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Es ist interessant zu sehen, wie UP IN THE AIR in dem derzeitigen amerikanischen Filmpreisnomierungsregen hin und her geschüttelt wird. Viel ist schon über den Film geschrieben worden, selbst ein Oscardurchmarsch wurde bereits angekündigt. Dass aus sechs Golden Globe Nominierungen am Ende nur einer für das beste Drehbuch geworden ist, überrascht mich dennoch nicht.
UP IN THE AIR ist ein kleiner großer Film, den man gern für sich allein entdeckt hätte. Aber auch wenn der Regisseur diese Filmes erst 32 Jahre alt ist mit seinen ersten beiden preisgekrönten Filmen THANK YOU FOR SMOKING und JUNO eher independent-mäßig daher kam, sollte man sich keine Sekunde lang täuschen lassen – UP IN THE AIR ist ein inside job. Im Gegensatz zu der jungen Generation, die Hollywood in den 70er Jahren erneuert hat, gehört Jason Reitman (Vater Ivan Reitman hat hier produziert) zu einer talentierten Clique von Filmemachern, die Hollywood zwar durchaus ein Facelift geben, aber nichts grundlegend Neues bieten.
Handwerklich macht Reitman alles richtig - ein fantastisches Casting in allen Hauptrollen, allen voran George Clooney der als hired gun to fire sehr intelligent das Gefühl vermittelt, er würde sich erstmals auch als Mensch hinter der Maske zeigen, eine überwiegend gelungene Balance von Comedy und Drama und – als Authentizitätssiegel – normale Menschen, die wirklich gefeuert wurden und nun noch mal in die Kamera sagen dürfen, was ihnen in dem Moment der Kündigung nicht auf der Zunge lag. Dazu eine Ästhetik, die ruft: so schön war Fliegen in den 60ern! und eine Handlung, die ökonomisch und konsequent nach vorn erzählt wird.
Aber worum geht es eigentlich in diesem hochgelobten Film? Der Eröffnungssong, Woody Guthries This Land Is Your Land in einer etwas bemüht funky wirkenden Version von Sharon Jones, klingt nach großer politischer Message mit modernem Anstrich und wirkt damit in etwa so, als intoniere Robbie Williams Bob Marleys Exodus zu einem Film über die von Yuppies vertriebenen Einwohner der London Docklands. Irgendwie stimmt der Ton nicht.
Wirklich passend allerdings ist der Hauptdarsteller. Perfekt nahezu. George Clooney ist Ryan Bingham, ein Mann, dessen Job es ist, Menschen zu feuern. Er verbringt 322 Tage im Jahr unterwegs, er hat eine leere Wohnung in Omaha und träumt davon, der 7. Mensch zu sein, der den 10 Millionen Meilen Status bei American Airlines erreicht. Sein Zuhause sind Flughafenlounges, Flugzeuge und Hotelzimmer und er ist sehr glücklich damit, weder verheiratet zu sein, noch enge Bindungen zu haben. Schon in seiner ersten Einstellung ist er perfekt gekleidet und perfekt organisiert. Bestimmt riecht er auch wunderbar.
An einer Hotelbar lernt Bingham eine Frau (sehr erwachsen und erotisch: Vera Farmiga) kennen, die ebenfalls ein leidenschaftlicher Frequent Traveller und mit ihm auf Augenhöhe ist. Das ist schön anzusehen und man bemerkt plötzlich, wie viel Zeit Clooney sonst allein auf der Leinwand verbringt.
Privat hat es den Mann ohne Bindungen also erwischt, und auch beruflich wackelt sein schwereloser Zustand. Die junge überambitionierte Uniabsolventin Natalie Keener (erstaunlich komisch: Anna Kendrick) hat seinen Boss davon überzeugt, Kündigungen kostensenkend übers Internet durchzuführen – damit wären die schönen Reisen passé. Natürlich weiß Natalie noch nicht, wie es in der wirklichen Welt aussieht, also wird sie mit dem Supercrack auf Lehrreise geschickt. Sie – man ahnt es schon – tut sich schwerer mit dem Job, als sie dachte, Clooney erweist sich als empathischer Kündigungsbeauftragter und bald stößt auch seine Geliebte Alex dazu. Gemeinsam müssen sie das junge Küken trösten, als es die Grenzen seines strikt durchgeplanten amerikanischen Traumes erkennt.
Hier wie an anderen Stellen blitzt Kritik an unseren Kommunikationsmitteln und der zunehmenden Kommunikationsarmut auf, dieser Gedanke wird aber nicht weiter verfolgt, genauso wenig wie die eingangs eingeführten Stimmen der Arbeitslosen in einen größeren ökonomischen Kontext gebettet werden. Vielleicht ist das die amerikanische Erzählschwäche schlechthin – das Politische wird fast immer privat.
Auch in diesem Film geht es in den Schoß der Familie – Bingham ist zur Hochzeit seiner jüngeren Schwester in Waupaca, Wisconsin, eingeladen und entschließt sich spontan dazu, Alex mitzunehmen. Seine Familie möchte man zwar nicht geschenkt haben, aber hier zeigt sich ganz klar die Haltung des Regisseurs: das Leben ist wertlos ohne Familie. Der Rest des Filmes scheint vorhersehbar, aber dann kommt doch noch eine große Überraschung.
Es ist immer wieder erstaunlich zu sehen, wie eine Punktlandung in den letzten Minuten aus einem guten Film einen sehr guten machen kann, der noch eine ganze Weile nachklingt. Und genau dieser Coup hat in diesem Fall sicher auch zum Nominierungsregen geführt. Ein bisschen darf man sich auch freuen, dass der amerikanischen Moral Majority aufgrund der letzten Minuten schon wieder der Geifer aus dem Mund läuft. Aber für einen Film des Jahres ist UP IN THE AIR ein bisschen zu schwerelos.
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