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Sieben Essays bilden den textlichen Inhalt dieser Publikation des Filmarchivs Austria. Den Band als reinen "Begleiter" der hübsch gestalteten DVD-Box zu bezeichnen wäre eine Untertreibung. Im Bereich des frühen erotischen Films wird hier die Geschichte der österreichischen Produktionsfirma "Saturn" herangezogen. Michael Achenbach gibt einen zitatenreichen Überblick zum erotischen Film, dessen anfängliche Produktion und Verbreitung mitsamt aller angestandener Problematik, wenn es sich um "graziöse, interessante, picante Damen in reizvollster Decostümierung" handelte.
Der Gründer und Inhaber von "Saturn", Johann Schwarzer (1880-1914), widmete sich als ausgebildeter Fotograf und Chemiker ebenfalls der Herstellung "hochpikanter Herrenabend-Filme", unter denen man sich zunächst nicht allzu wilde Nackigkeiten vorstellen darf, da die bewegten Bilder um 1906 an sich immer noch für Aufregung beim Publikum sorgten. Achenbach sieht den Erfolg von Schwarzer vor allem innerhalb des Zwischenbereichs (und damit der Interpretationsmöglichkeit) von durchaus nackten Tatsachen und sexuellen Situationen, und erläutert vor allem die damalige Vertriebssituation in der damaligen k.k. Monarchie.
Denn die Filme, die vor allem durch ihren Witz und ihre Leichtigkeit heute noch gefallen (und immer noch sexy anzuschauen sind) hatten durchaus ihre Gegner. Polizeidirektion und Frauengruppen befürchteten unter anderem den negativen Einfluss auf den österreichischen Tourismus. Vorzensur und gerichtliche Verfahren gegen derartige "Pariser Abende" schienen an der Tagesordnung. Die angebliche "Frauenfeindlichkeit" war aber schon damals nicht nachzuvollziehen: Die Herren dieser Filme kommen eher etwas dusselig, aber ebenso liebenswürdig des Weges in ihrer Lüsternheit und ihrer Verwirrung gegenüber dem weiblichen Geschlecht. Die nackten Damen bestechen mit ihrer Keckheit und Fröhlichkeit. Da wird hin und wieder ein Blick in die Kamera gezwinkert und der dicke Po oder dralle Busen in selbige geschaukelt. Zarte Träumereien und durchaus wilde Fantasien bilden meist denn auch die Grundlage der netten Rahmenhandlungen. Dies kann aber angemerkt werden, dass Saturn in erster Linie die Erotik der heterosexuellen Welt in witzig-verführerische Szenen setzte.
Nikolaus Wostry, Leiter des Zentralfilmarchivs Laxenburg des Filmarchiv Austria, erläutert denn auch in seinem Textbeitrag die Lage zum erhaltenen Filmmaterial, dass etwa von "heute 54 nachweisbaren Filmen der Saturn-Film nicht weniger als 31 Filmmaterialien erhalten geblieben sind". Originalnegative und Privatsammlungen, Duplikatnegative und Vorführkopien: Der Text widmet sich spannend dem Zwischenbereich von der wissenschaftlichen, technischen Arbeit eines Archivs innerhalb eines fröhlich-frivolen Filmsujets. Stefanie Gratzer schreibt zu den technischen Besonderheiten während der Restauration und Archivierung der Saturn-Filme, kenntnisreich und auch emotional, denn "ein restauriertes Werk ist also immer ein Konstrukt bestimmter Entscheidungen und Annahmen, die sich an das Original herantasten, ihm aber nie absolut entsprechen können". Ein Hauch von Entdeckertum und Abenteurlust schwingt hier mit, die Zuneigung zum puren Material.
Die Nackheit als Humorfaktor: "Wer im Bett lacht, lacht am besten", wird gleich zu Beginn Werner Schneyder zitiert und Günter Krenn zeichnet durchaus humorig die Bemühungen von Saturn um ein "narratives Davor und verlegt die erotische Komponente vorerst etwas ins Subtile, bevor es an das Subtextile geht". Vom Posieren und Entkleiden, von Tanzeinlagen und Stehgreif-Bühnen, Hypnosen und Sklavenmärkten, Krenn gibt kleine amüsante Filmbeschreibungen, denen Dank abgebildeter Kader auch gleich zu folgen ist. Er geht näher auf technische Pannen und Besonderheiten ein, die sich auf der Leinwand wiederfinden, denn es wurde kameratechnisch durchaus tief in die Trickkiste gegriffen, um optische Effekte zu erzeugen. Der Erotik mitsamt künstlerischem Inhalt (was hier Saturn betrifft) auf den Fersen, greift der Text einer Krake gleich in tausend Richtungen, ohne sich auf eine verlassen zu wollen.
Thomas Ballhausen bezieht sich rückblickend mit seiner Definition von Erotikfilmen und Pornografie besonders auf den amerikanischen Markt; von Hugh Hefner ist die Rede, von erfolgreichen Hollywoodfilmen und das Aufgreifen deren Thematik in der Pornoindustrie (etwa die Renaissance des Piratenfilmes) und vom Umgang mit dargestellter Erotik oder auch Handfesterem als "Gebrauchsfilm". Der Text verärgert damit, dass es viel spannendere Beispiele gäbe, etwa die Pornos nach DYNASTY oder MIAMI VICE und resümmiert, dass das "Entweder-Oder" hier fehl am Platze sei. Der Text innerhalb dieser Zusammenstellung im Bezug auf Saturn ist es leider auch.
Zum buchstäblichen "Fingerlecken" ist dann abschliessend eine Auflistung von 52 Filmen der Saturn von Michael Achenbach und Anton Thaller: Reich bebildert erhält hier jeder Film eine akkurate Inhaltsbeschreibung, genaue Angaben zur vorhandenen, restaurierten Kopie und, gegebenenfalls, eine kurze Definition zur Zensur.
Ein spannend-unterhaltsamer Band, dem ich redaktionell nur etwas mehr inhaltliche Abstimmung innerhalb der einzelnen Texte gewünscht hätte. Wer das Buch an einem Nachmittag durchliest mag schnell genervt sein, von den doch zahlreichen Dopplungen.
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