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WELCOME TO THE RILEYS (Großbritannien 2010)

von Björn Lahrmann

Original Titel. WELCOME TO THE RILEYS
Laufzeit in Minuten. 110

Regie. JAKE SCOTT
Drehbuch. KEN HIXON
Musik. MARC STREITENFELD
Kamera. CHRISTOPHER SOOS
Schnitt. NICOLAS GASTER
Darsteller. KRISTEN STEWART . JAMES GANDOLFINI . MELISSA LEO . LANCE E. NICHOLS u.a.

Review Datum. 2010-03-07
Kinostart Deutschland. nicht bekannt

WELCOME TO THE RILEYS ist HARDCORE für Sozialpädagogen. Anstelle von George C. Scott, der im Pornosumpf nach seiner Tochter fahndet und dabei zur rasenden Wildsau wird, bekommt man es hier mit James Gandolfini zu tun, der seine leibliche Tochter bei einem Unfall verloren hat und ausgleichshalber auf Geschäftsreise in New Orleans eine minderjährige Stripperin (Kristen Stewart) zum Bevätern aufliest. Er zieht bei ihr ein, bringt die ranzige Wohnung auf Vordermann und ihr ein paar anständige Manieren bei, z.B., nicht so oft das F-Wort in den Mund zu nehmen, sonst Mietminderung. Irgendwann kommt noch Gandolfinis agoraphobe Gattin (Melissa Leo) vorbei, hilft dem Mädchen bei diversen weiblichen Unpässlichkeiten, und alle sind geheilt, all right.

Was, fragt man sich, kann bei dieser Besetzung eigentlich schief gehen? Gandolfini, der sich spätestens als Tony Soprano ins Pantheon gespielt hat, trifft auch als gramgebeutelter Kleinbürger in Hochwasserjeans immer den richtigen Ton; Melissa Leo – bekannt als verbissene Kriminalbeamtin im TV-Meilenstein HOMICIDE – behält sogar unter Perücke und Mütterchenkostüm ihre verhärmte Würde; und die nacktärschige Kristen Stewart gibt immerhin so lange ein famoses lost girl ab, bis sie irgendwann nur noch über ihre Geschlechtsteile quatscht. Das Drehbuch indes ist eine monumentale Katastrophe, die alle Schauspielgötter dieser Erde nicht abwenden könnten. Nicht wegen der kuschligen Reformbotschaft – unter der richtigen Führung können auch kleine Nutten selig werden –, nicht wegen der einfältigen Trauermathematik – zieh eine Tochter ab, tu eine Tochter hinzu, Ergebnis: Familie wieder intakt –, nicht wegen der komplett vorhersagbaren Holzschnitt-Dramaturgie.

Nein, es sind die Dialoge, die dem Film das Genick brechen. Zur Erklärung ein winziger Exkurs: In den dramatischen Künsten ist Sprache, jedenfalls idealerweise, ein mehrfacher Leistungsträger. Sie sollte zum Beispiel a) den Plot voranbringen, b) den handelnden Figuren eine je individuelle "Stimme", d.h. Persönlichkeit verleihen, c) emotionale Zustände, Konflikte usw. möglichst subtil transportieren, sowie d) gern auch die Lust am Labern als Selbstzweck vermitteln.
In WELCOME TO THE RILEYS kann man all diese Aspekte bis auf den ersten, funktionalen, komplett vergessen. Die Figuren reden, anders gesagt, nur deshalb miteinander, um die Zeit zwischen zwei Plot Points totzuschlagen. Ihre Kommunikation besteht aus hohlen Phrasen und Basisbegriffen – Dingen, die man nach einer Stunde Fremdsprachenunterricht beherrscht und einem Muttersprachler wahrscheinlich nicht mal per Lobotomie austreiben könnte. "Hi." – "Hi." – "Wie geht es dir?" – "Es geht mir gut." – "Okay. Sollen wir gehen?" – "Ja, lass uns." Weißes Rauschen im Radio ist belangvoller.

Hoch anzurechnen sind allen Darstellern ihre Mühen, sogar aus diesem Material noch etwas herauskitzeln zu wollen – gestisch, mimisch, artikulatorisch. Auch ist Jake Scott (Sohn von Ridley und Neffe von Tony, die den Film gemeinsam produziert haben) ein halbwegs kompetenter Regisseur, der ein paar hübsche Stadtansichten von New Orleans zustande bringt. Nur beim Timing hapert's hier und da noch gewaltig; bis Gandolfini z.B. von der Haustür zum Auto gelatscht, eingestiegen und losgefahren ist, können schon mal zwei, drei Minuten qualvoll ins Land streichen. Andererseits ist man ja gottfroh über jeden Moment, in dem die Figuren mal die Klappe halten dürfen. In gewisser Weise ist an WELCOME TO THE RILEYS ein erträglicher Stummfilm verloren gegangen. Da dem aber nicht so ist: höre und sehe man geflissentlich weg.











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