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KAPITELWAHL

JERICHO - DIE KOMPLETTE SERIE (USA 2006-2008)

von Martin Eberle

Original Titel. JERICHO - THE COMPLETE SERIES
Laufzeit in Minuten. 1239

Regie. GUY NORMAN BEE . JON TURTELTAUB . MARTHA MITCHELL
Drehbuch. STEPHEN CHBOSKY . JOSH SCHAER . JONATHAN E. STEINBERG
Musik. DAVID LAWRENCE
Kamera. RICK BOTA . RICK MAGUIRE
Schnitt. CONRAD SMART . CHRISTAL KHATIB . STEWART SCHILL
Darsteller. SKEET ULRICH . LENNIE JAMES . ALICIA COPPOLA . ASHLEY SCOTT u.a.

Review Datum. 2009-10-26
Erscheinungsdatum. 2009-10-15
Vertrieb. PARAMOUNT

Bildformat. 1.78:1 (anamorph)
Tonformat. DEUTSCH (DD 2.0) . ENGLISCH (DD 5.1) . FRANZÖSISCH (DD 2.0) . ITALIENISCH (DD 2.0) . SPANISCH (DD 2.0)
Untertitel. DEUTSCH . ENGLISCH . FRANZÖSISCH . ITALIENISCH . SPANISCH
Norm. PAL
Regional Code. 2

FILM.
Die Zeit, als "Atom" und "Apokalypse" das Traumwortpaar des Jahres waren, liegt lange zurück. Spätestens seitdem sich Arnold Schwarzenegger und Jamie Lee Curtis vor einem Atompilz geküsst haben, ist klar, dass sich der Verdrängungsprozess, bei über 60 Jahren Nuklearkriegsgefahr im Nacken, erfolgreich durchgesetzt hat.

In JERICHO ist Schluss mit romantisch. Der Atompilz, der in der Kleinstadt am Horizont zu sehen ist, hat gerade Denver ausgelöscht. Nur mit spärlichen Informationen aus dem Rest der Welt und völlig auf sich selbst zurück geworfen, versuchen die Bewohner des Städtchens, mit der neuen Lage klar zu kommen.

In der ersten Folge geht die Bombe in der Ferne hoch, kein Lärm, keine vernichtende Druckwelle. Und ein Gefühl der Beklemmung schleicht sich ins Herz. Ab jetzt wird die Welt eine andere sein, ohne Fernsehen, ohne Strom, ohne Versorgung.
Die Notgemeinschaft um Bürgermeister Johnston Green (Gerald McRaney) versucht, das bisherige soziale Gefüge möglichst aufrecht zu erhalten. Und eigentlich klappt das sehr gut. So gut sogar, dass die anfängliche Atomexplosion seltsam unwirklich erscheint, denn die Probleme in Jericho sind weitaus geringer, als man es bei einer Atomkatastrophe erwarten würde. In der Bar wird Billard gespielt, der Lebensmittelladen verkauft Erfrischungsgetränke, die Erledigung ums Eck wird immer noch mit dem Auto gemacht, Fallout droht nur beim nächsten Regen und ansonsten wird der Bürgermeister weiterhin freundlich gegrüßt. Soziale Desintegration sieht anders aus.

Wichtigste Figur, zumindest in der ersten Staffel, ist Jake Green (Skeet Ulrich), der verlorene Sohn, der sich vom Schlurie und Drückeberger zum Volkshelden wandelt. Wie Jack Bauer in 24 rast der junge Mann durch die ersten Folgen und rettet die kleine Welt von Jericho. Und egal ob eine Gruppe ausgebrochener Sträflinge gestoppt werden muss oder ein Sack Reis umgefallen ist, der dramatische Beat hämmert sich bei Jakes Auftauchen in die Szene. Überhaupt ist die Musik rein funktional eingesetzt. In romantischen Momenten schmiert sie sich als Gefühlo-Kitsch unter das Bild, in Action-lastigen Momenten (das kann auch das Öffnen einen Autotür sein) wummert sie fast die Szene weg. Und immer, immer, immer sind es dieselben 2-4 Tracks. Man mag an eine zwar anstrengende aber gelungene Parodie von Filmmusik glauben, denn Bild und Ton passen selten richtig gut zusammen. Oder aber an Musikdesigner, die das Publikum für komplett minderbemittelt halten.

JERICHO ist nun gar nicht parodistisch gedacht und wäre auch ein kompletter Ausfall gewesen, wenn nicht nach einigen Folgen Musikgenerve dem penetranten Ton etwas der Saft abgedreht worden wäre. Ab dem Moment kann man sich weitgehend ungestört den Inhalten widmen. Die werden zunehmend spannender: ein geheimnisvoller Fremder, der irgendwas mit den Atombomben zu tun hat, eine zunehmend prekäre Versorgungslage, die zu Konflikten mit der Nachbarstadt führt und, das leider auch, sehr viele persönliche Belange, die dann der Spannung den Wind aus den Segeln nehmen und JERICHO in eine etwas besser produzierte Soap abgleiten lassen. Es ist diese unentschlossene Erzählweise, die den großen Wurf nicht zulässt, diese Elemente einer kitschigen Emotionalität im Rahmen einer eigentlich alles umwälzenden Katastrophe, die lieber mehr Radikalität in den Erzählsträngen gebraucht hätte.
Und doch gibt es immer wieder schöne Momente auch einer leisen Selbstironie, wenn zum Beispiel in einer wieder mal sehr ernsten Lage die versammelte Stadtbevölkerung sich beratschlagt und einen Freiwilligen für die nächste Kamikaze-Aktion sucht. Und dann der Blick aller im Saal sitzenden Menschen sich auf den nun langsam doch müde wirkenden Tausendsassa Jake wendet. Schön aber selten.

So uneinheitlich JERICHO ist, so gewöhnungsbedürftig die überschnellen, unrealistischen Ortswechsel, die Logikbrüche oder die häufigen Kitschmomente, es gibt Qualitäten in der Serie, die über das Filmische hinaus gehen. Jericho ist ein Ort, der sich dem Humanismus verschreibt, in dem Rache und Selbstjustiz keinen Platz haben sollen. Kein martialisches "Auge um Auge", vielmehr Solidarität und, das natürlich auch, ein starker Familiensinn. Der Geist dieser Serie: eine seltsame Mischung aus Humanismus und uramerikanischer Spießigkeit.

JERICHO blieb zunächst unvollendet. Nach schlechten Quoten und einer lausigen letzten Folge der ersten Staffel, die als einzigen so richtig spannenden Moment den Cliffhanger zu bieten hatte, wollte CBS keine weitere Fortsetzung. Es gab aber mehr als genug Fans, die in einer riesigen Kampagne den Sender dazu bewegten, eine abgespeckte weitere Staffel zu produzieren. Hier gewinnt die Serie, in ihren engen Grenzen, noch etwas mehr Fahrt und Tiefe. Ein ominöser Konzern kommt ins Spiel, der mit einer der neuen, untereinander konkurrierenden Regierungen eng verbandelt ist (klingt doch verdammt nach Halliburton und Konsorten), die Aufklärung des Atomanschlags kommt voran und man bekommt eine leise Ahnung, wie es sich so in einem Militärstaat leben lässt.

Eine Serie mit deutlichen Schwächen, die gleichzeitig aber auch die dräuenden Jahre der korrupten Bushregierung kommentiert und in den besseren Momenten sogar ein deutlich besserer Zeitvertreib ist als der Abwasch oder die Steuererklärung.

DVD.
Bild gut, Ton gut und jede Menge Extras auf den insgesamt 8 DVDs (Audiokommentare, deleted scenes, ein Bericht zur Entstehung JERICHOs, eine relativ gut gemachte Doku über die Folgen eines Atomkrieges (mit Archivmaterial aus den verschiedenen Dekaden) und außerdem ein alternatives Serienfinale. Genug zu tun also, wenn man sich erstmal an die Serie gewöhnt hat...








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