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KAPITELWAHL

NATALIE - ENDSTATION BABYSTRICH - KOMPLETTBOX (Deutschland 1994-2003)

von Hasko Baumann

Original Titel. NATALIE - ENDSTATION BABYSTRICH
Laufzeit in Minuten. 450

Regie. diverse
Drehbuch. diverse
Musik. TAMAS KAHANE . ANDREAS BICK
Kamera. diverse
Schnitt. diverse
Darsteller. ANNE SOPHIE BRIEST . UDO SCHENK . NINA HOGER . LISA KREUZER u.a.

Review Datum. 2011-03-02
Erscheinungsdatum. 2010-06-11
Vertrieb. ALIVE

Bildformat. 1.33:1
Tonformat. DEUTSCH (DD 2.0)
Untertitel. keine
Norm. PAL
Regional Code. 2

FILM.
Ach ja. Sat.1. Du Kuschelsender. Du Wohlfühlsender. Du zeigst es allen. Du bist powered by emotions. Und in den Neunzigern hast Du Dir mit superbilligen Arztserien und den reißerischen Titeln Deiner Fernsehfilme (ja, mit den Titeln, nicht den Filmen) die Zuneigung eines nicht allzu anspruchsvollen Publikums erschlichen. Nachdem im neuen Jahrtausend der arme Roger Schawinski mit seinem Ringen um Anspruch (BIS IN DIE SPITZEN, BLACKOUT) baden ging und eine gewisse Orientierungslosigkeit abseits der superbilligen Polizeiserien um sich griff, hast Du Dich mit teuren Fehlkäufen (Kerner, Pocher) und megaerfolgreichen Eigenproduktionen (DIE WANDERHURE) letztlich als Eventsender wieder ins Spiel gebracht. Es sei Dir gegönnt. Doch sleazy wirst Du irgendwie immer bleiben. Der Grundstein dafür wurde, wie eingangs erwähnt, in den güldenen 90ern gelegt, als Du Deine Bigotterie mit der Ausbeutung von Themen wie sexuellem Mißbrauch und Prostituition zur Reife brachtest. Aus dieser Zeit stammt auch NATALIE - ENDSTATION BABYSTRICH, dessen Titel ähnlich wie die RTL-Klamotte SCHLAG WEITER, KLEINES KINDERHERZ in unser aller Wortschatz überging. NATALIE, der unter dem denkbar verlogenen Deckmäntelchen der Aufklärung und mit dem Verweis auf die zugrunde liegende "wahre Geschichte" einen späten Nachfahren der REPORT-Filme darstellt, zog Trenchcoat-Voyeure wie Trashfans vor die Glotze, und zwar in derart großer Zahl, daß sage und schreibe vier Fortsetzungen folgten. Und dank der Firma AL!VE kann man sich diese "Fernsehjuwelen" (hust!) wieder zu Gemüte führen.

NATALIE - ENDSTATION BABYSTRICH, der Urknall der pseudopädagogischen Schmierlappenserie, erfuhr seine Erstausstrahlung im Jahre 1994. Regisseur Hermann Zschoche und seine Drehbuchautoren klimpern dabei die Klaviatur biederster Klischees so beherzt wie unbeholfen rauf und runter. Natalie (Anne-Sophie Briest) ist eine Schülerin aus gutem Hause, fühlt sich aber von ihren Eltern (Nina Hoger und Udo Schenk) vernachlässigt und gerät über eine Mitschülerin erst an einen schmierigen Fotografen (Oliver Korittke) und dann einen öligen Zuhälter (Falk Willy Wild, ernsthaft!). Alle Protagonisten sehen so aus, wie sich Klein-Fritzchen das vorstellt; die Freier sind Widerlinge, der Zuhälter hat Gel im Haar und einen Sportwagen unterm Arsch, und der Kaufhausdetektiv (Volkert Kraeft) ist ein fast schon clownesk kostümierter, verhalten notgeiler Lutscher. Anne-Sophie Briest, vermutlich ihres Kindchenschemata bedienenden Äußeren wegen gecastet, kann einem fast schon leid tun, so reduziert sind ihre schauspielerischen Möglichkeiten, doch auch altgediente Profis wie Hoger und Schenk werden zu bedeutungsschwanger glotzenden Knallchargen reduziert. Als Aufklärungsfilm ist dieses Bauerntheater in keiner Sekunde ernst zu nehmen, nur gucken auch Sleazefans weitestgehend in die Röhre: Die Einblicke ins Rotlichtmilieu und die erzwungene Wandlung Natalies zur Möchtegern-Verführerin sind in etwa so versaut wie DIE WICHTERS VON NEBENAN.

NATALIE 2 - DIE HÖLLE NACH DEM BABYSTRICH erfüllt die Sehnsüchte von Spannern noch weniger als der Vorgänger, einzig und allein eine Szene, in der ein fieser Mitschüler der armen Natalie in die Unterhose greift, entspricht den Erwartungen und wurde 1997 dementsprechend auch in sämtlichen Trailern eingesetzt. Anne-Sophie Briest hat leider nichts dazu gelernt und rumpelt sich recht proper durch ihre Rolle, für die sie auch schon längst zu alt ist. Natalies Versuche, wieder im Leben Fuß zu fassen, gestalten sich erwartungsgemäß schwierig; die Regie einer gewissen Heidi Kranz wirft sich dabei sogar noch beherzter in Biedermannklischees als die ihres Vorgängers. Ihre prolligen Mitschüler - Weste und Lederkäppi - sehen aus wie Überreste aus "Manni, der Libero" und ihre gefährlichen Kellerclubs wie das Tanzlokal eines christlichen Jugendvereins. Bemerkenswerter Tiefpunkt ist die Szene, in der Natalies Vater besoffen in einen Puff gerät (sieht in etwa so verdorben aus wie ein Spielcasino in Castrop-Rauxel) und in der offensiven Nutte seine Tochter zu erkennen glaubt. Das muß man gesehen haben: Hier wird stocksteif von einem starren Gesicht auf das andere durchgeblendet, als wäre es Teil eines Videokurses aus den frühen 80ern. Ansonsten nichts mit Strich; ein Familiendrama ist das, angereichert mit einer Nacktszene, in der auch ein Lümmmel ins Bild hängt.

Um so überraschender dann Teil 3, NATALIE 3 - BABYSTRICH ONLINE, der schon 1998 folgte: Natalie ist mittlerweile 18, arbeitet in einer Anwaltskanzlei und hat einen schicken Nachbarn namens Sven. Ihre sensiblen Alarmglocken läuten Sturm, als sie der 14jährigen Miriam begegnet, die offenbar in die Fänge von fiesen Kinderpornoproduzenten geraten ist. Auch ihr eigener alter Zuhälter taucht wieder auf. BABYSTRICH ONLINE (Regie: Dagmar Damek) ist ein mit dem ganz dicken Pinsel gemalter Schmierkrimi, in dem ein Böswatz noch schallend in die Kamera lacht, wenn er was Böswatziges gesagt hat, und ein pädophiler "Doktor" mit Kittel und Fliege in einem "Klassenzimmer" im Fabrikkeller steht (Hans-Peter Hallwachs spult seine immer gleiche, total monotone Böswatznummer ab). Die Klischees entstammen dieses Mal eher der Gehaltsklasse Genre-Trash als der ZDF-Vorabendserie, die Fieslinge sind gnadenlose Schweine, die Mädchen schick, die Szenenaufbauten schön schraubig und die allgemeine Stimmung schön grell. Die schwachen Schauspielleistungen (leider wirkt Briest weiterhin wie eine Amateurin) tragen zum, äh, guten Gesamteindruck bei. Wenn schon Exploitation, dann so.

NATALIE 4 - DAS LEBEN NACH DEM BABYSTRICH (2001) hat, so gern Sat.1 auch das Wort "Babystrich" aussprach, nun wirklich gar nichts mehr mit einem Baby- oder sonstigen Strich zu tun. Regisseurin Dagmar Damek, die nach dem galligen Teil 3 wieder auf dem Regiestuhl Platz nimmt, kapituliert vor diesem schläfrigen Beziehungs- und Familiendrama und sorgt für jede Menge Fremdschäm-Momente; insbesondere die Selbstgespräche Natalies und ihre Tagebucheinträge aus dem Off ziehen einem alles auf links. Diese ist mittlerweile Streetworkerin und nebenbei Cheerleaderin für ihren Freund, dessen sagenhafte Luschigkeit ihr offenbar ebenso verborgen bleibt wie sein dauerhaft dümmlicher Gesichtsausdruck. Überhaupt sind alle Männer in diesem Teil absolute Pfeifen, Chauvinisten und ignorante Arschlöcher, während sich Frauen auf Opferrollen beschränken müssen; Natalie läßt sich dabei von einer anderen Frau (natürlich 100% gegen Natalies Typ besetzt, also dunkelhaarig und "rassig"; ihr Ausdruckstanz in einer "Berliner" "Hotelbar" ersetzt den Finger im Hals) den Typ wegflirten und von ihrem Vater (Udo Schenk auf Autopilot) die Schwangerschaft madig machen. Irgendwie wird in dieses drömmelige Melodram auch noch das Thema AIDS reingeschmuggelt, außerdem eine kleine Varieténummer und ein Sozialarbeiter, der "Freedom's just another word for nothing left to lose" singt und eine Kellnerin, die "It's raining men" singt und eine Natalie, die sagt "Angst essen Seele auf. Ist nicht von mir, ist ein Zitat aus 'nem Film". Am Schluß wandelt sich jeder Saulus zum Paulus, und die Versöhnung erfolgt über den Dächern der Stadt. Briest ist in etwas besserer Form als zuvor, so daß man mit ihr nicht mehr nur mitleiden muß, weil sie nicht spielen kann.

NATALIE - BABYSTRICH OSTBLOCK (2003) verabschiedet sich verständlicherweise weitestgehend vom verschlafenen Beziehungsschmonz - dafür muß doch Sat.1 nicht seine Spanner-Else verheizen - und wirft sich beherzt der Exploitation an den Hals. Wer den Kinderpornoring aus Teil 3 für überspannt hielt, muß umdenken: Hier werden zum Mißbrauch freigegebene Kleinkinder von strengen Dominas im Internat festgehalten und den solventen Frankfurter Freiern höchtspersönlich zur Wohnungstür geliefert. Das ultimativ Böse arbeitet von Prag aus, wo Natalies Sven rein zufällig in eine Schlägerei gerät, ins Koma fällt und absurderweise in den Verdacht des Kinderhandels gerät (nein, ein Werbespot für die Prager Polizei ist das nicht gerade). Natalie macht sich selbst auf den Weg, die Sache aufzuklären; also wieder Zeit für Luden im Sportwagen und Mädchen in High Heels. Anne-Sophie Briest ist als wagemutige Ermittlerin dramatisch überfordert, und die erbarmungswürdige Regie springt von Bildern vergewaltigter Kinder zu den Seifenoperkonflikten von Natalies Eltern. Nina Hoger darf ihre berüchtigte Turmfrisur in absurde Höhen tragen, als Natalies Mutter nun eine Cateringfirma betreiben und mutig an Sätzen wie "Sie müssen mich entschuldigen, Ihre Gäste warten auf ihre Parmaröllchen" vorbeispielen, während sich der weiterhin glücklose Udo Schenk von einem neuen Rivalen düpieren lassen muß. Im letzten Drittel verliert sich die müde Plotte in handelsüblichen Krimiklischees, wenn die Bösen sogar Natalies Baby entführen und einer auf Spannung gemacht wird, wo keine ist. Am Ende haben sich alle lieb, und das geschändete Kind kann wieder lachen.

DVD.
Die fünf DVDs finden sich in fünf Slim Cases in einem Pappschuber, alles nicht allzu ansprechend gestaltet. Obwohl die Serie nach der Hälfte zum 16:9-Format wechselte, wurde hier alles 4:3 belassen. Die Bildqualität ist aber nicht gut genug, um die Letterbox-Fassungen aufzuzoomen; es rauscht und zieht nach und erfreut nicht besonders. Der Ton ist in Ordnung. Als Extra gibt es auf der ersten DVD ein sage und schreibe 72minütiges Interview mit Anne-Sophie Briest, die immer noch sehr jung aussieht und ausgesprochen ostig, aber durchaus sympathisch zu erzählen weiß. Das Problem ist nur, daß 72 praktisch unbearbeitet Minuten eh schon sehr lang werden, wenn aber ein Interview so unvorteilhaft und unansprechend mit Onkels Heimkamera gefilmt und nur mit dem Kameramikrofon aufgezeichnet wurde, befindet man sich im Amateursegment und kann weder lange zuhören noch -schauen. Und der dafür verantwortliche Interviewer Arild Rafalzik geht einem, mit Verlaub, auch tierisch auf die Nüsse.








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