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THE TOWN THAT DREADED SUNDOWN aus dem Jahr 1976 gehört sicherlich nicht in die erste Liga der Horrorfilme der siebziger Jahre. Das einzig erwähnenswerte an der Produktion ist das frühe Entstehungsjahr. Noch vor HALLOWEEN und den allseits bekannten Nachzüglern wurden hier Motive des Slasherfilms in ersten Ansätzen herausgebildet und als inhaltlicher und inszenatorischer Kontext genutzt. Filmhistorisch gesehen ist der Film somit nicht uninteressant, obwohl die Wurzeln des Slasher-Genres strenggenommen eher im europäischen Raum zu finden sind. Da mittlerweile fast jeder halbwegs relevante Horrorfilm aus den siebziger und achtziger Jahren von der nicht abreißenden Remake-Welle erfasst wurde, ist es nicht sonderlich überraschend das auch THE TOWN THAT DREADED SUNDOWN, der in Deutschland tatsächlich als DER UMLEGER startete, ein Update in Form einer Neuverfilmung bekam.
WARTE, BIS ES DUNKEL WIRD, so der ein wenig unglückliche deutsche Titel, ist dabei kein Remake im eigentlichen Sinne. Regisseur Alfonso Gomez-Rejon legt den Film stattdessen eher als Sequel mit Meta-Ebene an. Das Drehbuch orientiert sich diesbezüglich gleich doppelt am Original. Ausgangspunkt bilden in beiden Filmen die Mordfälle, die sich in einer amerikanischen Kleinstadt in den vierziger Jahren ereignet haben. Während das Original im halbdokumentarischen Stil die Mordserie aufarbeitet, setzt Gomez-Rejon viele Jahre später an. Das Besondere daran ist, das der Regisseur neben den Morden auch den Film selbst in die Geschichte einbaut und zu einem essenziellen Baustein der gesamten Inszenierung macht. Dadurch entsteht eine erfrischend originelle zusätzliche Bedeutungsebene, die sich angenehm unaufdringlich in den Erzählfluss und den Rhythmus der jeweiligen Handlungsstränge einfügt.
Wie so oft spielt sich die gesamte Story in der vermeintlichen Idylle einer verschlafenen Kleinstadt ab. Texarkana hat jedoch eine dunkle Vergangenheit. Vor vielen Jahren wütete hier ein Killer, der bevorzugt junge Pärchen und Teenager ermordete und trotz intensiver Suche nie gefasst wurde. Jahre später gerät die Mordserie fast in Vergessenheit. Lediglich die alljährliche Aufführung eines Horrorfilms, der die Morde nacherzählt, erinnert noch an die schrecklichen Ereignisse. Insbesondere die Jugend der Kleinstadt wird von den Kinovorführungen angelockt. Auch Corey (Spencer Treat Clark) und Jami (Addison Timlin) haben sich dazu entschlossen in einem Drive-In den Film zu schauen und die Bluttaten aus der sicheren Distanz der Leinwand zu begutachten. Nach kurzer Zeit verlassen beide jedoch gemeinsam das Kino um an einem abgelegen Ort ungestört zu sein. Ein fataler Fehler, denn ein maskierter Mann überrascht das Paar und ermordet kurzerhand Corey. Durch Glück kann Jami entkommen und bricht vor dem Publikum des Autokinos zusammen. Als die junge Frau nach einem Krankenhausaufenthalt wieder zu Kräften gekommen ist, beschließt sie dem Mord an ihrem Freund und den damaligen Ereignissen auf den Grund gehen.
Gomez-Rejon, der bereits mit einigen Folgen der Erfolgsserien AMERICAN HORROR STORY und GLEE eindrucksvoll unter Beweis gestellt hat, dass er sein Handwerk versteht, legt mit WARTE, BIS ES DUNKEL WIRD einen packenden Horrorfilm vor, der nicht nur das Original um Längen übertrifft, sondern ebenfalls viele Genre-Kollegen ziemlich blass aussehen lässt. Neben perfekt inszenierten knüppelharten Schocks, glänzt seine Filmversion mit atemberaubenden Kamerafahrten, einer ausgefeilten Spannungsdramaturgie, einem unberechenbaren Skript und tollen schauspielerischen Leistungen.
Darüber hinaus erzählt Gomez-Rejon auch eine klassische Coming-of-Age-Geschichte, die durchaus authentische Einblick in das Kleinstadt-Milieu und die Gefühlswelten seiner Hauptprotagonisten offeriert. Ein Glücksgriff ist in diesem Zusammenhang Addison Timlin (ODD THOMAS). Die Amerikanerin verkörpert ihren Charakter mit einer Mischung aus mädchenhafter Verletzlichkeit und der unbändigen Stärke einer Frau, die bereit ist über sich selbst hinauszuwachsen. Der restliche Cast überzeugt ebenso und verdeutlicht das hohe darstellerische Niveau des Films und die Sorgfalt mit der die Schauspieler ausgewählt wurden.
WARTE, BIS ES DUNKEL WIRD besticht zudem mit einer äußerst stimmigen Atmosphäre. Gomez-Rejon findet sowohl adäquate Bilder für die erdrückende Tristesse einer Kleinstadt und die unbestimmbaren Ängste ihrer Einwohner, als auch für das namenlose Grauen, das sich wie eine dunkle Wolke in das Stadtleben einnistet. Dass der Film verschiedene Klischees und Standartsituationen des Genres spielerisch aufgreift und mit eigenen Ideen versieht kann als weiterer Pluspunkt gewertet werden. Eine Vielzahl von atemberaubenden Szenen, z.B. eine nervenaufreibende Hetzjagd durch ein Maisfeld, bescheren dem Film außerdem zahlreiche Höhepunkte, die aufgrund der hervorragenden formalen Umsetzung nachhaltig beeindrucken.
Lediglich der finale Twist mag nicht so recht zünden und wirkt ein wenig zu bemüht. Nichtsdestotrotz muss man WARTE, BIS ES DUNKEL WIRD in der Gesamtbetrachtung als ein absolutes Highlight des Horror-Kinos der letzten Jahre bezeichnen. Mit seinem Mix aus handfesten Horrorelementen, feinfühliger Coming-of-Age-Geschichte und Kriminaldrama bläst Gomez-Rejon frischen Wind ins Slasher-Genre und beweist damit das in den richtigen Händen Remakes und Neuinterpretationen auch eine Bereicherung für das Publikum sein können.
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