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KAPITELWAHL

VOYAGE OF THE ROCK ALIENS (USA 1984)

von Andreas Neuenkirchen

Original Titel. VOYAGE OF THE ROCK ALIENS
Laufzeit in Minuten. 92

Regie. JAMES FARGO
Drehbuch. EDWARD GOLD . JAMES GUIDOTTI
Musik. JACK WHITE
Kamera. GILBERT TAYLOR
Schnitt. MALCOLM CAMPBELL
Darsteller. PIA ZADORA . CRAIG SHEFFER . TOM NOLAN . RUTH GORDON u.a.

Review Datum. 2011-03-19
Erscheinungsdatum. 2010-12-10
Vertrieb. CMV LASERVISION

Bildformat. 1.33:1
Tonformat. DEUTSCH (DD 2.0) . ENGLISCH (DD 2.0)
Untertitel. keine
Norm. PAL
Regional Code. 2

FILM.
"Sie ist kleiner als Elizabeth Taylor, putziger als Alvin das Streifenhörnchen, reicher als Cher, hat mehr Publicity als Zsa Zsa und eine bessere Frisur als Farrah. Für einige Menschen mag sie der Witz der Nation sein, aber ich glaube, daß Pia Zadora zuletzt lachen wird. Ich sage voraus, dass sie der Star der achtziger Jahre wird."
Ganz hat sich nicht bewahrheitet, was John Waters 1985 in seinem Aufsatz Die Pia Zadora-Story voraussagte. Nicht nur Madonna müsste Einspruch erheben. Aber es gab in den Achtzigern tatsächlich ein Zeitfenster, in dem die Zadora ganz oben mitspielte, wenngleich es nicht lange geöffnet war (in den USA etwas länger und weiter als in der Alten Welt). Den Reiz dieses quirligen Persönchens immerhin hat Waters trefflich umrissen. Obwohl Pia Zadora unbestreitbare Entertainer-Qualitäten hatte, war sie in erster Linie berühmt fürs Berühmtsein, was ihr nach jahrhundertealter Tradition viel Missgunst einbrachte von denen, bei denen und durch die sie berühmt war. Denn sie hatte außerhalb ihrer Gehalts- und Altersgruppe geheiratet, worauf der Pöbel nie gut zu sprechen ist, besteht doch der Verdacht, dass bei der Eheschließung mehr Komponenten als bloß Liebe eine Rolle spielten. Bekanntlich darf man aber allein aus Liebe heiraten, weil jeder weiß, dass Liebe immer und ewiglich währt.
Künstlerisch war Pia Zadora vor allem als Sängerin bekannt (zunächst Pop, dann Evergreens). Diesen Weg schlug sie allerdings erst ein, als es mit der Schauspielkarriere trotz Golden Globe nicht recht klappen wollte. Da sah man 1984 große Synergie-Potentiale: Wie wäre es mit einem Film, in dem sie singt und spielt? Wie das wäre, sieht man in VOYAGE OF THE ROCK ALIENS, der in den USA nie in die Kinos kam. Das ist kein Wunder, wenn man noch einmal bei John Waters nachschlägt. Laut dem anerkannten Kunstexperten und unfehlbaren Geschmackspapst muss man einen sehr guten Geschmack haben, um schlechten Geschmack zu verstehen. VOYAGE OF THE ROCK ALIENS ist somit ein Film, der bei vielen Menschen Verständnisfragen aufwerfen wird.

Die Geschichte basiert nicht auf wahren Begebenheiten. Außerirdische in einem gitarrenförmigen Raumschiff landen auf der Erde und mischen sich unter die Bevölkerung des kleinen Ortes Speelburgh, der nah an einem radioaktiv verseuchten See inklusive Monster liegt, wo die Kids der Heidi High ausgelassene Beat-Partys feiern. Der oberste Außerirdische (Tom Nolan) verliebt sich in die dreißigjährige Teenagerin Dee Dee (Zadora), was auf Gegenseitigkeit beruht, aber ihrem bisherigen Boyfriend, den halbstarken Frankie (Craig Sheffer), nicht gefällt. Mit wem wird sie beim Schulfestival singen? Mit der außerirdischen Disco-Band, oder mit Frankies Rockabilly-Bande? Oder werden die beiden gerade aus der Irrenanstalt entlaufenen Serienkiller alle killen?

Keine Sorge, dafür sind sie viel zu schusselig. Die 6-Jahre-Freigabe ist zu keiner Zeit gefährdet. Aber die Frage muss gestattet sein: Ab oder bis 6 Jahre? Zur Verteidigung von VOYAGE OF THE ROCK ALIENS kann man vorbringen, dass der Film von vornherein als Parodie auf Trash-Filme des Goldenen B-Movie-Zeitalters gedacht war. So handelt es sich durchaus um gewollte und nicht etwa unfreiwillige Komik, wenn von Rock'n'Roll Beach Party mit verstrahltem Atom-Ungeheuer über irre Kettensägen-Killer bis zu UFOs und Außerirdischen alles zusammengebracht wird, was nicht zusammengehört. Aber Humor wird ja durch Absicht nicht automatisch lustig. Jede gelungene Pointe (solche kommen vor) steht einer Übermacht an Ideen gegenüber, die niemals das Unterbewusstsein der Autoren hätten verlassen dürfen. Jedem Aspekt der Produktion ist anzumerken, dass es sich hier um einen filmischen Schnellschuss handelt. Schnell geschrieben, schnell besetzt und schnell gedreht, so lange die Hauptdarstellerin noch einigermaßen heiß gehandelt wird. An ihr und dem Rest des Ensembles liegt es nicht, dass VOYAGE OF THE ROCK ALIENS ein so zweifel- oder zumindest wechselhaftes Vergnügen ist. Sieht man über alle Schweinepresse-geformten Vorurteile hinweg, ist Pia Zadora eine ansehnliche Rampensau. Der Rest der Besetzung besteht aus soliden TV-Talenten und vereinzelten Nischenstars wie Michael Berryman, der hier wie in tausend anderen Filmen (u. a. HÜGEL DER BLUTIGEN AUGEN) den triefäugigen, glatzköpfigen Psycho gibt, oder Ruth Gordon (HAROLD AND MAUDE), die sich im Winter ihrer Karriere gern als schrullige Alte vom Dienst vorführen ließ. Offenbar kann keiner von ihnen viel mit diesem Stoff anfangen, aber jeder macht beherzt sein Ding. Regisseur James Fargo (DIRTY HARRY 3 - DER UNERBITTLICHE) reiht sich da munter ein. Er macht nicht viel verkehrt, aber gar nichts richtig. In seinen besten Momenten wirkt VOYAGE OF THE ROCK ALIENS wie die Troma-Version von GREASE. In seinen schlechtesten leider erst recht. Die Inszenierung der Musical-Nummern ist dabei sehr zeittypisch. Soll heißen, ein leidenschaftlich spielender Saxofonist muss auch dann im Bild sein, wenn gar kein Saxofon zu hören ist.

Die Musik ist stilistisch und qualitativ so abwechslungsreich, wie es die Unterhaltungsmusik jener Epoche war. Heutige Geschichtsfälscher wollen einem weismachen, es hätte damals nur traurige Synthie-Pop-Schnösel mit Scheitel und Lederkrawatte gegeben. Die gab es zwar, und sie kommen auf dem Soundtrack von VOYAGE OF THE ROCK ALIENS auch vor, aber daneben gedeihen hier allerlei andere Arten von Musik und Musikern. Ärgerlicher Quatsch wie die Vokuhila-Rock-Macho-Nummer "She Don't Mean A Thing To Me" ist leider in der Überzahl, aber "Justine" ist einer von einigen täuschend echten Rockabilly-Heulern (obwohl nicht viel Kreativität dazu gehört, "Justine!" statt "Lucille!" zu heulen), und "Let's Dance Tonight" ist ein grundehrlicher Disco-Stampfer, den man als Zeitzeuge vielleicht zunächst nicht zu schätzen wusste, aber der nach Ablegen des stalinistischen Musikgeschmackreinheitsgebots der Jugend doch den alten Popo wackeln macht.
Wer alt genug ist oder sich für Geschichte interessiert, kennt bestimmt den Videoclip zu "When The Rain Begins To Fall", Pia Zadoras Duett mit Jermaine Jackson, einem Michael-Bruder und Jackson-5-Veteranen, dem jener Zeit eine kurze Solokarriere vergönnt war. Song und Clip waren so beliebt, dass sie kurzerhand in VOYAGE OF THE ROCK ALIENS integriert wurden, und zwar als Gesamtpaket am Anfang des Films. Ohne Rücksicht darauf, dass Handlung, Figuren, Ambiente und Ästhetik des Videos, das mit einer verpoppten Mad-Max-Endzeit-Atmosphäre spielt, keinerlei Bezug zum Film haben. So kommt es immerhin zum (seinerzeit) werbewirksamen Gastauftritt Jermaine Jacksons. Man muss sich nicht wundern, wenn er danach nie wieder vorkommt oder auch nur erwähnt wird, obwohl Pia Zadora sich doch minutenlang so nach ihm verzehrt hat. Der Song selbst kommt zum Schluss durchaus noch einmal vor, wird dann vorgeblich auch von den Filmfiguren gesungen, hat als krause Choreografie vor einer Bluescreen mit Naturaufnahmen aber nach wie vor nichts mit dem, was bisher geschah, zu tun. Künstlerisch ist das alles nah an Burroughs Cut-up-Technik, oder, wenn man ganz hoch greifen möchte, an der Montageästhetik bei Edward D. Wood jr. oder Godfrey Ho.
Produziert hat die Musik übrigens größtenteils Jack White. Ehe Spätgeborene verzückt kreischen: Das ist nicht der Rockmusiker aus Detroit, gebürtig John Gillis, sondern der Schlagerproduzent aus Köln, gebürtig Horst Nußbaum.

Niemandem wäre gedient, würde man VOYAGE OF THE ROCK ALIENS als Film allein bewerten. Dagegen ist er nicht gewappnet. VOYAGE OF THE ROCK ALIENS ist eher ein Zeitdokument. Sich ohne medizinische Hilfe an einem Stück durchzuarbeiten, kann mühsam sein. In einem Moment schämt man sich, vom selben Planeten wie die Filmemacher zu kommen, in einem anderen denkt man ehrfürchtig: Das einzige, was diesen Film noch cooler machen könnte, wäre, wenn die Außerirdischen von Devo gespielt würden.
Die Assoziation kommt nicht von ungefähr, denn bei der Besatzung des Raumschiffes handelt es sich tatsächlich um eine komisch uniformierte Elektro-Pop-Band, die vorübergehend real existiert hatte: Rhema (nur der Bassist durfte nicht mitspielen, er hatte das Vorsprechen nicht bestanden). Eine Band ohne Wikipedia-Seite - es ist, als hätte es sie nie gegeben. Unheimlich. Wer tiefer gräbt, findet allerdings einen Myspace-Nachruf, in dem es heißt: "Rhema has long since disbanded but fans of obscure and terrible movies still seek them out."
Erwischt. Und mehr ist dem auch nicht hinzuzufügen.

DVD.
Dass der Film über 25 Jahre alt ist, führt einem nicht nur die eigene Sterblichkeit vor Augen, sondern lässt auch das 4:3-Bildformat verzeihen. Eingedenk der Tatsache, dass wir es nicht mit Criterion-Material zu tun haben, ist die technische Qualität der DVD mehr als akzeptabel. Die Extras auf der Haupt-Disc sind derweil ein besserer Witz als die meisten Witze im Film: Das britische Ende unterscheidet sich vom deutschen lediglich durch ein paar gnädige Kürzungen, und - besser noch - der "alte deutsche Vorspann" unterscheidet sich vom eigentlichen Vorspann nur dadurch, dass zusätzlich zum Titel noch der frühere Untertitel "Let's Dance Tonight!" eingeblendet wird.
Die Bonus-Disc der Special Edition hingegen ist eine Schatzgrube für Hartgesottene. Hier gibt es das 45-minütige Videoalbum mit Clips zu den meisten Songs des Films. Manche bestehen, wie bei Pop-Soundtracks üblich, lediglich aus Ausschnitten des Films, aber andere entführen in eine Zeit, in der man elektrische Schlagzeuge für eine gute Idee und Türen in der Wüste sowie brennende Plastikpuppen für total tiefe Symbolik hielt. Es war nicht alles gut, damals, aber einiges ist heute durchaus amüsant.








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