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Das Presseheft kündigt VIDEO KINGS als "sympathische Kiez-Kommödie" an, in der zwei "sympathische" Schluffis in einer rotten Videotheke ihr Leben verdaddeln.
Der Kiez ist Berlins Vorzeige-Problembezirk Neukölln, die Schluffis sind der schlecht frisierte Hotte (toll: Wotan Wilke Möhring) und der vorgebliche Filmnerd Flo (blass: Fabian Busch).
Was sonst noch so im Presseheft steht: vor allem alles Sympathische an der Produktion ("independent"), die sympathische Medienpartner (ein Mobilfunkbetreiber, eine Rockistenzeitschrift, ein Selbstdarstellungsinternetportal und viele, viele mehr), die sympathische Aktion, sich als Fan per e-mail in den Abspann eintragen zu lassen, das sympathische Musikprojekt eines Liebessongs zum Film, das sympathische Konzept einer bundesweiten und dann doch gar nicht so geheimen "Secret Show", in der die mehr oder weniger sympathischen Gaststars den Film präsentieren. Also viel Marketingbrimborium und die Auflistung freundlicher (Ärzte-Trommler Bela B. Felsenheimer) bis unangenehmer Prominenz (Ex-Lindenstrassler Til Schweiger) in kleinen Gastrollen. Und eine knappe Inhaltsangabe. Zitat:
"Die Kumpels Flo & Hotte fristen ihr armseliges Dasein in einer mies laufenden Videothek in Berlin-Neukölln. Mit seinen Ballonhosen und dem mit der Axt gezogenen Frontscheitel ("Die schönste Filmfrisur aller Zeiten", MTV-News) setzt Hotte (Wotan Wilke Möhring) auch für eingefleischte Proleten neue Maßstäbe der Geschmacklosigkeit. Sein "King"-Kollege Flo (Fabian Busch), der sympathische Verlierer, hat derweil ganz andere Probleme am Hals. Eines trägt Schlips und heißt Finanzamt, das andere ist brünett, kann verschärft Stöhnen, heißt Ramona (Monica Nancy Wick) und will einfach nicht den ersten Schritt machen. Schöne Scheiße."
Schöne Scheiße, allerdings. VIDEO KINGS, wohl in der Grundidee als CLERKS-Abklatsch gedacht, ist schlimm hingeschludert. Wahrscheinlich stand am Anfang sogar wirklich nur die eine Idee "Hey, lasst uns doch mal einen Film machen!", denn mehr als ein bedrückend klammer Mikrokosmos mit einer Ansammlung sporadisch auftretender Charaktermasken, die wohl skurrile Charakterstudien hätten sein sollen, ist nicht zu sehen. Kein stringenter Plot, keine klugen, charmanten, witzigen Dialoge, kein Anflug von Dramaturgie, einfach nur eine zusammengestoppelte Anhäufung von Nichtigkeiten.
Gerade der lieblose Umgang mit den Figuren ist der tödlichste von vielen, vielen Todesstössen, der den Film schon in den ersten Minuten qualvoll verrecken lässt.
Der Hauptdarsteller Fabian Busch hat keine Chance, seinen Flo als, nun ja, sympathischen Filmfuchs zu geben. Die Filmkennerschaft dieses vorgeblich Filmbesessenen erstreckt sich auf den Minimalkonsenssuperfind-Streifen MEMENTO. Ein zugegebenermassen schnafter Film, aber nun wirklich nicht der Initiationsfilm, als der er hier präsentiert wird. Zumindest als Liebesband zwischen der, nun ja, sympathischen Nachbarin und dem, tja nun, sympathischen Filmnerd wirkt er albern. Wieso übrigens nur VHS-Kassetten die Regalreihen füllen, also ein dermaßen abgehängtes Medium, das man nur noch beim Trödler in der hintersten Ecke findet, lässt sich wahrscheinlich auch nur dadurch erklären, dass ein ganz sicher sehr sympathischer Mitarbeiter noch kistenweise diesen alten Plastikplunder im Keller hatte. Zumal die eben nicht irgendwelche seltenen Perlen vergangener Epochen sein sollen, sondern nur das ganz und gar gewöhnliche Programm jeder verpupsten Kleinstadtvideothek darstellen. Das ist zwar nur ein Detail, aber eben ein Detail von vielen, die alle deutlich an der Glaubwürdigkeit von VIDEO KINGS nagen.
Können die Gaststars noch was reißen? Nein. Die werden schamlos verheizt. Der Auftritt von Bela B. Felsenheimer als Klau-Punk: verschenkt. Der Auftritt von Badesalz: unlustig. Der Aufritt von Til Schweiger als schlecht verkleideter Superheld: eine Frechheit. Der Einzige, der sich souverän aus der Armseligkeit dieses inszenatorischen Fiaskos rausspielt ist Oliver Korittke. Ihn spielen zu sehen macht immer Spaß, selbst bei so einem Trauerspiel. Aber dann ist er wieder weg und das Leiden als Zuschauer geht weiter. Und es zieht sich. Bis zum piefigen Happy End vergehen gefühlte 174 Minuten, gestohlene Lebenszeit, die sich dann de facto doch nur auf 92 Minuten Echtzeit reduzieren, aber eine echte Qual sind.
Warum aber so viele Zeilen über so eine Nichtigkeit von Film? Weil ich mich geärgert habe. Darüber, dass die Marketingmenschen glauben, mit penetrantem Schönjubeln den letzten Scheiss verkaufen zu können. Auch darüber, dass sie glauben, mit dem Label independent bei gleichzeitiger Totalversponsorierung, ewig vielen Funprojekten, Internetseiten, spassigen Aktionen die dämlichste Grütze zu einem "Kult" hochjazzen zu müssen. Also ganz einfach darüber, dass ich und alle anderen potentiellen Kinogeher hier dreist und frech für dumm verkauft werden.
Diesem hysterischen Marktgeschrei zu diesem Schund möchte ich einen ungleich treffenderen und lakonischeren Slogan entgegen setzen. Der ist schon niedergeschrieben und findet sich, schon seit Jahren an einem Haus in Berlin-Kreuzberg: bonjour tristesse.
Von mir dann noch ein au revoir, bzw. besser ein auf nimmer wieder sehen.
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