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TÖDLICHE VERSPRECHEN (USA/Kanada 2007)

von Sebastian Selig

Original Titel. EASTERN PROMISES
Laufzeit in Minuten. 100

Regie. DAVID CRONENBERG
Drehbuch. STEVE KNIGHT
Musik. HOWARD SHORE
Kamera. PETER SUSCHITZKY
Schnitt. RONALD SANDERS
Darsteller. VIGGO MORTENSEN . NAOMI WATTS . VINCENT CASSEL . ARMIN MUELLER-STAHL u.a.

Review Datum. 2007-11-07
Kinostart Deutschland. 2007-12-27

Der Kopf des Adlers auf Terry Richardsons linker Schulter wird von einem hemathomroten Kranz umrahmt – Knutschfleck-Body-Art, Love-Bite, Abzeichen. Die dunklen Sterne auf deiner Schulter hingegen sind Zeichen deiner Verhärtung. Als sie dir ins Fleisch geschnitten wurden, hast du dafür einen Teil von dir schwarz machen müssen. Dein kalter, harter Körper wurde überschrieben. Gleitet nun durch eine Welt, in der kleinste Gesten über Leben und Tod entscheiden, eine Welt kontrollierter Bewegung im Rausch schaler Macht.

Man kommt in diesem brillanten Stück Körperkino keine zwei Minuten dazu sich zu fragen, was einen Meister wie Cronenberg dazu bewogen haben muss, sich einem so glatten, runden Erzählkino-Stoff anzunehmen. Wo doch die Drehbuchvorlage von Steve DIRTY PRETTY THINGS Knight so leicht hätte zu einem Stück "bester Thrillerunterhaltung" versanden können, hätte man die Schwerpunkte nur einen Tick anders gesetzt. Hätte den Zuschauer brav anhand der von Naomi Watts verkörperten engagierten Hebamme einfach nur einen Blick in die gefährliche Welt russischer Mafiaclans werfen lassen, ein wenig Sozialkitsch hier, ein paar knapp am Klischee vorbeischrammende, böse russische Kerle da. Dazu tolle Spannungsbögen, Figuren, deren Motivation und Entwicklung so sauber ausgearbeitet wurden, dass dir jeder Drehbuchlehrer dafür drei kleine Sternchen in die Seminarunterlagen malt. Natürlich auch ein obligatorischer Twist im dritten Akt, ein Deckel-für-jeden-Topf-Finale – Lehrbuchkino de Luxe.

Ok, niemand der die Qualität eines "gelungenen Kinoabends" an so etwas festmacht wird von EASTERN PROMISES enttäuscht werden. Vielleicht ist dies wirklich sogar der erste Cronenberg-Film, den man zusammen mit seiner Brigitte lesenden Kollegin, die wirklich nett ist, ansehen kann, ohne Angst haben zu müssen, einen leicht verstörenden Eindruck bei ihr zu hinterlassen Auch wenn sie drei, vier mal ein hörbares "Uff!" von sich gibt, er wird ihr gefallen, so wie ihr auch DAS SCHWEIGEN DER LÄMMER damals gefallen hat.

A HISTORY OF VIOLENCE mag vielleicht der größere, weil sehr viel unberechenbarere Film sein, EASTERN PROMISES ist deswegen aber noch lange nicht auch nur eine Minute lang langweilig oder uninteressant. Cronenberg hat den Stoff auf das Nötigste entschlackt. Geht in die Tiefe, ohne theoretisch zu werden. Ist unglaublich präzise im Detail und zwar nicht nur in der Bildgestaltung, die trotz aller formalen Strenge, nie ins Künstliche verfällt, sondern vor allem in der Schauspielerführung, die hier eine Höchstleistung nach der anderen abbrennen lässt. Jemand wie Armin Mueller-Stahl mag eine langweilige Gutmenschenrolle nach der anderen gespielt haben, ohne dabei jemals irgendwie schlecht rübergekommen zu sein, was er aber hier mit seinen Augen macht, hat man so sicher noch nie gesehen. Bewegliche, kalte Baracuda-Dinger sind das. In der Lage die Leinwand in beängstigendes Rot zu tauchen, ohne dafür auch nur den kleinen Finger krumm zu machen.

Selbst Vincent Cassel, auf den ersten Blick beinahe getypecastet, in all seiner selbstzerrstörerischen Exzessivität, gelingt es dafür einen Boden von Hilflosigkeit spürbar werden zu lassen, der echte Anteilnahme aufblühen lässt. Dass Naomi Watts niemals zu unterschätzen ist, wissen wir ja schon seit ihrem fulminanten Debüt in David Lynchs MULHOLLAND DRIVE (Mann, hat sie uns damals mal kurz eben in der Audition-Szene lässig die Kinnlade nach unten fallen lassen!). Hier ist sie nahezu idealbesetzt, rettet sie den Film doch durch ihr zurückgenommenes Spiel davor, zu sehr dem konventionellen tolle-Frau-erlebt-ein-spannendes-Abenteuer-Plot zu folgen. Cronenberg hat durch sie alle Chancen uns etwas über die Jungs zu erzählen und keiner davon hinterlässt einen stärkeren Eindruck als Viggo Mortensen. Mortenson ist hier von so starker Präzenz, selbst sein zu einer halben Tolle nach hinten gegeltes Haar lässt seine überragende Autorität nicht im Entferntesten ins Wanken geraten.

Die "Holy Shit!"-Sauna-Szene, die nicht zu unrecht von vielen bereits mit der Duschszene in Hitchcocks PSYCHO verglichen wird, einmal ganz außen vor gelassen. EASTERN PROMISES hat einige Szenen, die das Zeug dazu haben in die All-Time-Greatest-Liste aufgenommen zu werden - Viggo Mortenson leuchtet in allen von ihnen.











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