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KAPITELWAHL

FRAU IM MOND (Deutschland 1929)

von Jenny Jecke

Original Titel. FRAU IM MOND
Laufzeit in Minuten. 154

Regie. FRITZ LANG
Drehbuch. THEA VON HARBOU
Musik. WILLY SCHMIDT-GENTNER
Kamera. CURT COURANT . OTTO KANTUREK
Schnitt. nicht bekannt
Darsteller. GERDA MAURUS . WILLY FRITSCH . KLAUS POHL . FRITZ RASP u.a.

Review Datum. 2010-04-25
Erscheinungsdatum. 2010-02-05
Vertrieb. ALIVE

Bildformat. 1.33:1
Tonformat. DEUTSCH (DD 2.0)
Untertitel. keine
Norm. PAL
Regional Code. 2

FILM.
Vielerlei Aspekte von FRAU IM MOND mögen den nicht anderweitig beschäftigten Filmhistoriker entzücken: Es ist ein Science Fiction-Film aus den Zwanzigern, der sich daran macht, mit seinen begrenzten Mitteln die Reise zum Mond wissenschaftlich präzise zu schildern. Thematisch eröffnet der Film damit eine direkte Kontinuität zu George Méliès' Klassiker DIE REISE ZUM MOND von 1902, dessen Expedition andererseits weitaus verspielter dahergekommen war. Das Drehbuch für den neuen Mondausflug schrieb die damalige Ehefrau von Regisseur Fritz Lang. Nach dem Flop METROPOLIS ist das also erneut ein visionäres Projekt, welches Thea von Harbous Stempel trägt. Dann wäre da noch die Tatsache, dass man hier Langs letzten Stummfilm zu sehen bekommt, ein Produkt des Übergangs, das entstand, als die technische Innovation des Tons bereits Gegenwart war. Man könnte der unpraktischen Stellung zwischen METROPOLIS und M – EINE STADT SUCHT EINEN MÖRDER nun dafür verantwortlich machen, dass FRAU IM MOND trotzdem zu den weniger häufig kanonisierten deutschen Stummfilmen zu zählen ist. Das wäre jedoch zu viel des Guten, denn aus heutiger Sicht ist diese Reise zum Mond in erster Linie eines: zu lang. Das mag auf nicht wenige Filme des Regisseurs zutreffen. Wohingegen METROPOLIS unheimlich viele mehr oder weniger überzeugende Handlungsstränge in seine zweieinhalb Stunden quetscht, hat FRAU IM MOND in seiner vergleichbaren Laufzeit wesentlich weniger zu sagen und zu erzählen.

Helius (Willy Fritsch), der eine Werft für Fluggeräte besitzt, will auf den Mond. Da auf dem Erdtrabanten Goldvorkommen vermutet werden, setzt eine Gruppe von Geschäftsleuten alles daran, diesem "Phantasten und Idealisten" die Konstruktionspläne für eine gigantische Rakete zu entreißen. Das gelingt. Helius wird durch den Handlanger Turner (köstlich zwielichtig: Fritz Rasp) zum Flug erpresst, was bei genauer Betrachtung nicht viel Sinn macht, aber sei's drum. Mit viel Konfliktpotenzial beladen macht sich eine kleine Gruppe auf, das Abenteuer im Weltraum zu bestehen. Bis es dazu kommt, dauert es allerdings eine Weile. Wenn ein Film mit einer zwanzigminütigen Exposition aller Fakten in Dialogform beginnt, ist das kein gutes Zeichen für die Dynamik der Erzählung. Den Künsten des Meisters ist es zu danken, dass dieser Teil nicht allzu langweilig gerät. Schwerfällig bleibt diese Handhabung des Stoffes nichtsdestotrotz. Aufatmen kann man erst im Anschluss, während der Plot sich in Richtung Spionagethriller samt Dreiecksgeschichte bewegt. Helius' große Liebe Friede (Gerda Maurus) feiert gerade die Verlobung mit seinem besten Freund und Kollegen, als ihm die Konstruktionspläne auf gewiefte Art und Weise gestohlen werden. Was lernt man daraus? Traue nie flirtenden Blumenmädchen und Herren mit gewagtem Seitenscheitel. Den Schwung dieses Abschnitts, dessen Eckpunkte auch heute noch jedem Science Fiction-Film gut stehen würden, erreicht der Film jedoch nicht wieder. Behindert wird der letzten Endes ausgerechnet von der Rakete.

Zwar verweisen die Elemente des eigentlichen Abenteuers - die gewissenlosen Kapitalisten, der blinde Passagier, der Bösewicht als Mitglied der Mission - auf die Zeitlosigkeit der Erzählung. Man denke z. B. an die Parallelen zu VERGESSENE WELT: JURASSIC PARK. Gleichwohl ist dem weiteren Verlauf insbesondere der Eifer anzumerken, mit dem sich die Macher der Idee einer Fahrt zum Mond angenähert haben. Einer PowerPoint-Präsentation gleich wird beispielsweise das Treffen der goldgeilen Geschäftsleute zum Vorwand genommen, die physikalischen Gegebenheiten der anstehenden Reise zu erklären. Ebenso ausführlich werden die Vorbereitungen zum Start der riesigen Rakete gezeigt. Ihr langsames Gleiten über die Rollbahn, ihre Versenkung im Wasser, der Countdown – noch heute imponierendes Spektakel ist das natürlich dank des eindrucksvollen Modells, aber deutlich umweht hier der Glaube an wissenschaftliche Relevanz, an Echtheit – nicht nur Fiction – die sich in die Länge ziehenden Bilder. Ganz offensichtlich will hier jemand schildern, wie es sein könnte oder sein wird und nicht nur eine fantastische Reise auf die Leinwand zaubern. Daran krankt der Film auch nach der Mondlandung, obschon der Plot dann wieder das Sagen hat. Große Bilder sind natürlich zu erwarten. So etwa wenn Friede auf der Mondoberfläche die wüstenartige Umgebung filmt und damit selbst ein Bild weiblicher Abenteuerlust abgibt, welches sich zu Recht in die Filmgeschichte eingeschrieben hat. Auch ist das Werk voll von jenen Großaufnahmen, wie sie nur Lang zu zaubern vermochte, in denen die Gesichter entfesselnd, sinister oder schockiert in die Kamera blicken und man sich plötzlich hinein in den Film gezogen fühlt, ist man konfrontiert mit diesen hypnotischen Augenpaaren.

Inwiefern man die Schuld an dem zuweilen etwas drögen Endergebnis unter den Eheleuten Harbou und Lang aufteilen kann, sei den Filmhistorikern überlassen. Ersterer werden gern die Drehbuchaussetzer angelastet, vielleicht um die Aura des Genies ihres damaligen Gatten zu wahren. Von dem Perfektionisten Lang hätte man zumindest mehr Selbstbeherrschung erwarten können. Effekt war und ist nicht alles, so dass für Freunde stummer Filmkunst diese Reise zum Mond eher ein mit interessanten Umständen behaftetes Kuriosum ist als ein Muss. Einsteigern in die frühe, aber glorreiche deutsche Filmgeschichte sei von diesem Lang jedoch abgeraten.

DVD.
FRAU IM MOND bildet den Auftakt der FAZ-Reihe "Momente des deutschen Films", deren Silberscheiben jeweils bereichert werden durch ein Booklet mit allgemeinen Informationen zum Film und ein Interview mit einem FAZ-Autoren als Bonus. Dieses Mal ist Andreas Kilb an der Reihe. Der gibt etwas trocken, aber informativ Auskunft über den Einfluss Thea von Harbous auf die Dreharbeiten und die Umstände, die dazu führten, dass FRAU IM MOND Fritz Langs letzter UFA-Film blieb. Die Bildqualität ist für einen Film dieses Alters mehr als gut, was zweifellos auch der Restaurierung durch die Friedrich-Wilhelm-Murnau-Stiftung zu verdanken ist. Im Gegensatz zu METROPOLIS wurde dieser Film ohne größere Verluste für die Nachwelt bewahrt.








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