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KAPITELWAHL

JERICHO MANSIONS (Großbritannien/Kanada 2003)

von Guido Rohm

Original Titel. JERICHO MANSIONS
Laufzeit in Minuten. 98

Regie. ALBERTO SCIAMMA
Drehbuch. HARRIET SAND . ALBERTO SCIAMMA
Musik. DAN JONES
Kamera. ALASTAIR MEUX
Schnitt. YVES LANGLOIS
Darsteller. JAMES CAAN . GENEVIÈVE BOJOLD . JENNIFER TILLY . MARIBEL VERDÚ u.a.

Review Datum. 2008-10-29
Erscheinungsdatum. 2008-08-27
Vertrieb. MIG/EUROVIDEO

Bildformat. 1.78:1 (anamorph)
Tonformat. DEUTSCH (DD 5.1/DD 2.0) . ENGLISCH (DD 5.1/DD 2.0)
Untertitel. DEUTSCH
Norm. PAL
Regional Code. 2

FILM.
Ich und Mario Tara

Ein Gespräch

Mario Tara dürfte wohl den meisten Filmfreaks ein Begriff sein. In den 70er Jahren sammelte er erste Erfahrungen als Cutter beim heute schon legendären Luigi Fantanella (VETRAU DER ZOMBIEBRAUT). Nur wenige Jahre später bekam er durch den Produzenten Alberto Sento die einmalige Chance, seinen ersten abendfüllenden Spielfilm in die Kinos zu bringen. ZOMBIES FRESSEN NEW YORK wurde mit zahlreichen Preisen bedacht. Nach diesem Erfolg war Mario Taras Karriere nicht mehr zu bremsen. Er brachte pro Jahr etwa vier Filme in die Bahnhofskinos weltweit.

Ich bin mit Mario Tara in einem Nachtclub in einem Außenbezirk von Paris verabredet. Er kommt spät, aber gottlob, er kommt. Wer Mario Tara kennt, weiß, dass das nicht so sein muss. Einen seinen Interviewpartner hat er mal vier Wochen warten lassen. Da ich mir nicht genau sicher war, wann er eintreffen würde, habe ich mir gleich ein paar Drinks mehr bestellt.

Ich: Schön, das du noch gekommen bist.

Mario: Ach, hör mir auf. Ich komme gerade von den Dreharbeiten zu meinem neuen romantischen Sozialdrama FÜR EINE HANDVOLL AUGEN.

Ich: Darüber können wir sicherlich noch später reden. Ich habe dich ja zu dieser Interviewreihe eingeladen, damit wir über diverse Filme reden können. Heute geht es um JERICHO MANSIONS. Hast du dir das Presseexemplar angesehen?

Mario: Hab ich. Hallo Sie, bringen Sie mir bitte auch zehn Wodka.

Ich: Möchtest du vielleicht kurz den Inhalt des Films wiedergeben?

Mario: Hast du eine Zigarette?

Ich: Na, dann mach ich das halt mal. James Caan spielt den Hausmeister Leonard Grey. Er kümmert sich um das Apartmenthaus JERICHO MANSIONS. Er ist mit der Besitzerin Lily Melnick, die von Geneviève Bujold dargestellt wird, verfeindet. Eines Tages wird der Ehemann von Mieterin Donna Cherry ermordet, und Leonard gerät unter Mordverdacht. Habe ich die Story einigermaßen rüber gebracht, ohne zuviel verraten zu haben?

Mario: Hast Du jetzt eine Zigarette? Ja oder nein?

Ich: Hier hast du eine. – Also...

Mario: Der Film war ganz großer Müll. Die Kameraführung zu Beginn, dieses mikroskopische Durchforsten der Leitungssysteme und Zwischenwände war ja ganz in Ordnung. Hat mich aber irgendwie an...

Ich: ...David Fincher erinnert, oder?

Mario: Nein. Hat mich an die Kameraführung meines Films ZOMBIES IN DER SÜDSEE erinnert. Prosit.

Ich: Danke. Wo waren wir. David Fincher. Der Regisseur Alberto Sciamma ist aber auch wirklich ein scheußlicher Epigone. Er klaut völlig talentfrei.

Mario: Sag ich doch.

Ich: Wie fandest du die Umsetzung der Angst, die Leonard Grey vor der Außenwelt hat?

Mario: Jetzt will ich dir mal was sagen, mein Freund, die einzig gute Szene im ganzen Film, die finden wir ganz zu Anfang. Dieser Leonard Grey hockt da im Keller und baut aus Büroklammern eine Brücke nach. Und da fällt ihm eine dieser Klammern runter, immer tiefer, durch eine Ritze im Boden, sie fällt förmlich aus dem Haus heraus, um schließlich im Weltall zu landen. Das war wirklich stark gemacht. Die Szene zeigt uns, es gibt nur dieses Haus für Grey. Das Haus ist sein Planet, sein Universum. Mehr gibt es nicht. Bis auf diese eine Szene kannst du den Film getrost entsorgen.

Ich: Du würdest ihn also nicht empfehlen?

Mario: Ich würde höchstens das nicht vorhandene Bonusmaterial empfehlen. Aus was besteht es? Ach ja, einem Trailer.

Ich: Und was hältst du von den Schauspielern?

Mario: Dieser Caan ist der ewige Nicht-Schauspieler. Er macht also wieder mal alles richtig. Er ist einfach da. Daraus besteht seine Kunst. Er ist eine Art debiler Lakoniker.

Ich: Übertreibst du da nicht ein wenig?

Mario: Nein. Und er war der Höhepunkt des Films. Mehr kann ich zu dem Schrott nicht sagen.

Ich: Im ersten Drittel des Films beschließen die anderen Mieter ja, diesen Grey zu entlassen. Er wäre viel zu teuer. Für Sicherheit würde er auch nicht sorgen. Man könne einfach ein Alarmsystem installieren. Dann wäre allen geholfen. Grey hört das Gespräch mit.
In diesem Moment dachte ich: das ist es. Grey beginnt mit einer Mordserie, um seinen Posten zu sichern. Er wird zum Verbrecher, um seine eigene Position zu stärken, um sie zu halten. Eine symbolische Geschichte über den Staat, der Angst und Gewalt sät, um dann als Retter auftreten zu können. Das wäre doch mal ein Thema gewesen. Leider hatte der Drehbuchautor Alberto Sciamma diese Idee nicht. Er lässt den Film abdriften, um sich dann in einem an den Haaren herbei gezogenen Finale völlig zu verheddern.

Mario: Du solltest unbedingt ein Drehbuch für mich schreiben. Mir schwirrt da schon lange so eine Geschichte im Kopf rum. Da sind diese schreibenden Zombies. Sie haben eine Gruppe gebildet und grunzen sich gegenseitig ihre Gedichte vor. Wer vor den anderen nicht bestehen kann, wird aufgefressen. Wie findest du die Story? Wir könnten ihn GRUPPE ZOMBIE nennen.

Ich: Wir sollten lieber noch was trinken. – Um unser Gespräch mit einem Statement zu beenden: JERICHO MANSIONS ist das ideale Geschenk für ihren ärgsten Feind.

Ich und Mario Tara trinken noch gemütlich weitere zehn Wodka und widmen uns dann der Tanzfläche, die wir nach wenigen Minuten für uns alleine haben.

DVD.
Ein paar Tage nach diesem intellektuellen Schlagabtausch erhalte ich eine Nachricht aus der Redaktion. Wir hätten da ja ziemlich viel "gewöhnungsbedürftigen Unsinn" zusammengeschwafelt, nur zur Qualität der DVD hätten wir nichts gesagt.

Also: Bild, Kontrast und Ton sind gut. Wir sind weder blind, noch mit einem Sehfehler oder taub aus unseren Wohnungen gekrochen.

Das muss reichen. Ich habe immer noch Kopfschmerzen. Dieser verdammte Tara, dieser verfluchte Wodka. Paris kann mir erst mal gestohlen bleiben.








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