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FILM.
Bei der BBC werden Serien oft auf nur zwei Staffeln ausgelegt. So vermeidet man Ermüdungserscheinungen der Drehbuchautoren und hat also dann aufgehört, als es noch am Schönsten war. Bei STATE OF PLAY von 2003 (6 Folgen á 50 min.) hat es nur zu einer Staffel gereicht. Nicht weil sie nicht gut genug gewesen wäre, im Gegenteil. Die BBC wollte eine Fortsetzung, Drehbuchautor Paul Abbott hatte aber das Gefühl, die Story nicht in angemessenem Maße fortsetzen zu können. Das ist einerseits schade, andererseits aber nur konsequent.
"The state of play," der Stand der Dinge wird täglich in der Redaktion der Londoner Zeitung The Herald abgefragt. Der erfahren Reporterfuchs Cal McCaffrey (John Simm) und seine junge Kollegin Della (Kelly Macdonald) recherchieren den angeblichen Selbstmord einer wichtigen Mitarbeiterin des Energieausschußvorsitzenden MP Stephen Collins (David Morrissey). Der zunächst eindeutige Fall entwickelt sich weitaus komplexer als zunächst gedacht. Auch der Mord an einem Jugendlichen, der auf den ersten Blick mit Drogengeschäften zu tun zu haben scheint, bekommt eine Wendung.
Nicht nur die Fälle verflechten sich, auch die Beziehungsebene wird komplizierter. Reporter und MP sind sich aus früheren Tagen freundschaftlich verbunden, Collins hat allerdings einiges aus seinem Privatleben zu verbergen. Die Verquickung von privaten Informationen und öffentlicher Darstellung sorgt für weitere Spannungen, zwischen ehemaligen Freunden und jetzigen Kollegen. Und dann mischt auch noch die große Politik mit.
STATE OF PLAY reizt die Möglichkeiten einer Fernsehserie aus, bringt die Vorzüge des Formats gegenüber einem Spielfilm, die Charakterisierung und Entwicklung der Figuren über einen längeren Zeitraum, die langsame und sensible Fortführung des Plots, voll zur Geltung. Der Zwiespalt zwischen persönlicher Bindung und journalistischer Neugierde wird von Autor Abbott geschickt und elegant mit dem Fortgang der Recherchen verquickt. Und er stellt seine Figuren vor schwere Entscheidungen: wie weit darf die Manipulation von Informanten gehen, wann nutzt der Journalist den Politiker aus, wie weit geht die Informationspflicht gegenüber der Öffentlichkeit, wenn durch diese Information die an und für sich gute Sache, hier eine neue, umweltfreundliche Energiepolitik, gefährdet wird? Und viele, viele mehr...
Nicht nur der Plot ist facettenreich, die Figuren haben alle ihre Ambivalenzen. Der knallharte Hardcore-Journalist hat auch eine sehr private Seite, der grummelige Verleger ist nicht immer der Souverän seiner Entscheidungen, der Politiker ist nicht nur ein aalglatter Karrierist. Das wird umgesetzt von einer ausgezeichneten Schauspielerriege, die mit nur einem kurzen Blick mehr ausdrücken kann, als hiesige Darsteller, die oft genug nur auf schraubige Dialoge zurückgeworfen sind. Es sind Details z.B. wie die kleinen Grunzer nach dem Lachen, die Bill Nighy als Redaktionspatriarch Cameron Foster seiner sonst so souveränen Figur gestattet.
Eine spannende, liebevoll geschriebene und inszenierte Serie, die ich in einer Nacht unbedingt weggucken musste.
DVD.
Die komplette Serie passt auf zwei DVDs. Trotzdem sind Bild und Ton ausgezeichnet. Genug Platz auf den Datenträgern bleibt ja, denn Extras gibt es keine. Schade um die Audiokommentare zu zwei Folgen, die auf den originalen UK-DVDs zu finden sind. Ausserdem wären englische Untertitel schön gewesen, denn Kelly Macdonalds schottischer Akzent ist zumindest für meine Ohren kaum zu verstehen. Tröstlich allerdings, dass die deutsche Synchro überdurchschnittlich gut ist. Manchmal ist der deutsche Text sogar spritziger als das Original.
Trotzdem noch ein kleiner Wermutstropfen: die einzelnen Folgen sind um ca. 5 Minuten kürzer als im Original. Wahrscheinlich eine Anpassung an die kontinentale Fernsehformatierung, STATE OF PLAY lief 2008 bereits auf arte.
Trotzdem großartig, schön, sehenswert: gucken!
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