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Der Film endet mit einem Jungen, der in einen herrenlosen SUV klettert. Die Tasche voller Geld auf dem Beifahrersitz interessiert ihn kaum. Er greift sich lieber das Lenkrad und träumt sich in eine schicke Autofahrt.
Der Film beginnt mit einem jungen Mann und seinem neuen Reichtum. Riva kehrt nach 10 Jahren Plackerei im reichen Nachbarland Angola mit einem Lastwagen voller Benzinfässer in seine Heimat, den bettelarmen Kongo, zurück. Das Benzin hat er seinem angolanischen Boss gestohlen.
Riva hinterlässt deutliche Spuren. In einer Stadt mit chronischer Benzinknappheit macht ihn das Benzin zu einem reichen und begehrten Mann. Ohne sonderlichem Interesse an Altersvorsorge oder Anlagestrategien verprasst er sein kleines Vermögen, besucht teure Bars und Nutten und tritt dabei auch noch dem lokalen Gangsterboss Azor auf die Zehen. Dessen Ehefrau, die schöne Nora, umwirbt Riva sogar unverhohlen vor den Augen des Platzhirschen.
César, der bestohlene Gangsterfürst, ein feingliedriger, eleganter Mann, hat sich mit seiner Gang allerdings schon längst an Rivas Fersen geheftet, um sich das Benzin zurückzuholen.
Sich dabei sichtlich unwohl fühlend, voller Verachtung für das rückständige arme Land und seine Bewohner, rekrutiert er eine kongolesische Militär-Kommandantin (lesbisch) und foltert sich durch Kinshasas Halbwelt.
Regisseur Djo Tunda wa Munga, bisher vor allem als Dokumentarfilmer in Erscheinung getreten, hat es sich zum Ziel gesetzt, einen spannenden Unterhaltungsfilm zu machen, der zudem noch die heutige Lebenssituation in Kinshasa, der Hauptstadt eines der ärmsten Länder der Welt, darstellt. Ständige Stromausfälle, Benzinknappheit, Armut, Korruption, Kriminalität sind die alltäglichen Bedingungen, mit denen sich die Menschen hier herumplagen müssen.
Dabei tändelt VIVA RIVA! mit viel Sex und Gewalt geschickt zwischen exploiter und Sozialreport. Ziemlich schlau und mit leisem Witz lässt er die Figuren leiden. Zum Beispiel der angolanische Gangsterfürst, der elegant und sich dabei sichtlich unwohl fühlend durch das schmuddelige Kinshasa gleitet, der allerdings auch trotz seines Reichtums nicht vor Demütigungen gefeit ist. Gerade noch voller Verachtung für Menschen und Verhältnisse findet er sich mit seiner Entourage in einem Polizeiverhau wieder, halbnackt, sich jetzt noch viel, viel unwohler fühlend. Ohne cash geht hier wieder mal gar nichts.
Bzw. ohne das Benzin. Auch Azor, die lokale Größe, an der bisher keiner in Kinshasa vorbei kam, hat es gerade nicht leicht. Er zehrt nur noch von seinem Ruf. Sein eigentlich eindrucksvoller Fuhrpark parkt wegen Spritmangels nur noch die Auffahrt vor der schicken Villa zu, und auch die seltener gewordenen Ausflüge in das pralle Nachtleben gehen nicht mehr so geschmeidig wie gewohnt von statten. Beim Auftritt im schicken Nachtclub, dem er an seinem Tisch wie in einen Thronsaal vorsitzt, wird er einfach mal in das Büro des Clubbesitzer zitiert und wie ein unartiger Schuljunge zur Rede gestellt. Die Zeiten sind hart, Azors Entourage säuft zu viel und der Deckel muss nun mal endlich bezahlt werden.
Und es wird noch schlimmer. Azors Immobilität steigert seine Attraktivität ganz und gar nicht. Als Pantoffelheld hängt er oft vor der Glotze ab und zieht sich schrabbelige Pornos rein, während seine Ehefrau Nora sich ein Stockwerk höher dem so sehr viel potenteren Riva hingibt.
Benzin, das Triebmittel zwischen den Menschen. Eine zwar nicht sonderlich dezente aber sehr eindringliche Metapher für den aktuellen Zustand der zwischenmenschlichen Beziehungen eines immer noch unter den Folgen brutaler Kolonialisierung leidenden Landes. Selbst der Nukleus der Zwischenmenschlichkeit, die Familie, ist total zerrüttet. Das Treffen mit Rivas Eltern, immerhin das erste Wiedersehen nach zehn Jahren, ist geprägt von gegenseitigem Unverständnis und Schweigen. Rivas supermaterialistischer Lebensstil erlaubt einfach keine gemeinsame Sprache. Noch drastischer agiert eigentlich nur noch sein Kompagnon, der seine Frau verlässt, indem er ihr ins Gesicht schreit, wie er sich sein neues Leben vorstellt: im verantwortungslosen,hedonistischen Ausleben der eigenen Primärwünsche, Sportwagen fahren und mit möglichst vielen schönen Frauen schlafen. Ehefrau und Kind als reiner Störfaktor. Eine traurige Szene, die dem Film eine schöne Ambivalenz gibt. Denn, und das darf man nicht vergessen, VIVA RIVA! ist ja nicht zuletzt ein Action-Film, der (bis auf ein krudes Zwischenspiel kurz vor dem Finale) recht furios inszeniert ist. Unterhaltsam und im Subtext deutlich kritisch, da können viele herzlos durchgetakteten Produktionen aus der westlichen Welt nicht mithalten.
Den Blick weg vom Geld nehmen und statt dessen auf die Reise gehen. Eine schöne Botschaft, die es in einer Welt der Wirtschaftlichkeit nicht leicht hat.
Es wäre schön, wenn das Konzept von Regisseur Djo Tunda wa Munga aufgeht, in Afrika eine Filmwirtschaft aufzubauen, die Relevanz hat und gleichzeitig unterhält. Es würde sich vor allem für die Kinobesucher lohnen.
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