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KAPITELWAHL

QUO VADIS? (Polen/USA 2001)

von Michel Opdenplatz

Original Titel. QUO VADIS?
Laufzeit in Minuten. 160

Regie. JERZY KAWALEROWICZ
Drehbuch. JERZY KAWALEROWICZ
Musik. JAN A.P. KACZMAREK
Kamera. ANDRZEJ JAROSZEWICZ
Schnitt. CEZARY GRZESIUK
Darsteller. PAWEL DELAG . MAGDALENA MIELCARZ . BOGUSLAW LINDA . MICHAL BAJOR u.a.

Review Datum. 2010-09-06
Erscheinungsdatum. 2010-06-10
Vertrieb. EUROVIDEO

Bildformat. 1.78:1 (anamorph)
Tonformat. DEUTSCH (DD 5.1) . POLNISCH (DD 5.1)
Untertitel. DEUTSCH
Norm. PAL
Regional Code. 2

FILM.
Als Remake gilt, was einen bereits oder schon mehrmals bearbeiteten Stoff noch einmal aufrollt. Gut sind solche Filme im Regelfall dann, wenn die Betonung der Machart auf dem "Make" liegt und nicht auf dem "Re". QUO VADIS? - Tja, wohin geht es denn nun? Das fragt sich sicherlich oftmals mancher Lateinlehrer, wenn er seine lernunwilligen Schüler zurechtstutzt, und vielleicht hätte dies - zurechtsutzten - auch jemand mit den Machern dieses Films tun sollen. Der klassische Hollywoodschinken - selbst bereits die x-te Verfilmung - folgte letztlich schon der Buchvorlage des polnischen Schriftstellers Henryk Sienkiewicz von 1895, und so ist es durchaus verständlich, dass sich im Jahre 2001 endlich auch dessen Landsleute an der Verarbeitung seines vielbeachteten Werkes versuchen wollten.

Die Handlung ist wenig kompliziert, dafür umso bekannter: Der siegreich nach Rom zurückkehrende Feldherr Marcus Vinicius (Pawel Delag) ist scharf auf (ja, zweifelsohne nicht "verliebt in") die christliche Geisel Lygia (Magdalena Mielcarz) und muss fortan seinen inneren Schweinehund überwinden, um seine sexuelle Obsession für sie und den Hader mit ihrer irgendwie lästigen Religion unter einen Hut zu bringen. Nebenbei müssen sich beide vor der Verfolgung durch den klampfenden Klischeetyrannen Nero (Michal Bajor) retten, der den Christen den eigenverursachten Brand Roms in die Schuhe schieben will - dabei wollte er doch bloß seine Inspiration ein wenig befeuern.
Es ist meist nicht sinnvoll, ein Remake haarklein mit seinem Vorgänger zu vergleichen, da man es auf diese Weise sofort in einen Schatten stellt, aus dem es schwerlich mehr herauswachsen kann. Doch in dieser Hinsicht tut sich der Film selbst keinen Gefallen: Er kopiert Hollywood als Vorlage bis in die Schlüsselszenendialoge und versucht an diesen Stellen gar nicht erst, mutig neue Wege zu gehen. Beispiel Nero: Gespielt von Peter Ustinov als zum Alleinherrscher aufgestiegener, kindsköpfig-trotziger verkannter Künstler, der ein Pogrom anzettelt und mit ausgestrecktem Arm rechtwinklig angeordnete Massenaufmärsche vor seinem Palast bewundert. Das hat gut funktioniert, gerade im Jahre 1951 (Nachtigall, man hörte dir trapsen). 2001 hingegen ist Neros Ruf allein offenbar aussagekräftig genug, sodass schauspielerische Raffinesse nicht mehr vonnöten ist. Ein bisschen mit den Augen durchs smaragdene Vergrößerungsglas rollen und hier und da wütig aufstampfen, das wird schon ausreichen, um den paranoiden Wahnsinn eines Gottkaisers darzustellen. Ferner genügt sich Hauptdarsteller Delag darin, besser auszusehen als Robert Taylor (was er immerhin schafft); ebenso wie seine Kollegin Mielcarz, die zwar im Gegensatz zu Deborah Kerr mehr sagen darf als alle fünf Minuten einmal "Marcus!", die aber trotzdem einzig dafür zuständig zu sein scheint, bei jedem lüsternen Blick ihres Beischläfers den Pastellfilter und schwülstige Musik auf den Plan zu rufen, die sich in gewissen FSK-18-Produktionen sicherlich vertrauter anfühlen würden. Klanglich nicht viel gekonnter ist übrigens der Einsatz gregorianischer Choräle (Entstehungszeit zwischen dem 5. und 6. Jahrhundert), welche die Protochristengemeinde von sich gibt, wenn sie sich in ihrer geheimen Höhlenkirche trifft.
Änderungen gegenüber der Version von 1951: mehr Blut und vor allem mehr Nacktheit. Dies erscheint angesichts der nochmals gesteigerten Betonung und Lobhudelei des Christentums umso paradoxer, zeigt aber einmal mehr sehr schön, wie stark ausgerechnet diese selbsternannt keusche Religion mit sexueller Metaphorik aufgeladen ist. Nicht dass der Film dies anerkennen oder gar geschickt damit spielen würde. Stattdessen treibt er die radikalen Positionen, die bereits im Originalroman vertreten waren, auf die Spitze: Der griechische Spion Chilo (Jerzy Trela), 1951 schon ein fragwürdiges Mittel zum Zweck, gerät hier zum peinlichen Verriss des anfangs unverbesserlichen Heiden, der unzählige Male selbst verraten und misshandelt werden muss, bevor er eher de- als reumütig (sowie seiner Zunge beraubt) im Kerker vor sich hin märtyrern darf. Hatte Robert Taylors Marcus noch den Apostel Paulus als Philosophen bezeichnet, zieht Chilo sich hier zudem diesen Titel selbst an und zementiert dadurch die plakative Trennung von profaner (gleich böser) Geistigkeit und religiöser (gleich guter) Geistlichkeit. Wenigstens sind die ellenlangen Predigten von Petrus gekürzt worden. Die (Dornen-)Krönung des Ganzen besteht darin, dass diese Version ausgerechnet die starken Szenen der Verfilmung von 1951 auch noch weglässt: Das exquisite erotische Geplänkel zwischen Marcus und Neros Frau Poppaea gehört dazu. Patricia Laffan hat an diesen Stellen die wohl stärkste Darbietung der damaligen Besetzung hingelegt, während sich die Heimtücke der Figur im Jahre 2001 (gespielt von Agnieszka Wagner) darauf beschränkt, dass sie gewaltig auftoupiert und fies zur armen Lygia sein darf.
Doch halt, es gibt einen Lichtblick (und damit ist nicht etwa das abgekupferte Erscheinen des Herrn in Form eines durch Wolkenberge strahlenden wattstarken Studioscheinwerfers gemeint): Boguslaw Linda nämlich spielt ungeachtet all dessen Marcus' Onkel und Neros Berater Petronius mit einer faszinierenden Leichtigkeit und der lebensnahen Scharfzüngigkeit eines opportunen Realpolitikers, dass man sich in seinen Szenen unwillkürlich fragt, ob man gerade versehentlich zu einer hochwertigen Produktion umgeschaltet hat. "Caesar, bevor alle betrunken sind, ehren Sie dieses Fest mit einem Lied", schmeichelt er Nero beim wilden Gelage, und man möchte eigentlich nur noch diesen Schauspieler sehen und den restlichen Cast ausnahmslos den Löwen im Circus Maximus vorwerfen.

Auch für gute Effekte war man sich entweder zu fein oder zu geizig, was dazu führt, dass der Brand Roms 1951 mit denselben Mitteln glaubwürdiger aussah. Kleidung und Architektur seien allerdings mit Hilfe von Historikern minutiös rekonstruiert worden. Ist das also der Grund dafür, warum Petrus (der hier gnädigerweise nicht kopfüber am Kreuz enden muss), nachdem er den ganzen Film über durch fragwürdige Pappmascheeaufbauten und Plastikblumengärten flaniert ist, am Ende vor dem Hintergrund der Betonneubausiedlungen Roms (Asphaltstraßen und fahrende Autos inklusive) über einen Feldweg wandert? Man weiß es nicht, und vermutlich fragt sich sogar der alte Mann selbst in diesem Moment, warum er nicht doch Lateinlehrer geworden ist.

DVD.
An Ton- und Bildqualität gibt es nichts auszusetzen, das Menü ist sachdienlich. Die Extras beschränken sich auf die üblichen Trailer und minderwertige Standbilder aus dem Film.








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