|
FILM.
Dass man - wie ein Freund mich warnte - Jude und in den späten Sechziger Jahren im Mittelwesten der USA aufgewachsen sein muss, um mit dem doch idiosynkratischen Humor von A SERIOUS MAN etwas anfangen zu können, hat sich nicht bestätigt. Zwar machen es die Brüder Joel und Ethan Coen (THE BIG LEBOWSKI, NO COUNTRY FOR OLD MEN, FARGO) - beide selber Juden, Anfang bis Mitte 50 und im amerikanischen Mittelwesten aufgewachsen - Gojim (jüdisch für "Heiden") nicht immer einfach, den Dialogen zu folgen, indem sie mit hebräischen Begriffen wie Olam Haba (Leben nach dem Tod), Zores (Ärger) und eben Gojim um sich werfen lassen und die einleitende Kurzepisode in untertiteltem Jiddisch erzählt wird. Der Humor und die Thematik des Films bauen allerdings auf ein universelleres Fundament; das nostalgische, jüdische Motiv sorgt eher für einen leicht exotischen Charme.
Nachdem Larry Gopnik (sehr gut: MICHAEL STUHLBARG) von seiner Frau (SARI LENNICK) trivial mitgeteilt wird, sie betrüge ihn seit Monaten mit dem Witwer Sy Ableman (FRED MELAMED) und fordere die Scheidung, lässt er sich von ihr und Sy überreden, aus dem Haus und in ein nahegelegenes Motelzimmer zu ziehen, das er mit seinem arbeitslosen Bruder Arthur (RICHARD KIND) teilen muss. Larrys Sohn ( AARON WOLFF) verliert die zwanzig Dollar, die er einem Schläger in seiner Klasse für Marijuana schuldet, an seinen Lehrer. In seinem Büro in der Schule, in der er als Physikprofessor gerade auf seine Festanstellung hofft, versucht ihn ein durchfallender Student per Bestechung zu einer besseren Note zu bewegen. Larry lehnt ab und sieht sich mit Verleumdungsklagen des Vaters konfrontiert, die er dank finanziellem Engpass nicht begleichen könnte.
Im alten Griechenland galt die Komödie im Gegensatz zur Tragödie als die göttliche Sicht auf das Leben. In ähnlicher Art kann man A SERIOUS MAN Komödie nennen und damit eher eine Lebensanschauung als ein Genre meinen oder ein Lach-Versprechen. Zwar greifen die Coens mitunter gar auf Slapstick-Humor zurück, um zu amüsieren, und jeder der Charaktere ist teilweise gar ins Absurde überzeichnet, schließlich geschehen aber tiefernste, dramatische Dinge, die lediglich durch die carnivalesque (nach M.M Bakhtin) Inszenierung erträglich und humorvoll werden.
Wenn Larry in einer schönen Montage an demselben Tag einen für ihn folgenlosen Auffahrunfall hat, an dem sein Nebenbuhler Sy Ableman auf dem Weg zum Golfplatz bei einem Autounfall ums Leben kommt, ist das für den Zuschauer dank Überportion Ironie lustig - zumal man dem unsympathischen, selbstgefälligen Ableman den Filmtod fast wünscht. Larry aber stürzt das in eine existentialistische Sinn- und Lebenskrise, deren Lösung er mithilfe dreier Rabbis vor allem im jüdischen Glauben zu ergründen versucht - mit wenig Erfolg. Lediglich den Rat, seine neue Situation aus einer anderen Perspektive zu begreifen, und eine pointenfreie, offenbar irrelevante Anekdote nimmt er aus den Gesprächen mit.
Hinter Larrys Krise steckt vor allem der Versuch, ein Muster im Leben zu finden, scheinbar verwandte Ereignisse so miteinander zu verbinden, dass sie einen Sinn ergeben. Das manifestiert sich auch gegenständlich im Film selbst - nicht nur in der wandumfassenden Gleichung, die Larry seinen Studenten vorführt ("The uncertainty principle. It proves we can't ever really know what's going on") und in Form von Arthurs "Mentaculus" genannten Notizbuch voller Rechnungen und Muster, das die Verhaltensregeln des Universums errechnen soll, sondern auch durch - im Kontext einer geschriebenen Erzählung - schwer nachvollziehbare Ereignisse, die für den Plot kaum Sinn erfüllen. Das steht A SERIOUS MAN schließlich auch ein wenig im Weg. Gepaart mit dem ruhigen Stil ohne viel Kamerabewegungen und den zwar schönen, aber sauberen und kalkuliert wirkenden Bildern lässt sich der Film zu viel Zeit, um über seine 100 Minuten konstant interessant zu bleiben.
DVD.
Abgesehen von Ton- und Bildqualität überzeugt die DVD durch das schöne Menü und viele Extras, darunter ein in vier Teile gesplittetes Making Of und ein langes Interview mit dem unglaublich sympathischen Hauptdarsteller Michael Stuhlbarg, in dem man erfährt, wie er an seine Rolle kam oder in welcher Form sich Zeit und Ort auf die Handlung auswirken, und bewundern kann, welch abenteuerlichen Wandlungen Stuhlbarg seine Augenbrauen unterziehen kann.
Das Wendecover, das die hässliche FSK-Schändung verstecken lässt, macht ebenfalls glücklich.
|
|
|