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THERE WILL BE BLOOD (USA 2007)

von Hasko Baumann

Original Titel. THERE WILL BE BLOOD
Laufzeit in Minuten. 158

Regie. PAUL THOMAS ANDERSON
Drehbuch. PAUL THOMAS ANDERSON
Musik. JONNY GREENWOOD
Kamera. ROBERT ELSWIT
Schnitt. TATIANA S. RIEGEL . DYLAN TICHENOR
Darsteller. DANIEL DAY-LEWIS . PAUL DANO . KEVIN J. O' CONNOR . CIARÁN HINDS u.a.

Review Datum. 2007-10-17
Kinostart Deutschland. 2008-02-14

Der letzte Abend beim Fantastic Fest in Austin: Ein voll besetzter Kinosaal harrt gespannt der Ankündigung des Abschlußfilms, der bis kurz vor Beginn der Vorführung erfolgreich geheimgehalten wurde. Als Festivalleiter Tim League den Regisseur Paul Thomas Anderson begrüßt, ist der Jubel groß. Zum einen, weil Anderson mit seinem vermeintlich anspruchsvollen Kunsthandwerkfilmen bisher sowohl das Arthouse-Publikum wie auch die Filmnerds anzusprechen verstand, zum anderen aber wohl auch, weil die zwei Tage zuvor abgehaltene Überraschungspremiere von SOUTHLAND TALES katastrophal verlief: Ausgerechnet Richard Kelly, härtester Konkurrent Andersons um den amerikanischen Kopfkitschkino-Thron, trieb mit seinem verunglückten Epos die Leute in Scharen aus dem Saal. Nun liegt es an Anderson und seinem neuen Film. THERE WILL BE BLOOD.

Man muß Anderson zugute halten, daß man von Anfang an seine Erwartungen und Vorurteile zurückzustellen hat. Die ersten zehn Minuten seines Films kommen ohne Dialog aus. Wir sehen Daniel Day-Lewis zu, wie er um die Jahrhundertwende nach Silber sucht und Öl findet. Die laute, dräuende, sensationelle Filmmusik von Radioheads Jonny Greenwood veranstaltet ein grandioses Getöse, eine Kakophonie der Angst, die so gar nicht zu den Bildern passen will, ihnen aber eine eigentümliche Grandezza verleiht. Nach einer Weile wähnte ich mich im Prolog von 2001. Allein dieser gewaltige Beginn reicht aus, um THERE WILL BE BLOOD ein ständiges Gefühl der Verunsicherung zu verleihen. Dies ist kein Horrorfilm. Aber er fühlt sich an wie einer. Er hat sogar ein Monster.

Andersons Monstrum ist Daniel Day-Lewis. Als machtgieriger Geschäftsmann Daniel Plainview, der sein Vermögen und seinen Einfluß in den Anfängen des Ölgeschäfts immer weiter zu mehren versteht, fackelt der Schauspieler ein Feuerwerk der großen Szenen auf dem Weg zur Oscar-Verleihung ab. Day-Lewis, der häufig dazu neigt, seine Figuren mit dem dicken Pinsel zu zeichnen, hat auch hier manchmal etwas zu viel Spaß mit seiner Rolle und bekommt von Anderson einige potenzielle Oscar-Clips auf den Leib geschrieben. Aber diese Art Mensch, wie sie hier, in dieser epischen Charakterstudie porträtiert wird, bevölkert nicht nur die Romanvorlage von Uptown Sinclair, sie bevölkert auch Texas. Heute noch. Im Schlußmonolog, der vermutlich als "Milkshake-Gleichnis" in die Filmgeschichte eingehen wird, zeigt sich aber auch, daß sich Anderson und Day-Lewis etwas zu heftig in ihr Monster verliebt haben.

Man kann die Breite dieses Films genießen, sich mit Day-Lewis freuen, sich immer wieder an Greenwoods unfaßbarem Horrorscore laben; aber wenn man diese Vorzüge in den Hintergrund treten läßt (und das wird bei der immensen Laufzeit irgendwann passieren), muß man sich fragen, worum es Anderson eigentlich geht. There will be blood... but there will be no plot. Sicher, Plainviews Rolle als alleinerziehender Vater eines kleinen Jungen, den er als seinen Partner zu jedem Geschäft mitbringt, scheint das Herz des Films zu sein; sein Kleinkrieg mit dem fanatischen Prediger Eli Sunday (Paul Dano) birgt Konflikte und Witz, und das Auftauchen eines verschollenen Bruders, der den Einzelgänger Plainview als Sozialwesen herausfordert, gibt Rätsel auf. Aber das sind alles nur Episoden in einem schwer ächzenden, mitunter träge vorbeiziehenden Drama, das auf eine fast schon obszön leichtgewichtige Moral hinausläuft: Geld und Macht machen nicht glücklich, und böse Menschen haben keine Lieder. THERE WILL BE BLOOD ist kein schlechter Film; er ist Andersons bester Film seit BOOGIE NIGHTS, und er streckt seine Finger mit ehrlicher Leidenschaft nach wahrer Größe aus. Aber er kann sie nicht erreichen, weil er auf tönernen Füßen steht: Seine Schönheit ist hohl.











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