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KAPITELWAHL

DER GEHETZTE DER SIERRA MADRE (Italien 1966)

von Goetz Geweke

Original Titel. LA RESA DIE CONTI
Laufzeit in Minuten. 106

Regie. SERGIO SOLLIMA
Drehbuch. SERGIO SOLLIMA . SERGIO DONATI
Musik. ENNIO MORRICONE
Kamera. CARLO CARLINI
Schnitt. ADRIANA NOVELLI
Darsteller. LEE VAN CLEEF . TOMAS MILIAN . WALTER BARNER . GERARD HERTER u.a.

Review Datum. 2008-06-08
Erscheinungsdatum. 2008-04-04
Vertrieb. KOCH MEDIA

Bildformat. 2.35:1 (anamorph)
Tonformat. DEUTSCH (DD 2.0) . ITALIENISCH (DD 2.0)
Untertitel. DEUTSCH . ENGLISCH
Norm. PAL
Regional Code. 2

FILM.
"Schweigende Männer. Sprechende Waffen." - es folgt weiteres, schwer erträgliches Geseiere im prä-WW2 Wochenschau-Stil. Diese Art der Filmwerbung mag in den 60er Jahren des vergangenen Jahrhunderts auf der Höhe der Zeit gewesen sein, sie wirkt jedoch heutzutage lächerlich, bestenfalls nostalgisch und lässt den geneigten Zuschauer hoffen, dass der beworbene Western nicht genauso klischeebeladen daherkommt wie der auf der DVD befindliche deutsche Kino-Trailer. Müssen wir uns also tatsächlich auf strahlende, wenn auch wortkarge Helden, die ihre dafür umso eloquenteren Waffen auf eindimensionale Bösewichter abfeuern, gefasst machen? Auf wackere, voll Rechtschaffenheit strotzende Gesetzeshüter mit blinkendem Stern, die verwahrloste Outlaws ihrer verdienten, schwermetallenen Strafe zuführen? Oder gar auf noch mehr rhetorische Fragen?

Werfen wir einen Blick auf die Handlung: Corbett, ein alternder Ex-Hilfssheriff und passionierter Kopfgeldjäger, gespielt vom legendären Lee van Cleef, lässt den von ihm gestellten Outlaws großzügigerweise die Wahl zwischen Dieter Bohlen oder Oliver Pocher, respektive Strick oder Kugel. Der ölige Magnat Brokston (Walter Barnes) möchte eine Eisenbahnstrecke nach Mexiko bauen lassen und hält es für eine gute Idee, den bekanntlich von Wahlen sehr angetanen Corbett als Senator aufzubauen, damit dieser Brokstons Interessen in Washington vertritt. Da Corbett glaubt, die Bahnstrecke sei ein Segen für das Land, sagt er zu. Vorher ist nur noch eine Kleinigkeit zu erledigen: Ein zwölfjähriges Mädchen ist vergewaltigt und ermordet worden, laut Brokston vom jungen Mexikaner Cuchillo (Thomas Milian), der - richtig - in die Sierra Madre geflüchtet ist. Im Glauben, dass es sich nur um eine Routineangelegenheit handelt, stellt Corbett ihm nach. Aber Cuchillo erweist sich als extrem gerissen und listenreich, so dass er Corbett immer und immer wieder auf stets sehr einfallsreiche Art und Weise entkommt. Schließlich schafft Cuchillo es sogar, nach Mexiko zu entfleuchen, womit er in Sicherheit ist. Na ja, jedenfalls theoretisch. Praktisch verfolgt Corbett dummerweise einen eher globalen Ansatz und schert sich nicht um so limitierende Nichtigkeiten wie Staatsgrenzen. Vielmehr folgt er Cuchillo nach Mexiko, um diesen dort final abstimmen zu lassen. Cuchillo möchte sich aber noch nicht so gern endgültig festlegen, so dass es einige Zeit dauert, bis es schließlich zum Showdown kommt, welcher - so viel sei verraten - großartig ist.

Was diesen Film ganz besonders auszeichnet, ist zunächst die differenzierte Darstellung der Charaktere. Lee van Cleef ist die Rolle des Revolverhelden einmal mehr auf den hageren Leib geschrieben, und er stellt Corbett gerade nicht als untadeligen, todlangweiligen Saubermann dar, sondern als gleichfalls Gehetzten, der seine einzige Erfüllung in der Menschenjagd zu sehen scheint und eigentlich auch nur bei dieser so richtig bei der Sache wirkt. Andere Dinge, wie zum Beispiel Frauen oder Geld, können in Sachen Endorphinausschüttung offenbar nicht mit dem gar kurzweiligen Kopfgeldjägerhandwerk mithalten, so dass Corbett dergleichen bourgeoisen Ballast verächtlich links im Wüstensand liegen bzw. stehen lässt. Aparte Witwe (verzweifelt): "Ich bin jetzt hier ganz allein, Du hast alle meine Männer erschossen und kannst mich doch jetzt nicht einfach so zurücklassen!". Corbett: Reitet schweigend davon, und das nicht gerade langsam (mit dieser Szene hat es übrigens eine besondere Bewandtnis, dazu später mehr). Cuchillo, der von Corbett Gehetzte, ist zwar ein Schlitzohr und nimmt das Gesetz nicht allzu wörtlich, kommt dabei jedoch sympathisch und durchaus charmant rüber. Er kämpft nicht mit dem sprechenden Colt, sondern mit dem stummen Messer - mit dem er im Übrigen meisterlich umzugehen versteht - als Waffe des kleinen Mannes. Auch die Nebenfiguren sind bis ins Detail sehr gut besetzt, schön pittoresk beispielsweise der österreichische Graf von Schulenburg (Gerard Herter) -prächtig anzuschauen mit seinem Kaiser-Wilhelm Bart und seinem speziell angefertigten Revolvergurt - der für Brokston die Drecksarbeit übernimmt. Filme wie dieser haben den Mythos des Spaghetti-Westerns begründet, und der in Spanien gedrehte Streifen kann problemlos mit den Klassikern von Segio Leone und Sergio Corbucci mithalten.

Der Regisseur Sergio (warum überrascht mich der Vorname jetzt nicht?) Sollima hat neben der differenzierten Charakterentwicklung viel Wert auf stimmungsvolle Landschaftsaufnahmen und die musikalische Untermalung gelegt. So hat Sollima für den Score den grandiosen Ennio Morricone gewinnen können, der tatsächlich für jede Szene ein eigenes, sehr stimmiges Motiv komponiert hat. Auf der DVD befindet sich im Übrigen ein längeres Interview mit Sollima, das recht kurzweilig ist, da Sollima etwas vom Pferd erzählt. Letzteres war leider bei einem Take im schwindenden Tageslicht extrem, nun ja, erregt und machte es dem guten Lee van Cleef, der übrigens nach einem schweren Sturz eine pathologische, aber verständliche Abneigung gegen Pferde entwickelt hatte, relativ schwer. Auch mehrere Eimer kalten Wassers, die über den geilen Gaul geschüttet wurden, konnten diesen nicht im erwünschten Maße abkühlen. Wenn man sich diese Szene (es ist die, wo Corbett die Witwe in der Wüste stehen lässt, s.o.) dann später noch einmal anschaut, fällt sofort auf, dass van Cleef nur sehr vorsichtig den erregten Klepper besteigt und dieser dann tatsächlich derwischgleich in den Sonnenuntergang davongaloppiert, als habe er noch ein Date mit Natalie Portman.

Ein Meilenstein des Genres und für Westernfans ein absolutes Muss!

DVD.
Im deutschsprachigen Raum war der Film bis zum Erscheinen dieser DVD nur in einer aus nicht nachvollziehbaren Gründen um etwa 25 Minuten gekürzten Fassung verfügbar. Die geschnittenen Szenen sind nun - im italienischen Original mit deutschen Untertiteln - wieder eingefügt. Bild- und Tonqualität sind in Ordnung, man darf angesichts des betagten Materials allerdings keine Wunder erwarten. An Extras gibt es ein ausführliches Interview mit Sergio Sollima, den deutschen, den italienischen und den US-Original-Trailer und Fotos von den Drehorten (damals und heute).








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