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Ach Woody, du durchtriebene alte Sau: Irgendwie bewundere ich dich ja. Wie du deinem Nabokov'schen Nymphenfaible im Schutzgewand der Selbstparodie immer schamloser frönst, während Polanski artig Dickens verfilmen muss und trotzdem hinter Gittern schmort – das hat eindeutig Chuzpe, ganz zu schweigen vom enormen Auflaufpotential für uns arme Hunde, die wir hinterher drüber schreiben müssen. Regt man sich auf, hat man den Witz nicht verstanden, hat man den Witz verstanden und findet ihn nur nicht komisch, ist man ein Spielverderber. Der Witz geht so: Grantiger alter paranoider misanthropischer jüdischer New Yorker Intellektueller trifft auf blutjunge kulleräugige dumme naive herzamrechtenflecktragende Dixie-Maus und... verliebt sich in sie? Nein, perfider noch: sie in ihn! Er weist sie barsch zurück, belächelt und beleidigt sie, so kunstvoll sein brillanter Verstand es zulässt. Sie ist von beidem – den Beleidigungen, dem Verstand – ganz hingerissen, bekocht ihn mit Crayfish und Gumbo, guckt nachts mit ihm in Unterwäsche Fred Astaire, da ist das Universum gleich ein bisschen weniger sinnlos, und bald schon klingeln die Hochzeitsglocken. Ohne Scheiß, Woody?, fühlt man sich da bemüßigt zu fragen, und Woody antwortet: Im Gegenteil, mit Scheiß, mit viel Scheiß sogar.
Das Drehbuch zu WHATEVER WORKS ist bereits Mitte der 70er entstanden, auf der Schwelle zwischen juvenil-anarchischen Burlesken (BANANAS, DER SCHLÄFER etc.) und der erzählerischen Reife des STADTNEUROTIKERS. Das pflichtschuldig mit Aktualitätspolitur beriebene Endprodukt ist ein kurioser Bastard aus beidem, aus Allen'schem genus humile und genus grande. Einerseits sind die Figuren eindimensional überzeichnete Verarschvorlagen, nicht unähnlich den Guerillas und Russen und Spermien des Frühwerks, bevölkern aber, andererseits, jenes vertraute, in nostalgische Goldfarben getauchte Manhattan (yes, he's back), das man eher mit den liebevoll verkrachten und v.a. dreidimensionalen Charakteren der Hochphase verbindet. Man kapiert nicht gleich, ob dieses Setting die Figuren nun erden oder doch eher die Figuren das Setting in die Luft jagen sollen, ob man es, anders gesagt, überhaupt noch mit einem Woody-Allen-Film zu tun hat oder schon mit einem "Woody-Allen-Film".
Es ist wohl letzteres der Fall. Das Omen steckt bereits im Nomen des Protagonisten: Boris Yellnikoff, die Karikatur eines kinderfressenden Schreihalses, der an Gott und der Welt kein gutes Haar, auf sein eigenes Genie hingegen nichts kommen lässt. Seine Tiradenthemen sind die üblichen: Holocaust und Hollywood, Religion, Rednecks, Rockmusik, abgeschmeckt mit ein paar jiddischen Flüchen, die von sich aus schon so lustig klingen, dass man sie gar nicht mehr zu verstehen braucht. Ein Film der Marx Brothers, ein Monolog über Marx: das ist das Woody-Prinzip in nuce, genau, wie Yellnikoff die Woody-Figur in extremis ist: noch neurotischer, noch lebensmüder, noch sarkastischer. Für die Rolle ursprünglich vorgesehen war der große Zero Mostel, der zog es dann aber vor, zu sterben. Sein Stand-in mit dreißig Jahren Verspätung ist Larry David, hierzulande eher weniger bekannt aus der famosen HBO-Comedy CURB YOUR ENTHUSIASM, wo er mit Gusto den Choleriker an der Kassenschlange gibt. Die Allianz mit Allen hingegen dämpft bald jeden Enthusiasmus, den man aufgebaut haben mag: Peinlich bemüht wirkt Davids arthritisches Grimassieren und Humpeln, verzweifelt gepresst sein Vortrag, als müsse er sich beim Bellen selber erst den Biss einbläuen, der ungewöhnlich vielen Einzeilern hier abgeht.
Umgekehrt verhält es sich mit seinem weiblichen Widerpart. Es ist schon immer Woodys verflixtes Glück gewesen, Darstellerinnen zu finden, die aus seinen grotesk hirnlosen Frauenfiguren deutlich mehr herausholen, als der Meister in sie hineingesteckt hat. Für die blödeste von allen hat Mira "GELIEBTE APHRODITE" Sorvino damals den Oscar bekommen, und Melodie St. Ann Celestine (noch so ein Omennomen) steht ihrer Schwester im Kleingeiste kaum nach: Sie ist hohl wie ein ungespickter Truthahn, der auf Füllung wartet. Männliche Füllung, wohlgemerkt, die, wenn schon keinen Braten in die Röhre, so zumindest Melodies leere Rübe mit zynischer Weisheit stopfen soll. Tatsächlich aber ist es allein Evan Rachel Woods hingebungsvolle Sonnenscheinperformance, die ihrer Figur zur Emanzipation verhilft. Statt treudoof wirkt sie bauernschlau, herzlich statt unbedarft, und die Nonchalance, mit der sie noch die arschbetontesten Hot Pants zur Schau trägt, schüttelt leichthin den klimbimmelnden Sexklamottenstaub ab, der ihre Rolle beizeiten umwölkt.
Wenn in der zweiten Hälfte Melodies bigott-frömmelnde Eltern (Patricia Clarkson, Ed Begley Jr.) in Manhattan einfallen, dringt der Film endlich in jene absurden Regionen vor, die das Alter bzw. die Jugend des Skripts erahnen lassen. Der liberale Ostküstenzauber vollbringt an den bornierten Südstaatlern das, was eine Episode MTV Made mit tranigen Nerds anstellt, und Yellnikoff, der währenddessen das Feld räumen muss, macht als ätzender Randkommentator ohnehin eine bessere Figur. Zwar beißt sich die schrille Verballhornung selbstgeschaffener Klischees mit der arg betulichen, tempofreien Regie, und auch die finale Kehre zum Versöhnlichen wirkt aufgesetzt. Wie Woody jedoch die Pointe seines größten Witzes – dass man nämlich, um das Klischee des notgeilen alten Sacks zu demontieren, selbiges hinterrücks erst mal großzügig bestätigen muss – ins Ziel führt: dafür muss man ihn beinahe ein wenig bewundern.
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