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FILM.
"I saw a Rohmer film once. It was kind of like watching paint dry."
Das ist natürlich das berühmteste Zitat, das es zum Thema Eric Rohmer gibt, und es stammt natürlich aus Arthur Penns NIGHT MOVES und wird dort von Gene Hackman gesprochen. Es kommt mir aber nicht in den Sinn, weil der grosse Franzose unlängst gestorben ist, sondern weil wohl nichts anderes besser zu Oliver Stones ALEXANDER passt, schon gar nicht, wenn wir über den hier zu besprechenden "Final Cut" sprechen. Das ist die mittlerweile dritte Version des teuersten Oliver Stone-Films überhaupt, was an sich schon absurd wäre, handelte es sich bei ALEXANDER nicht auch noch um einen kolossalen Kinokassenflop. Gut, außerhalb den USA, wo man sich generell für Sandalenepen eher erwärmen kann, lief der Film rentabel, aber bei angeblichen Produktionskosten von sagenhaften 155 Millionen Dollar war auch das nur ein Tropfen auf den heissen Stein. Und das bei einem Werk, das gemeinhin als sagenhafte Trashgranate gehandelt wird und Nominierungen nur bei den "Goldenen Himbeeren" einfahren konnte. Also, was soll das?
Dafür gibt es zwei Gründe. Erstens: ALEXANDER hat sich in den Videotheken als Abräumer erwiesen. Zweitens: Oliver Stone. Stone ist ein megalomanischer, selbstverliebter Rammbock; warum sollte er also die Möglichkeit in den Wind schlagen, Nachschlag um Nachschlag zu servieren? Da reicht ein "Director's Cut" (diese Bezeichnung dürfte spätestens jetzt ad absurdum geführt sein) nicht mehr aus, da muss auch noch ein "Final Cut" her. Wobei man bei Stone sagen muss, dass gerade dieser laute Ruf nach "mehr, mehr, mehr" ihn und seine Filme seit Jahrzehnten so interessant macht. Stone ist Könner, Künstler, Aufreger und nicht selten auch der reinste Trasher - aber eins waren seine Filme eigentlich nie: langweilig. Nein, dazu musste er sich erst eines historischen Stoffs annehmen.
In ALEXANDER, seiner freien Interpretation allergrösster geschichtlicher Ereignisse, wuchert er völlig unfokussiert und ohne klaren Blickwinkel durch die Lebensjahre Alexander des Grossen. Mehr noch als die zugrunde liegende, renommierte Alexander-Biografie von Robin Lane Fox ergeht sich Stone vor allem in Vermutungen. Das ist auch völlig in Ordnung; Stones Aufgabe - wenn man den Film denn als solche betrachten will - ist es, uns ein Gefühl für die Figur Alexander und die Zeit, in der er lebte, nahe zu bringen. Dabei scheint es ihm, wie auch Fox, insbesondere um Alexanders Homosexualität zu gehen. Das ist ebenfalls völlig in Ordnung und auch sehr interessant, nur traut sich Stone dann eben doch nicht so richtig. Das bedeutet: Alexander darf zwar seine spätere Braut Roxana in einer recht schmierig nach Porno riechenden Sex-Szene (wenn eine Frau "nein" sagt, meint sie "ja") ausgiebig bumsen, mit seinem langjährigen Gefährten Hephaistion wird sich aber nur immer mal wieder umarmt. Auch als Schlachtengemälde will ALEXANDER nicht so recht funktionieren; die Action ist mit zwei ausgiebigen Kampfszenen bei dreieinhalb Stunden Länge doch sehr sparsam gesät. Hier geht Stone dann aber in die Vollen: Was er an Übersichtlichkeit nicht leisten kann (die Einblendungen "Mazedonian left" oder "Mazedonian right" sollen der Verortung dienen, sehen aber eher nach Sportübertragung aus), versucht er mit heftigstem Gekröse auszugleichen. Insbesondere die Schlacht von Indien dürfte mit zahllosen abgetrennten Gliedmassen (und Elefantenrüsseln) die Blutwurstfraktion zufrieden stellen (die "ab 12"-Freigabe ist völlig gaga). Wenn es dann Alexander selbst erwischt und er die letzten Minuten der Kampfhandlungen als surrealen Alptraum in Rosa erlebt, erahnt man, was Stone tatsächlich aus dem Stoff hätte machen können.
Leider, leider ist das einer der wenigen erwähnenswerten Einfälle Stones, der sonst pflichtschuldig (etwa überfordert?) größtenteils erstaunlich unspektakuläre Stationen im Leben Alexanders abhakt. Dabei fährt ihm nicht nur der fürchterliche Score von Schmierlappen Vangelis in den Karren, sondern auch die namhafte Besetzung. Colin Ferrell, ohnehin nicht unbedingt bekannt für schauspielerische Höchstleistung, darf hier mit lächerlich gelben Haaren den Loddel vom Dienst geben, während Jared Leto ihn im 30 Seconds to Mars-Modus anhimmelt. Anthony Hopkins, mit dem das Marketing heftig warb, schaut als alter Ptolemaios lange nach Alexanders Tod zurück und fungiert mit ein paar Minuten Screentime (absolviert auf einer sonnigen Terasse mit CGI-Background) als Erzähler. Bei Michael Bay hätte wahrscheinlich Morgan Freeman die Rolle gespielt, was soll der Geiz, oder? Angelina Jolie darf als Alexanders - gleichaltrige? - heisse Mama mit russischem Akzent die Zähne blecken, während Colin sich auf seinem Irisch mit Kneipenflair ausruht. Neben Christopher Plummer als Aristoteles ist es somit ausgerechnet Trashkönig Val Kilmer, der sich als Alexanders besoffener Papa achtbar aus der Affäre zieht.
Was gibt es nun zum "Final Cut" zu sagen? Wenn man sich diesen Film überhaupt antun möchte, so ist diese Schnittfassung definitiv die richtige Wahl, da sich die anderen Versionen noch weniger an die Männer- und Mutterliebe rantrauen und natürlich auch die Schlachtszenen erheblich schlapper ausfallen. Ich möchte dennoch dringend davor warnen, sich sage und schreibe 206 Minuten lang diesem nichtssagenden, vielleicht über-, vielleicht unambitionierten Bauerntheater auszusetzen, denn diese endlosen Stunden kann einem niemand zurückgeben.
DVD.
Bild sehr gut, Ton sehr gut, Synchro auch nicht schlecht (Rolf Schult ist einfach um Klassen besser auf Hopkins als Joachim Kerzel). Aber keine, absolut keine Extras? Ein bißchen Erklärung zum Final Cut hätte es schon sein dürfen.
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