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1982, als die unaufgeklärte Mittelschicht noch glaubte alle Rollenspieler wären Satanisten und AD&D eine Anleitung für Schizophrenie, wurde MAZES AND MONSTERS für das amerikanische Fernsehen produziert; ein sehr junger Tom Hanks war am Start und sollte den Kids mit dem Holzhammer enbläuen, warum RPGs per se eine Eintrittskarte in den Wahnsinn sind. Jetzt ist 2010 und Rollenspieler zwar keine Satanisten mehr, haben aber immer noch nicht alle Tassen im Schrank, zumindest die LARP-Fraktion nicht (LARP = Live Action Role Playing). Man kleidet sich in mittelalterliche Tracht, eignet sich einen Wortschatz irgendwo zwischen Shakespeare und CONAN an, und wer mit dem Holzschwert dreimal getroffen wird darf nicht mehr mitspielen. Oder so ähnlich.
THE WILD HUNT hat sich glücklicherweise keinen Bildungsauftrag auferlegt, sondern ist durchweg als Thriller konzipiert und kann nebenbei sogar ein bißchen die Faszination vermitteln, die vom exzessiven LARPen ausgeht. Eric Magnusson, abgeklärter NPC (= non player character) und Held der Geschichte sieht das ganze kritischer und hat kein gutes Gefühl, wenn regelmäßig zwielichtige Männer an seiner Haustür klingeln und seine Freundin Evelyn bei ausufernden Events tagelang dem RL (= real life) entziehen. Entschlossen, Evelyn dauerhaft zurückzugewinnen, stürmt er in schnöden Alltagsklamotten das LARP-Lager, und sammelt seine ersten Erfahrungspunkte - daß er ohne authentische Gewänder und Vokabular auf massiven Widerstand stößt. Evelyn wurde von einem bösen Schamanen entführt und soll die "wilde Jagd" einleiten, ein nächtliches Spektakel, bei dem die Chaos-Fraktion mit Fackeln das Lager der rechtschaffenen Recken stürmt.
Eric beschließt mitzuspielen ... für's erste, bis er seine Freundin wieder auf festem Boden der Realität weiß. Er hat jedoch die Rechnung ohne den fanatischen Schamanen Murtagh gemacht, der seine Rolle tatsächlich als erweiterten Zweig seiner Persönlichkeit sieht und auch, was Evelyn angeht, Besitzansprüche stellt.
Der Film beginnt als unterhaltsamer Clash der Kulturen, treibt den Humor nie über den Rand der Groteske hinweg, sondern zieht seine Gags ausschließlich aus aufeinanderprallenden Welt-Anschauungen: Erics nüchterne No Shit-Mentalität und ein Grüppchen von Verbündeten, die Evelyns Befreiungs-Aktion als aufregendes Abenteuer verstehen. Irgendwann kommt der unvermeindliche Wendepunkt, naive Spielfreude kippt in tödlichen Ernst um, und der Bruch in der Stimmung ist drastisch; weniger mit Werkzeugen eines Schockers vom Kaliber EDEN LAKE denn als dramatische Eskalations-Studie, an deren Höhepunkt Gewalt als einziges legitimes Mittel steht. So ist auch der Ausgang des Spiels mehr Drama als Showdown, setzt allerdings in der letzten Szene eine vordergründig ausgespielte Pointe hinterher, welche die Zugehörigkeit des bis dahin unentschlossenen Thrillers im Genre-Film endgültig besiegelt.
So ist dann THE WILD HUNT auch ein bemerkenswert stimmiges und atmosphärisches Debüt geworden, welches (auf dem Boden gebliebenen) Online-Söldnern aus Azeroth und leidenschaftlichen AD&Dlern genauso zusagen wird wie Leuten, die der Materie eher kopfschüttelnd gegenüberstehen, aber trotzdem einen spannenden Beitrag zum Thema sehen möchten ohne dabei dem Moralapostel den Weg zur Kanzel zu ebnen.
Mit Würfeln und Bleistift wäre das nicht passiert.
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