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ZERO DARK THIRTY (USA 2012)

von Benjamin Hahn

Original Titel. ZERO DARK THIRTY
Laufzeit in Minuten. 157

Regie. KATHRYN BIGELOW
Drehbuch. MARK BOAL
Musik. ALEXANDRE DESPLAT
Kamera. GREIG FRASER
Schnitt. WILLIAM GOLDENBERG . DYLAN TICHENOR
Darsteller. JESSICA CHASTAIN . JASON CLARKE . KYLE CHANDLER . MARK STRONG u.a.

Review Datum. 2012-12-25
Kinostart Deutschland. 2013-01-31

Es ist nahezu unmöglich über ZERO DARK THIRTY zu schreiben ohne dabei über die letzte Einstellung zu sprechen. Sie ist der eigentliche Höhepunkt des Films und erst mit ihr findet die emotionale Reise von Protagonistin und Zuschauer ein verstörendes Ende. Denn Regisseurin Kathryn Bigelow ist keineswegs interessiert an einer patriotischen Heldenverklärung von CIA und den letztlich Osama bin Laden tötenden Navy SEALs, sondern sie versucht sich in einer unkonventionellen Weise an der Psychologisierung ihrer Protagonistin und schafft damit ein beklemmendes Meisterwerk.

Maya (Jessica Chastain) ist eine gerade frisch rekrutierte CIA-Agentin, deren erster Auftrag sie in ein geheimes Foltergefängnis der USA führt. Dort unterstützt sie den Agenten Dan (Jason Clarke) bei der "Befragung" eines Gefangenen. Dieser bringt sie auf die Spur eines hochrangingen Al Qaida-Boten, der Kontakt zu Osama bin Laden hat.

Bereits in diesen ersten Minuten offenbart sich der eigentliche Schwerpunkt des Films: Hin- und hergerissen zwischen Abscheu vor der Folter und der Überzeugung, das einzig richtige zu tun, beginnt Maya sich nach und nach im System des Anti-Terrorkampfes zu verlieren. Diese Zerrissenheit ist gleichsam programmatisch für den Film. So übernimmt er zunächst die Abscheu seiner Protagonistin, wenn er mehrfach die grausame Realität der CIA-Verhöre zeigt. Bigelow inszeniert diese Szenen als schonungslose Momente, bei denen die von Greig Fraser geführte Kamera Positionen wählt, in denen die Würde der Gefolterten gewahrt bleibt und die Peiniger vorgeführt werden. Verantwortlich für die illegalen Verhöre sind keine wilden Tiere, wie einer der Gefolterten sagen wird, sondern durchschnittliche Normalos von gegenüber. Ihr Grund zur Folter liegt nicht im Sadismus versteckt, sondern ist alleine der Kraft der eigenen Überzeugung geschuldet, dass man nur auf diese Weise das Leben hunderter anderer Menschen retten kann.

Ohne es wirklich zu benennen, kritisiert der Film diese Haltung, die einem Selbstjustizsystem entspricht, in dem Auge um Auge an der Tagesordnung zu stehen scheint. Es ist den Bildern anzusehen, die Bigelow uns präsentiert und es ist spürbar in jedem Moment, in dem auf Gewalt mit noch mehr Gewalt reagiert wird. Doch diese klare Positionierung des Films löst sich mit zunehmender Laufzeit auf. Bigelows Film ist keineswegs ein inhaltlich stringenter: Zwar folgt er im Wesentlichen der Biografie seiner Protagonistin und der Chronologie zwischen dem 11. September und der Erschießung Osama bin Ladens, die Auswahl der porträtierten Daten in diesen 10 Jahren ist jedoch nicht immer eindeutig handlungslogisch motiviert. Einige kurze Szenen, Zwischentitel und Schnittbilder verleihen dem Film zuweilen einen fast schon essayistischen Charakter. Im Laufe dieses freien Gedankengangs erfolgt die Verbrüderung mit Mayas fast schon pathologischer Besessenheit von der Jagd nach dem Al Qaida-Boten.

Obwohl man Bigelow durchweg für ihren meisterhaften Film loben muss, stellt sich zumindest ab dieser Verbrüderung kurzzeitig ein Gefühl der Unzufriedenheit ein, lässt sie sich doch viel zu oft dazu hinreißen, jedwede Kritik am Verhalten der CIA-Agentin und ihrer Kollegen tendenziell in die Ecke eines unpatriotischen Duckmäusertums zu stellen. Vielleicht ist die Simplizität dieses Teils der Tatsache geschuldet, dass der Film trotz angenehm kurzweiliger 157 Minuten Laufzeit nicht genügend Raum zur Verfügung hat, um diese Annäherung subtiler zu gestalten, vielleicht ist es aber auch nur der Versuch der Regisseurin, ihren Film als kritisch, aber nicht anti-amerikanisch zu markieren.

Doch am Ende verzeiht man Bigelow und ihrem Drehbuchautor Mark Boal diesen Exkurs ins Reaktionäre und begreift ihn sogar als Notwendigkeit für den emotionalen Tritt in die Magengrube, den das Finale bereit hält. Wenn nach zweieinhalb Stunden das Leben des Mannes ein Ende findet, der ein gutes Jahrzehnt lang der Staatsfeind Nummer Eins war, dann hat das in der Welt von Kathryn Bigelow weder etwas heldenhaftes, noch etwas erlösendes. Mögen die Navy SEALs mit ihrer Tat auch noch so sehr dem US-amerikanischen Idealbild eines erfolgreichen Kriegers entsprechen, mag eine junge Frau auch den größten Erfolg ihres Lebens feiern - Bigelow versagt ihnen das Pathos. Am Ende bleibt nichts mehr als Leere. Die Leere nach dem Schuss.











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