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WINTER'S BONE (USA 2010)

von Sebastian Moitzheim

Original Titel. WINTER'S BONE
Laufzeit in Minuten. 100

Regie. DEBRA GRANIK
Drehbuch. DEBRA GRANIK . ANNE ROSELLINI
Musik. DICKON HINCHLIFFE
Kamera. MICHAEL MCDONOUGH
Schnitt. AFFON GONCALVES
Darsteller. DEBRA GRANIK . JOHN HAWKES . DALE DICKEY . GARRET DILLAHUNT u.a.

Review Datum. 2011-02-05
Kinostart Deutschland. 2011-03-31

Es ist ein unkonventionelles Setting, in das Debra Granik den Zuschauer von WINTER'S BONE mitnimmt und eine dichte, wenn auch etwas seltsame Atmosphäre, die sie schafft, authentisch, naturalistisch, aber auch fremdartig, beinahe fantastisch. Der Film nach einem Roman von Daniel Woodrell spielt in den Ozark Mountains in Missouri, einer trostlosen, von Armut geplagten Gegend. Hier lebt die 17jährige Ree Dolly (Jennifer Lawrence), die sich allein um ihre Geschwister und ihre psychisch kranke Mutter kümmert. Nachdem ihr Vater Jessup, ein Crystal Meth-Dealer, nachdem er auf Kaution freigelassen worden war nicht zum angesetzten Gerichtstermin erschienen ist, droht die Familie das Haus inklusive Grundstück zu verlieren, da Jessup es als Sicherheit verpfändet hat. Ree ist fest entschlossen, in den verbleibenden sieben Tagen ihren Vater zu finden und beginnt, bei den anderen Bewohnern der Gemeinde nach Informationen zu suchen.

Die ohnehin recht simple Story erzählt Granik gemächlich, der Plot bietet keine überraschenden Twists, sondern eine kontinuierliche, nachvollziehbare, aber unspektakuläre Entwicklung. Ree arbeitet sich von einem Charakter zum nächsten, stellt Fragen und erhält meistens keine Antwort (und wenn doch, dann die, dass sie sich aus diesen Angelegenheiten heraushalten soll). Doch es sind genau diese Charaktere und Dialoge, die WINTER'S BONE so sehenswert machen. Jessups Bruder Teardrop (John Hawkes) bedroht Ree und weigert sich zunächst ihr zu helfen, der Dealer Thump Milton, der wie Ree bald herausfindet am ehesten über den Verbleib ihres Vaters Bescheid weiß, ist, obwohl ebenfalls entfernt mit ihr verwandt, nicht einmal bereit, sie zu sehen - Ree wird von seiner Haushälterin Merab (Dale Dickey) abgewiesen. In den kompakten, authentischen und hier und da mit feinem Humor durchzogenen Dialogen wird Ree immer klarer, dass die Bewohner ihr wichtige Informationen vorenthalten. Ihre Beziehungen, Geschäfte und das Ausmaß ihrer Kriminalität sind für Ree genauso undurchsichtig wie für den Zuschauer und so wächst mit jedem Charakter, den Ree trifft, das Gefühl von Gefahr, die Möglichkeit der Gewalt. Es ist beeindruckend, wieviel Spannung, wieviel Unwohlsein - im positiven Sinne - WINTER'S BONE erzeugt, während über weite Strecken eigentlich fast nichts passiert.

Neben dem hervorragenden Drehbuch ist das vor allem dem Ensemble zu verdanken. Fast alle Nebenrollen liefen Gefahr, zu Karikaturen zu werden, würden die Darsteller sie mit ihrem trotz breitem Dialekt zurückgenommenen Spiel nicht so perfekt ausfüllen. Doch die wohl größte Stärke des Films ist Hauptdarstellerin Jennifer Lawrence. Ihre Ree Dolly ist stark und zerbrechlich zugleich, sie zeigt wenig Emotionen, doch wenn sie es tut, dann mit nachhaltiger Wirkung. Lawrence macht uns Rees inneren Kampf deutlich, ihre Entschlossenheit, ihren Vater zu finden auf der einen und ihre Verzweiflung angesichts ihrer Nachbarn, die sich ihrer Macht über Rees Schicksal bewusst sind und ihr dennoch jegliche Information verweigern auf der anderen Seite. Sie schafft das ohne Theatralik, ohne over-acting, sondern mit präzisen, wohldosierten Ausbrüchen aus ihrer konzentrierten Entschlossenheit - wenn ihre Willenskraft kurzzeitig schwindet und sie ihre teilnahmslose Mutter um Hilfe anfleht oder am Ende ihrer Suche ihren aufgestauten Emotionen freien Lauf lässt, ist es fast schmerzhaft, dabei zuzusehen.

WINTER'S BONE ist ein ungewöhnlicher Thriller ohne große Überraschungen, der stattdessen mit seiner Atmosphäre und seinen glaubwürdigen Charakteren punktet. Wer sich auf das unbekannte Setting einlässt erlebt einen einzigartigen, fesselnden Film und eine unvergessliche Schauspielleistung der erst 20jährigen Jennifer Lawrence und es ist zu begrüßen, dass diese Independentproduktion dank Oscar-Nominierungen einen verdienten Bonus an Aufmerksamkeit bekommt.











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