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KAPITELWAHL

DAS MILLIONENSPIEL (Deutschland 1970)

von Hasko Baumann

Original Titel. DAS MILLIONENSPIEL
Laufzeit in Minuten. 96

Regie. TOM TOELLE
Drehbuch. WOLFGANG MENGE
Musik. CAN
Kamera. RUDOLF HOLAN . JAN KALIS
Schnitt. MARIE ANNE GERHARDT
Darsteller. JÖRG PLEVA . DIETER THOMAS HECK . DIETER HALLERVORDEN . WERNER SONNE u.a.

Review Datum. 2009-10-18
Erscheinungsdatum. 2009-04-03
Vertrieb. ARD VIDEO

Bildformat. 1.33:1
Tonformat. DEUTSCH (DD 2.0)
Untertitel. keine
Norm. PAL
Regional Code. 2

FILM.
Spricht man heute von Tom Toelles Fernsehfilm DAS MILLIONENSPIEL, so spricht man vor allem über seine Geschichte. Nach der Erstausstrahlung 1970 hielten Tausende Fernsehzuschauer die organisierte Menschenjagd, die Toelles Film darstellt, für echt und bewarben sich um die Teilnahme an der "Millionenspiel"-Show. Der Rechtsstreit mit den Erben Robert Sheckleys, Autor der zugrundeliegenden Kurzgeschichte, gipfelten im Aufführungsverbot des Films und verbannten ihn 32 Jahre lang im Archiv der ARD. Der Nimbus von Toelles Werk hatte bereits legendenhafte Sphären erreicht, als es im Sommer 2002 endlich wieder im Fernsehen gezeigt werden durfte. Die jetzt erschienene DVD-Veröffentlichung wird denn auch folgerichtig unter dem seriellen Oberbegriff "Wolfgang Menge - TV-Skandale" vermarktet, was zwar schön großmäulig klingt, aber doch etwas an der Sache vorbeigeht.

Wolfgang Menge, dieser ebenso streitbare wie listige Drehbuchautor und Moderator, stand drei Jahre vor seinem großen Durchbruch als Erfinder der Serie EIN HERZ UND EINE SEELE, als er mit seinem Buch zu DAS MILLIONENSPIEL die Pervertierung der Unterhaltungsindustrie vorweg nahm. In einer nicht näher bestimmten nahen Zukunft läuft ein junger Mann (Jörg Pleva) um sein Leben, gehetzt von professionellen Killern und mißgünstigen Fernsehzuschauern, den Hauptpreis von einer Million Mark vor Augen - sofern er es denn lebendig bis ins Fernsehstudio schafft, wo im großen Finale erneut auf ihn gezielt werden wird. Ja, das ist eine hellsichtige TV-Satire mit einer spannenden Hintergrundgeschichte, aber vor allem ist es ein exzellenter deutscher Thriller.

Was Toelles Film ausmacht, ist der Verzicht auf Übertreibungen und Verzerrungen; nur die das Programm immer wieder unterbrechenden Werbespots treiben mit ihrem surrealen 70er-Gestus den Zynismus auf die Spitze. Ein Vorbote von Verhoevens ROBOCOP, der im direkten Vergleich mit seinen Spots geradezu platt wirkt. Der Rest des Films ist ein mit seinen grauen, tristen Bildern von deutschen Städten, mit seinen kühnen Vox Populi deutscher Spießbürger und dem staunenden, gehetzten Blick Jörg Plevas ein unnachgiebiges Werk, das dem Volke und den Medienmachern den Spiegel vors Gesicht hält, aber nicht auch noch kommentieren muß, wie schlimm es darin aussieht. Was Toelle und Menge da zusammen geschaffen haben, ist so stringent und glaubwürdig, daß man sich auch nicht länger als zehn Sekunden an der Besetzung Dieter Hallervordens in der Rolle des brutalen Killers stört. Der Mann ist ausgebildeter Schauspieler und "Didi" ist 1970 noch in weiter Ferne. Der absolute Clou ist aber Dieter Thomas Heck, der das improvisiert, was er ist: Den Showmaster. Nun hat man Heck auch in späteren Jahren durchaus überzeugend als Schauspieler auftreten sehen, aber nichts kommt auch nur im Ansatz der Leistung gleich, die er hier abliefert. Heck ist so unfaßbar gut in seiner Rolle, daß man sich fragt, ob man ihn einfach hat machen lassen - ob man ihm vielleicht gesagt hat "Stell Dir vor, das sei Deine neue Show und nun moderier mal". Der Mann hält alles zusammen, ist in jeder Szene, die er betritt, der Mittelpunkt, steht für die große Show, die falsche Betroffenheit, die genervte Kippenpause im Regieraum, die Kunspause in der Moderation, die Spannung im großen Finish. Heck ist DAS MILLIONENSPIEL. Er macht den Film zu dem, als das wir ihn preisen müssen: Ein grandioses Highlight deutscher Filmkunst.

DVD.
Bild- und Tonqualität sind weit besser als ihr Ruf; mir ist unklar, wieso DVD-Rezensenten von einem 70er-Fernsehfilm hochauflösende Qualität und crispen Megasound erwarten oder zumindest deren Abwesenheit bekritteln, im selben Atemzug aber entschuldigend bemerken "Ist ja auch schon alt". Im Bonusbereich diese 3er-DVD-Sets findet sich so Einiges. Im Audiokommentar spricht Hanns-Georg Rodek von "Die Welt" mit Hauptdarsteller Jörg Pleva; keine ideale Wahl, da sich Rodek auf die prekärsten oder auch produktionstechnisch interessantesten Themen nicht einläßt und Pleva das Ganze grundsätzlich eher ulkig zu finden scheint. Zusätzlich auf der DVD: Eine schöne Trailershow zu ARD-Klassikern wie STAHLNETZ und EIN HERZ UND EINE SEELE.
Auf der zweiten DVD ist ein Interview zu sehen, das Wolfgang Menges Sohn Jakob mit ihm geführt hat. Leider kann sich Menge an vieles nicht so recht erinnern und muffelt sich ein wenig angestrengt durch die 18 Minuten. In Sachen Tonqualität und Bildästhetik spottet dieses Gespräch jeder Beschreibung. Mehr über Menge erfährt man in der prominent besetzten ARD-Dokumentation "Geliebtes Ekel", die man ihm 1999 zum 75. Geburtstag schenkte. Hier wird auch nochmal ganz deutlich gesagt, daß Menge der erste und vielleicht einzige Star unter den deutschen Film- und Fernsehautoren ist - nicht zuletzt wegen seines Rufs als Arschloch, aber vor allem wegen seines nicht genug zu preisenden Talents, seinen Finger auf deutsche Wunden zu legen. Kollegenschelte gehört sich nicht, aber Barbara Blocks Film "Geliebtes Ekel" ist formal ziemlich daneben gegangen, was aber den hohen Informationsgehalt nicht mindert.
Highlight dieses Pakets ist der sogenannte "Bonusfilm": Wolfgang Petersens SMOG (1972), ein weiteres frühes und hellsichtiges Werk aus der Feder Menges, hat sich hier unauffällig als Beipack-Juwel eingeschlichen. Petersen und Menge mischen ihre Spielfilmelemente mit den Stilmitten der Mockumentary und schaffen damit ein beklemmendes, hochspannendes Bild einer Umweltkatastrophe, wenn Nordrhein-Westfalen in Abgasen versinkt, die das Wetter nicht mehr ziehen lassen kann. In der Hauptrolle dieses erneuten Highlights deutscher Fernsehgeschichte ist Marie-Luise Marjan zu sehen, die spätere "Mutter Beimer".
Ein DVD-Paket, das, man kann es nicht anders sagen kann, in keiner Sammlung fehlen sollte. Applaus!








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