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FILM.
In den letzten beiden Jahren war es in Japan nahezu unmöglich einen Fuß vor die Tür zu setzen, ohne auf ein seltsames Symbol zu stoßen: Eine krakelig gezeichnete Hand, deren ausgestreckter Zeigefinger nach oben zeigt, auf dem Handrücken ein weit geöffnetes Auge, das Ganze eingefasst von einem weiteren Auge. Es war wie in den mittleren 1980ern mit dem Geisterverbotsschild der Ghostbusters oder ein paar Jahre später mit dem Batsymbol Classic. Das seltsame Hand/Auge-Symbol ist das Zeichen des "Freundes", des geheimnisvollen Schurken aus 20TH CENTURY BOYS, einer dreiteiligen Event-Filmfilm-Verfilmung des zurecht hoch gelobten gleichnamigen Science-Fiction-Mangas von Naoki Urasawa. Kam gerade keine neue Folge in die Kinos, erschien bestimmt die letzte auf DVD oder lief die vorletzte im Fernsehen. Irgendeinen Grund gab es immer, jede freie Werbefläche mit dem Symbol des Freundes zu bekleben.
Der "Freund" ist ein maskierter Sektenguru, der mit biologischen Waffen und Riesenrobotern nicht weniger als die Vernichtung der Menschheit anstrebt, und die hilft ihm dabei auch noch gerne, indem sie scharenweise in seine Erweckungsveranstaltungen strömt und sich beglückt auf seine Seite schlägt.
Wird der Supermarktangestellte Kenji ihn aufhalten können? Immerhin war in Kindheitstagen sein Berufswunsch Rockstar oder Retter der Welt. Ersteres hatte er versucht, hat aber nicht so recht geklappt. Jetzt wird er auch um den Versuch der Weltrettung nicht herumkommen, denn es ist unübersehbar, dass der ominöse "Freund" und die Ereignisse um ihn herum unmittelbar mit der Vergangenheit Kenjis und seiner Clique aus der Schulzeit zusammenhängen. Die Plagen, die der Schurke über die Menschheit bringt, scheinen aus einer wilden Geschichte zu stammen, die der kleine Kenji vor Jahren zu Papier gebracht hatte. Und das Symbol der Sekte war einst das von ihm und seinen Freunden. Ist der Anführer der Sekte einer von ihnen? Oder einer, der damals nicht mitspielen durfte? Oder ein ehemaliges Mitglied einer gegnerischen Kinderclique? Kenji schart einige Vertraute von früher um sich, um der Sache auf den Grund zu gehen.
Es ist stark anzunehmen, dass Manga-Schöpfer und Film-Koautor Naoki Urasawa eifriger Stephen-King-Leser ist. Die Kindheitsfreunde, die sich als Erwachsene wiedertreffen und sich einem Grauen aus ihrer Vergangenheit stellen müssen, erinnern stark an ES, der mystisch-apokalyptische Rahmen ist dem von DAS LETZTE GEFECHT nicht unähnlich. Die Rock'n'Roll-Begeisterung eint überdies beide Autoren (der Titel ist selbstverständlich ein Verweis auf T.Rex). Wo Kings Erzählungen voller nostalgischer Referenzen an die amerikanische Popkultur sind, berichtet 20TH CENTURY BOYS (ein Girl gehört übrigens dazu) mit Wehmut von dem, was japanische Halbwüchsige in den 1970ern begeisterte, mit sehr spezifischen Anspielungen auf Mangas, Spielzeug, Musik, unerreichbare Erotikfilme und Herrenmagazine als Schmuggelware aus Papas Schublade. Die auf drei Zeitebenen (Vergangenheit, Gegenwart, Zukunft) erzählte Geschichte gefällt auf Anhieb aufgrund ihrer menschlichen Wärme, aufgrund der liebenswerten Figuren, die perfekte, fast unheimlich genaue Realkopien ihrer gezeichneten Vorbilder sind. Wer den Comic nicht kennt, ist erstaunlich schnell drin. Wer ihn kennt, ist von Anfang an hin und weg. Die Charaktere machen so viel Spaß, dass man nur selten bemerkt, dass es hier für einen Weltuntergangs-Blockbuster überraschend selten knallt. Die Action ist dünn gesät und meist schnell vorbei, selbst das Finale wirkt eher wie ein Vorspiel als ein Höhepunkt. Ist es im Grunde auch, schließlich ist dies nur der erste Streich, der zweite und dritte sind in Japan bereits gefolgt.
Fühlt man sich hin und wieder auch versucht, den alten Elvis-Gassenhauer über das rechte Verhältnis von Konversation und Aktion anzustimmen, so ist es doch unterm Strich überaus sympathisch, dass hier ein großer Mainstream-Film vorrangig auf Geschichte und Figuren anstatt auf Explosionen und Karambolagen setzt. Gerne mehr.
DVD.
Was in Japan ein Massenphänomen von Herr-der-Ringe-Ausmaßen ist, ist hier ein Nischenprodukt – der Manga wurde in Deutschland bereits mangels genügend Interessierter vorzeitig eingestellt. So hat die deutsche DVD statt einer Synchronisation ausschließlich Untertitel bekommen. DVD-Extras fehlen ebenso wie ein Booklet. Das mag lizenzrechtliche Gründe haben, ist aber dennoch ärgerlich. Die Technik geht nur weitgehend in Ordnung, vereinzelte Tonaussetzer und Bildverzerrungen bleiben nicht unbemerkt. Angesichts des sehenswerten Films muss man sagen, dass diese DVD-Veröffentlichung besser ist als gar keine DVD-Veröffentlichung. Aber nicht viel.
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