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FILM.
Frannie Avery beobachtet im Keller einer New Yorker Bar durch Zufall einen Fellatio-Akt. Erkennen kann sie nur den Kopf der Frau, die Umrisse des Mannes und ein kleines Tattoo auf seinem Handrücken. Das Bild brennt sich in ihren Kopf und lässt sie nicht mehr los. Am Tag danach wird die zerstückelte Leiche der Frau gefunden. Der ermittelnde Detektiv Malloy ist ein Macho mit Ausstrahlung, Anziehungskraft - und genau dem gleichen Tatoo, das auch der Mann im Keller der Bar hatte. Frannie lässt sich dennoch auf eine leidenschaftliche Affäre mit ihm ein und genießt den Sex und auch die durchaus zärtlichen Seite des rauhen Cops. Doch ein weiterer grausamer Mord geschieht, und sie gerät immer mehr in ein Gefühlschaos. Hin- und hergerissen zwischen Lust und Leidenschaft, Angst und Abscheu droht die Englischprofessorin jegliche Bodenhaftung zu verlieren...
Die vielen Verisse, die den Film in der Kritik ereilten, wundern nach der erstmaligen Sichtung von IN THE CUT kaum. Ein Blow Job in Nahaufnahme, Charaktere, die (Hollywood-unytpisch) alles andere als klar definiert sind und sich einer recht offenen Sprache bedienen; eine Geschichte, die kaum an handelsüblichen Thriller-Elementen interessiert ist und zu allem Überfluss läuft auch noch Publikums-Schatzi Meg Ryan die meiste Zeit mit Tränensäcken und leicht angebeult durch die Story und macht im Alter von flotten 43 Jahren Dinge, die man im fortgeschrittenen Hollywood-Alter vielleicht besser lassen sollte.
Das mit einem solch offenen, zutiefst femininen Film natürlich die Mehrheit der (verklemmten) männlichen Kritiker-Riege auch intellektuell völlig überfordert ist, liegt auf der Hand.
Zu allererst sollte festgehalten werden, dass es sich bei IN THE CUT nicht um einen herkömmlichen Serienkiller-Film, sondern vielmehr um ein sehr feinsinniges Psychogramm, welches von Sehnsüchten und unterdrückter Sexualität erzählt, handelt. So kommt auch der oft kritisierten, aber tatsächlich recht überlegt und durchaus erotisch inszenierten Blow Job-Sequenz eine Schlüsselfunktion zu. Den ab diesem Moment wird sich die längst erstarrte Frannie, die in einem von Campion - dank des Einsatzes von Shift & Tilt Optiken - traumähnlichen, verschwommen gehaltenen New York, ihren Alltag zubringt, ihrer Sehnsüchte bewusst. Und diese manifestieren sich dann kurz darauf in Malloy, der männliche Macho-Allüren an den Tag legt, aber auch eine sinnliche, zerbrechliche Seite zeigen kann. Genau das Bild, was von Frauen auf die Frage, wie ein Mann zu sein hat, oft genannt wird. Malloy unterscheidet sich durch seine direkte, dennoch offen sensible Art auch von den anderen männlichen Charakteren. Sein Dienstpartner Rodriguez verachtet Frauen und trägt anstatt seiner Dienstwaffe, die er auf seine eigene Frau richtete, nur eine Wasserpistole, auch ihr afroamerikanischer Student und ihr Ex-Mann wissen nicht, wie sie mit ihrer männlichen Sexualität umgehen sollen und setzen ihr verwirrtes Gefühlsleben bzw. ihre falsch verstandene Männlichkeit entweder in Aggression oder psychotisches Stalking aus.
Die Thriller-Handlung dient dabei nur als oberflächlicher Rahmen, um das eigentliche Anliegen, eine Formulierung der weiblichen Psyche, auf den Punkt zu bringen und auch -was im grandiosen Schlussbild deutlich wird - noch mal zu festigen, was Frannie (jede Frau?) sich im Leben wünscht.
Meg Ryan hat mit ihrer Rolle ihr Sauber-Image auf äußerst gelungene Weise abgelegt. So wirkt sie einerseits unsicher, verletzlich, aber beweist auch durchaus Stärke und wirklich emanzipierte Erotik. So wirkt auch keine Nacktszene deplaziert oder verklemmt, man bekommt auch nie den Eindruck, dass hier jemand auf Teufel komm raus sich präsentieren will. Nur ab und an trägt Frau Ryan etwas arg dick auf, wird aber dann entweder von Campions geschickter Regie oder von Mark Ruffalo, der sämtliche Facetten seines Charakters hervorragend ausleuchtet, gut aufgefangen. IN THE CUT ist ein gelungen umgesetztes, postfeministisches Postulat, zu dessen Betrachtung man seiner femininen Seite mal freien Lauf lassen sollte.
Es lohnt sich.
DVD.
Irritierend ist das Cover, auf dem ein roter "Vorsicht- Meg Ryan zeigt alles!"- Hinweis prangt, denn so häßlich, daß es eines Warnhinweises bedurfte, ist die Gute jetzt gewiss nicht. Keine Ahnung, was sich die Gestalter da gedacht haben. Die Bildqualität lässt sich dank der optischen Umsetzung recht schwer beurteilen, Verschmutzungen oder Rauschen konnte jedenfalls nicht festgestellt werden. Es befindet sich alles im grünen Bereich. Die Tonspuren klingen durch die Bank gut und klar, wobei gesagt werden muss, dass IN THE CUT eher ein Film der leisen Töne ist, weswegen die Lautsprecher nicht allzu viel zu tun kriegen. An Extras gibt's lediglich den deutschen und den englischen Trailer und ein unkommentiertes, eher nutzloses B-Roll. Einerseits ist das schwach, anderseits ist es aber gerade bei solch einem Film auch mal schön, wenn man nicht im Nachhinein alles lang und breit erklärt bekommt. So bleibt man mit seinen Gedanken zu diesem tollen Film alleine, was auch nicht das Schlechteste ist.
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