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TERRITORIES (Kanada/Frankreich 2010)

von Benjamin Hahn

Original Titel. TERRITORIES
Laufzeit in Minuten. 92

Regie. OLIVIER ABBOU
Drehbuch. OLIVIER ABBOU . THIBAULT LANG WILLAR
Musik. CLEMENT TERY
Kamera. KARIM HUSSAIN
Schnitt. DOUGLAS BUCK
Darsteller. ROC LAFORTUNE . SEAN DEVINE . NICOLE LEROUX . TIM ROZON u.a.

Review Datum. 2011-11-17
Kinostart Deutschland. direct-to-video

Dass der Horrorfilm mitunter auch ein sehr politisches Genre sein kann, das vergisst man gerne mal. Doch der im Elsass geborene Regisseur Olivier Abbou versucht nun mit seinem Spielfilm-Debüt uns daran zu erinnern, dass man in der Tat eine politische Haltung mit den Elementen des Horrorfilms erzählen kann. In seinem Film TERRITORIES geht es nämlich um eine Gruppe junger Menschen (soweit das übliche Horrorfilmklischee), die bei ihrer nächtlichen Rückreise in die USA von Grenzpolizisten angehalten, entführt und gefoltert werden. Mag das zunächst noch nach den Ingredienzien eines etwas originelleren torture porns klingen, so wird schnell klar, dass hier noch eine politische Dimension mitspielt: Nicht nur trägt eines der Opfer einen arabischen Namen, die Opfer, in typischer US-Gefängniskleidung gehüllt, werden in Käfigen gehalten, die nur wenig kleiner sind als ihre Vorbilder in Guantanamo.

Dass später nach dem Vorbild Abu Ghuraib gefoltert wird, und das in den Verhören der Opfer die Islamphobie, die Angst vor dem Fremden und die Paranoia der Terrorbedrohung den Ton des Films prägen, ist da bloß folgerichtig. Allein, es gelingt Regisseur Abbou relativ wenig daraus zu machen: Neben genretypischen Wendungen verlässt sich der Film zu sehr darauf, die Entführer als entrückte Kriegsheimkehrer darzustellen - die wahren Mechanismen der Paranoia hinterfragt der Film genauso wenig wie die psychologische Veränderung, die in einem Menschen vorgehen muss, damit er einen anderen foltern kann. Dafür, dass er ständig auf Guantanamo und die systematische Folter der Amerikaner verweist und sich damit einen Anspruch unterstellt, ist ein solches Referenzkonstrukt ohne tiefergehende Analyse eben doch zu wenig.

In dieser Hinsicht ist TERRITORIES wahrlich eine mixed bag, denn während er an besagten Stellen Antworten schuldig bleibt, ist er an anderen durchaus recht stark, wie z.B. in der Darstellung der Beziehung der beiden Entführer untereinander, die so geschickt in der Schwebe gehalten wird, dass sie mehrere plausible Deutungsmöglichkeiten zulässt. Ebenfalls positiv hervorzuheben ist der Umgang des Films mit der Banalität der Folter, die in einer kurzen Einstellung eindrucksvoll dargestellt wird und seine Fähigkeit, dem Zuschauer ohne besonders explizite Einstellungen ein Gefühl für den Terror der Folter zu vermitteln. Im negativen Sinne irritiert dürfte man jedoch von der konstruierten Dramaturgie zeigen, die einerseits wieder einmal Klischeecharaktere Klischeehandlungen verrichten lässt und andererseits einzelne Wendungen merkwürdig gezwungen wirken lässt - eine Überarbeitung des Drehbuchs mit Blick auf etwas mehr "Geschmeidigkeit", vor allem im Bereich der Dialoge, hätte dem Film durchaus gut getan. Dies gilt im Besonderen für den dritten Akt des Films, denn er verlagert seinen Fokus nach etwa einer Stunde und rückt nun nicht mehr die Entführten, sondern einen Ermittler auf der Suche nach den verschwundenen Jugendlichen ins Zentrum seiner Aufmerksamkeit.

Was möglicherweise ein nicht ganz uninteressanter, dramaturgischer Kniff ist, fühlt sich nach dem sehr konstruierten Versuch an, den Film auf eine gewisse Länge zu bringen und ihn dabei nicht in das genreübliche Flucht/Überlebenskampf-Szenario schlittern zu lassen. Man möge das nicht falsch verstehen: Es ist immer lobenswert, wenn Regisseure und Drehbuchautoren alles versuchen, um nicht die ausgetrampelten Story-Pfade bemühen zu müssen, nur kommt das hier so unvorbereitet und dazu noch an einer Stelle, an der sich die Dramaturgie in eine Sackgasse manövriert hat, aus der es eben im klassischen Genrevertreter nur noch den konventionellen Ausweg gibt, dass dieser Blickwechsel wie ein deus ex machina für die Dramaturgie selbst und damit nicht mehr originell, sondern bemüht wirkt. Man könnte das noch verschmerzen, würde der Film ab hier geradlinig die Rettung der Entführten erzählen. Regisseur Abbou jedoch verliert sich zusehends im immer mehr wollen und nichts richtig auf die Reihe kriegen, was schließlich in einem Drogentraum und einer fast surrealen Wanderung durch den Wald zu einer Musik irgendwo zwischen David Lynch und L.A. NOIRE kulminiert.

So bleibt dann am Ende festzustellen, dass TERRITORIES bis zur Marke von etwa einer Stunde ein durchaus sehenswerter Film ist, der dann jedoch plötzlich den Ton ändert, sich abkehrt von der recht spannenden und guten Inszenierung der Folter und stattdessen ohne Vorwarnung so richtig blöde arty farty wird. Ein Film, der unglaublich viel will und das offenbar ohne dabei genau zu wissen, was er eigentlich will; ein Film, der massiv am eigenen Anspruch scheitert und damit deutlich hinter dem zurückbleibt, was ein politisch motivierter Horrorfilm hätte sagen können. Next please, aber ganz schnell!

TERRITORIES ist seit dem 07.10.2011 von Universum Film auf DVD und Blu-ray erhältlich!











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