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KAPITELWAHL

KAMIKAZE-BOX (Japan 1960/1963/1971/1984)

von Björn Lahrmann

Original Titel. KAMIKAZE-BOX
Laufzeit in Minuten. 400

Regie. SHUEI MATSUBAYASHI . KIHACHI OKAMOTO . TOSHIO MASUDA
Drehbuch. diverse
Musik. diverse
Kamera. diverse
Schnitt. diverse
Darsteller. TOSHIRO MIFUNE . YOSUKE NATSUKI . KEIJU KOBAYASHI . DAIJIRO TSUTSUMI u.a.

Review Datum. 2009-03-30
Erscheinungsdatum. 2008-08-27
Vertrieb. MIG/EUROVIDEO

Bildformat. 2.35:1 (anamorph)
Tonformat. DEUTSCH (DD 1.0)
Untertitel. keine
Norm. PAL
Regional Code. 2

FILM.
Meine erste Konfrontation mit der japanischen Sicht des Pazifikkriegs war Wings of Fury, ein doch eher bescheidenes Computerspiel auf dem Amiga 500. Man startete mit seinem rotgepunkteten Zero-Kampfjet direkt vom Flugzeugträger aus und durfte dann nach Herzenslust Yankees abknallen. Die größte Schwierigkeit bereitete mir, nach der Keilerei wieder zu landen; ständig krachte ich in die Landebahn hinein und schlitterte dann mit Totalschaden ins Meer. Deswegen haben die also Kamikaze erfunden, dachte ich: Wenn die Steuerung eh so beschissen ist, kann man sich auch gleich in die feindlichen Truppen reinstürzen.
Hätte sich mein Denkfehler von damals nicht mittlerweile geklärt: diese Box hätte es vielleicht endlich getan. Vier japanische Fliegerfilme rund um den Zweiten Weltkrieg finden sich auf den beiden Scheiben, die freilich mit dem genrebegründenden Größenwahn und Aufwand eines Howard Hughes wenig am Hut haben. Vielmehr verströmen sie jenen gehörigen Bastelclub-Charme, den man von Sonntagnachmittags-Nippon-Action erwarten darf – nicht mehr, nicht weniger.

Die Box steigt chronologisch mit zwei Filmen aus den frühen 60ern von Shuei Matsubayashi ein, einem Mann, der sein Handwerk offenkundig versteht. In PILOTEN DES TEUFELS fackelt er nicht lang und lässt zum Auftakt gleich mal die Modellbauvariante von Pearl Harbor in Grund und Meeresboden jagen. Im Folgenden erzählt der Film die Geschichte des jungen Piloten Kitami, der mitten in seiner eigenen Hochzeitszeremonie abberufen wird, um an der verhängnisvollen Midway-Schlacht teilzunehmen. Kitamis moralischer Konflikt, sich nicht zwischen ultimativer Opferbereitschaft fürs Vaterland und der Liebe zu seiner Frau entscheiden zu können, wird allerdings nur kurz angerissen und macht in der zweiten Filmhälfte pausenlosen, hurrapatriotischen Fluggefechten platz. Eine Spur deutlicher wird die Kamikaze-Thematik in DIE SIEGREICHEN ADLER OKINAWAS akzentuiert: Der Film spielt in der Endphase der Pazifikoffensive, als die japanische Heeresleitung aus purer Verzweiflung immer häufiger auf Selbstmordattacken zurückgriff. Einzig General Senda (Toshiro Mifune) ist diese Taktik ein Dorn im Auge: Selbstmord aus Vaterlandsliebe, sagt er, ist Feigheit und Verantwortungslosigkeit. Statt dessen stellt er aus den drei besten Männern seiner Truppe eine Spezialeinheit zusammen, um zu beweisen, dass fliegerische Könnerschaft allemal länger währt als stumpfer Personalverschleiß. Spoiler: Am Ende sind die Adler siegreich. Natürlich liegt das Hauptaugenmerk auch in diesem Film auf den rasanten, kompetent inszenierten Flugschlachten. Besonders spektakulär geraten die Gefechte zu Land, in denen haarscharf über Baumwipfel gefegt und feindliche Stellungen zerbombt werden, dass das Pappmaché nur so spritzt. Die persönlichen Reibereien zwischen den unterschiedlichen Charakteren des Geschwaders sorgt indes für die nötige Erdung und Auflockerung der Geschichte.

In Kihachi Okamotos STAHLGEWITTER IM PAZIFIK spielt Kamikaze im klassischen Sinne so gut wie keine Rolle (mit Ausnahme einiger authentischer Abschiedsbriefe von Selbstmordpiloten, die von Zeit zu Zeit eingelesen werden). Okamoto, der ein Jahr zuvor den großartigen ZATOICHI VS. YOJIMBO gedreht hatte, setzt bereits 1971 auf eine an die heutige Fernsehmode erinnernde Collage aus nüchtern kommentiertem Dokumentarfilm und anekdotischen Spielszenen, um den langsamen Untergang der Insel Okinawa nachzuzeichnen. Selbige war vom kaiserlichen Oberkommando als Opferlamm auserkoren worden, um den amerikanischen Großangriff aufs Hauptland zu verzögern. Flieger-Action wird man hier abseits von historischem Archivmaterial vergeblich suchen; mit umso größerem Aufwand und einem Gespür für äußerst drastische Momentaufnahmen inszeniert Okamoto hingegen die diversen Boden-Scharmützel. Dabei spiegelt sich der Kamikaze- bzw. Banzai-Ethos in zahlreichen Selbstopferungsszenen, in denen sich die heillos unterbesetzten japanischen Truppen selbst in die Luft jagen, was vom Off-Sprecher mit z.T. befremdlichem Patriotismus kommentiert wird; zum schonungslos dargestellten Kollektivsuizid eines ganzen Dorfes bemerkt er etwa: "Der Mut dieser Männer und Frauen ist mit unseren Maßstäben nicht mehr zu messen."
Das große Problem des Films ist, dass es keinerlei Identifikationsfiguren gibt und die Handlung dadurch in unverbundene Einzelszenen zerfällt, denen ein klassischer Spannungsbogen deutlich abgeht. Zwar lernen wir die Offiziere im Kommandostand der Insel mit der Zeit einigermaßen kennen, doch schafft deren unentwegter strategischer tech talk eher Distanz als Nähe, und der gemeine Feldsoldat geht heillos in den Massenszenen unter. Feindliche Truppen sind ohnehin gesichtslos und nur in Form ihrer Maschinen anwesend. So ist es denn auch nur konsequent, nach jedem Gefecht die Verluste in schnöden Zahlen einzublenden, allerdings besitzt der Film damit auch den emotionalen Impetus einer Statistik und den dramaturgischen Gehalt eines Geschichtsbuchs. Nichtsdestotrotz sucht die technische Expertise und Bildgewalt der dargebotenen Kriegssequenzen im Rahmen dieser Box ihresgleichen.

Der wieder deutlich trashigere JAGDGESCHWADER von 1984 zeichnet eine ermüdend naive, dramaturgisch nur lose zusammenhängende Punkt-für-Punkt-Geschichte des Pazifikkriegs anhand des japanischen Kampfflugzeugtyps Zero nach, von Vorabtests bis zur Bewährung im Kampf, den größten Erfolgen und, schließlich, noch größeren Niederlagen, insbesondere gegen die amerikanische Flying Fortress, die B-17. Zwar stehen hier pro forma zwei menschliche Protagonisten im Mittelpunkt – ein Mechaniker und dessen bester Freund, das Flieger-As der Truppe –, die auch beizeiten für allzu putziges Gemenschel sorgen: Der Mechaniker etwa versteckt seinem Freund Bananen im Cockpit, damit der nach getaner Arbeit was zu mampfen hat; und der Freund revanchiert sich mit Flugkunststückchen, um für den Mechaniker ein Mädchen zu beeindrucken (weil, ist ja klar: natürlich stellt man einem Mädchen immer seine draufgängerischeren Freunde vor, um zu zeigen, was für ein Langweiler man selber ist). Aber solche Momente von Zwischenmenschlichkeit sind gegenüber den doch arg maschinellen Flugszenen auf ein Nötigstes beschränkt. Letztere überzeugen technisch zwar einigermaßen durch eine überraschend unpeinliche Verbindung von Miniatur-Trickszenen und Archivmaterial, sind aber dermaßen inkohärent geschnitten, dass man Mühe hat, dem Kampfverlauf zu folgen; teilweise wirkt das Ganze wie eine willkürliche Aneinanderreihung von Flugzeugteilen in Großaufnahme, angestrengten Gesichtern, Fadenkreuzballerei und Pirouetten, ohne dabei auch nur den Hauch eines Gefühls von Bewegungsfluss und Räumlichkeit zu vermitteln. Und dafür, dass wirklich jeder große Kampf der Zero Beachtung erfährt, ähneln sich die Sequenzen nach einer Weile doch so sehr, dass man sich schnell den finalen Jubel der Amerikaner herbeiwünscht.

DVD.
An der Bildqualität gibt es wenig zu bemängeln, DIE SIEGREICHEN ADLER sticht mit den sattesten Farben qualitativ leicht hervor. Der Ton ist leider nur auf Deutsch und in Mono zu haben, was bei den SIEGREICHEN ADLERN zu einigem Amüsement führt, da sich die Figuren in der Synchro kurioserweise mit amerikanischen Rangbezeichnungen anreden; gar von der japanischen Air Force ist an einer Stelle die Rede.
Nur schwer zu akzeptieren ist allerdings, dass sämtliche Filme in heftig beschnittenen Versionen vorliegen. Auf Grundlage der Laufzeitangaben bei imdb fehlen zwischen 10 und 40 (!) Minuten. Am stärksten betroffen ist STAHLGEWITTER, was besonders schade ist, da der hier hervorgerufene Eindruck episodischer Zerhacktheit in der vollständigen Version sicherlich geglättet abgegeben haben würde.
Abgesehen von ein paar Trailern sind keine Extras vorhanden.








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