME ENTERTAINMENT

Bildformat. 1.33:1
Tonformat. DEUTSCH (DD 1.0) . ENGLISCH (DD 1.0)
Untertitel. DEUTSCH . ENGLISCH
Norm. PAL
Regional Code. 2

FILM.
Meine allererste bewusste Kindheitserfahrung ist von 1973, das Bild von Emma Peel, die klug, stark und schön reihenweise die Bösewichter im TV vertrimmt, abends, gefühlt spät nachts, wenn ich eigentlich schon schlafen sollte. Die Eltern haben kaum eine Folge dieser sehr britischen Serie verpasst, und ich dachte, unbemerkt mitgucken zu können. Die weiße Altbau-Schiebetür zur Seite geschoben, zusammen mit meinem kleinen Bruder, er konnte noch nicht ganz gehen, vorsichtig, millimeterweise. Es musste sein, jedes Mal wieder, die Faszination für diese skurrile, abgedrehte und doch so entspannte, ja, was eigentlich, Krimi-Serie? Agenten-Parodie? Doch eher Science-Fiction? Eine Melange aus allem. Und spannend! Wenn es zu spannend wurde, holten uns die Eltern gnädig zu sich.

Emma Peel ist allerdings noch Zukunftsmusik, als die BBC mit der ersten Staffel ihrer Agenten-Serie 1961 auf Sendung ging. Top-Agent John Steed (Patrick MacNee) kämpft mit wechselnden Partnern gegen böse masterminds, die die Welt zu unterjochen planen.
Ernsthafter und dröger im Ansatz und technisch nicht auf der Höhe, es wird aus Kostengründen auf Video aufgezeichnet, kommen die AVENGERS erst ab Staffel vier so richtig in Fahrt.

Patrick MacNee bleibt, er ist ja auch die perfekte Besetzung für den gelassenen Geheimagenten und perfekten britischen Gentleman John Steed.
Der Clou ist allerdings seine neue Partnerin: Emma Peel (Diana Rigg), schlagkräftig, charmant, eloquent, klug und unendlich sexy lebt sie wie selbstverständlich ein absolut gleichberechtigtes Leben neben ihrem Kampfgenossen, der ihr als Gentleman auch bei wüsten Kloppereien gerne mal höflich den Vortritt lässt.
Interessant ist, dass Emanzipation nicht mal thematisiert wird, sondern ganz einfach wie selbstverständlich existiert: Emma Peel hat einen eigenen Wagen, den sie sogar ausgezeichnet fahren kann, inklusive ein- und ausparken; sie ist vollwertige Gesprächspartnerin und sie muss nicht alle Nase lang vom aktiveren Männchen gerettet werden. Das macht sie gerne einfach mal selbst.
Ein Frauenbild, das selbst über 40 Jahre nach der Produktion noch erstaunlich modern wirkt, ach was, heute immer noch Utopie ist.

Den Charme der Serie macht vor allem aber auch diese Melange aus kessen, intelligenten Dialogen aus, vor allem zwischen Peel und Steed, ein Traumpaar, das sich kongenial gegenseitig befeuert.
Dieses ständige Pingpong von Gewitztheiten in Verbindung mit mal mehr, mal weniger abgedrehten Plots, die sich den Teufel um Naturgesetze oder Logik scheren, und einer Detailfreude in der Inszenierung, die eben jene Unstimmigkeiten in der Geschichte völlig egal sein lassen, hinterlässt oft genug ein traumhaftes Staunen. Traumsequenzen, Sci-Fi Elemente, alles mit begrenzten Mitteln komplett analog umgesetzt, handgemacht mit Optiken, Filtern, einfach auch mal nur Tücher, originell eingesetzt, wirken immer noch stärker, eindringlicher, umwerfender als so manches moderne Digitalgewitter.
Und auch beim sublimen Witz diese Liebe zum Detail! Wo sonst kann man einen rauen thug, der das Agentenpaarbewacht, beim Schmökern einer Jane Austen-Anthologie sehen! Glorreich.

Emma Peel bleibt, je nach Lesart, bis zur 7. Staffel. Mit den AVENGERS geht es noch eine Staffel weiter (später folgt noch ein Nachklapp in den 70ern mit den NEW AVENGERS), allerdings nicht mehr ganz so glorreich, zumindest was das Frauenbild angeht. Steeds neue Partnerin ist dann doch eher putzig, eine Agentin in Ausbildung, die auch den männlichen Schützerinstinkt anspricht. Trotzdem sind die Folgen nicht uninteressant. Sie werden immer abgedrehter, absurder und auch actionreicher. Sehenswert zwar, immer noch detailversessen, aber die Lücke, die Diana Riggs Emma Peel hinterlässt, ist dann doch sehr groß.

Spaß macht es aber doch, in die Folgen einzutauchen, und in den vielen Verrücktheiten die Parallelen zum James Bond-Universum auszumachen. Stellt sich die Frage, wer von wem inspiriert wurde. Ich habe da so meine Theorie...

DVD.
Diese DVD-Box (Box! Ein Euphemismus bei 37 DVDs!) ist keine Gesamtedition! Sie beginnt erst mit der vierten Staffel. Das ist auch ganz gut so, die olle Qualität der Videoaufzeichnungen und die nicht gerade sehr originellen Geschichten der früheren Staffeln sind nur was für ganz hartgesottene Fans, die sich auch über ihre kleinen Gähner freuen können.
Die frühen Emma Peel-Folgen, in schwarz/weiss, sind neu abgetastet und sehen toll aus. Manchmal sind in einigen Einstellungen die Kontraste etwas niedrig, auch bei den Farb-Folgen, aber der Gesamteindruck bleibt toll.
Für mich besonders schön, endlich die Originalstimmen zu hören. Die Synchronisation ist ausgezeichnet, manchmal sind die Übersetzungen sogar noch eine Spur lässiger und verspielter, trotzdem, die Originalstimmen sind viel reizvoller.

Die Extras sind auch eindrucksvoll, sowohl auf den regulären DVDs wie auch bei der beigelegten Bonus-DVD: ein seltener Kurzfilm mit Diana Rigg, diverse Vorspannvarianten, Trailer, Interviews (Joachim Fuchsberger mit Diana Rigg und Patrick Macnee!), Oliver Kalkofes persönliche Erinnerungen... ein Fest der Sinne.

Und ja, auch Kalkofe ist ein absoluter Höhepunkt. Zusammen mit einem Kollegen Wolfgang Bahro (der Bösewicht aus GZSZ) gibt er Einführungen und Erläuterungen zu den einzelnen Emma Peel-Folgen. Manchmal an der Grenze zum Nerdtum, meistens aber interessant und aufschlussreich. Es ist halt auch einfach schön, jemanden im Wohnzimmer zu haben, der die Leidenschaft für diese Ausnahmeserie teilt und kenntnisreich unterfüttert.

Schön auch, beim Sichten zu sehen, dass MIT SCHIRM, CHARME UND MELONE keine reine Nostalgieveranstaltung ist, dass viele Folgen in ihrer handgemachten Art immer noch wirken und faszinieren. Vor allem auch, dass Feminismus im TV mal ganz kurz Ehrensache war, dass das gut und richtig war und so langsam mal wieder so sein sollte.

Und noch etwas bleibt zurück: die Erkenntnis, dass der beste Bond von allen doch John Steed ist. Und Emma Peel sowieso.








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