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STAR WARS EPISODE VII - DAS ERWACHEN DER MACHT (USA 2015)

von Andreas Günther

Original Titel. STAR WARS EPISODE VII - THE FORCE AWAKENS
Laufzeit in Minuten. 135

Regie. J.J. ABRAMS
Drehbuch. LAWRENCE KASDAN . J.J. ABRAMS . MICHAEL ARNDT
Musik. JOHN WILLIAMS
Kamera. DANIEL MINDEL
Schnitt. MARYANN BRANDON . MARY JO MARKEY
Darsteller. DAISY RIDLEY . MARK HAMILL . CARRIE FISHER . HARRISON FORD u.a.

Review Datum. 2015-12-16
Kinostart Deutschland. 2015-12-17

Merkwürdig war das schon, gemessen an dem Marketing-Tamtam. Bereit, in den Weltraum einzutauchen, müssen die Hamburger Journalisten erstmal zwei Trailer über sich ergehen lassen. Der erste widmet sich einer neuen Dschungelbuch-Verfilmung aus dem Hause Disney, der andere einem neuen Marvel-Superhelden-Spektakel. Beide Streifen sollen im Frühjahr in die Kinos kommen. Lässt sich deutlicher zu verstehen geben, dass STAR WARS EPISODE VII - DAS ERWACHEN DER MACHT zwar als Film des Jahres gebrandet wird, aber doch nur einer von vielen lukrativen Blockbustern darstellt und diesen, wenn die Zeit gekommen ist, Platz zu machen hat? Die nachfolgenden zweieinviertel Stunden widerlegten diese Vermutung nicht unbedingt.

Bevor die Macht erwacht, die das Gute will, herrscht erst einmal wieder - wie könnte es anders sein - das Imperium des Bösen. Rebellen-Pilot Poe Dameron (Oscar Isaacs) erhält von dem Weisen Lor San Tekka (Max von Sydow) eine wichtige Information. Als Truppen des Imperiums auftauchen, versteckt er das, was wie ein USB-Stick aussieht, in dem sich kullernd bewegenden Droiden BB-8. Dameron wird gefasst, aber er hat Glück: Finn (John Boyega), ein ehemaliger Arbeiter für sanitäre Anlagen, der nicht als Stormtropper für das Imperium töten will, befreit Dameron. Doch der Raumgleiter, mit dem sie fliehen, wird von den Imperiumstruppen über einem Wüstenplaneten abgeschossen.

Dort hält sich die einsame junge Frau Rey (Daisey Ridley) mit geleentlichen Schrottverkäufen über Wasser und wird hin und wieder von Visionen eines Kindheitstraumas heimgesucht. Ausgerechnet sie bewahrt den kleinen Droiden BB-8 davor, teilchenweise ausgeschlachtet zu werden, und trifft auch noch auf den allein durch das heiße Dünenmeer wandernden Finn. Sie hält ihn für einen Rebellen unter der Führung von General - früher einmal Prinzessin - Lea (Carrie Fisher). Nicht zuletzt aus Zuneigung zu Rey nimmt Finn diese Rolle an, ohne zu ahnen, worauf er sich damit einlässt.

Denn um Rey und Finn habhaft zu werden und in Ruhe ganze Planeten und überhaupt die Ideee der Freiheit auszuradieren, lässt Imperiums-Kommandant Kylo Ren (Adam Driver), der den Atemmasken-Look von Darth Vader eher im Art Deko- als im Wehrmachts-Stil trägt, alles in grellgelben Explosionen aufgehen, was ihm im Weg ist. Außerdem erweisen sich Han Solo (Harrison Ford) und sein haariger Copilot Chebacca (Peter Mayhew), in deren Raumschiff sich Rey und Finn wiederfinden, als äußerst gewöhnungsbedürftig.

Zumindest der Anfang gemahnt doch sehr an den ersten, Verzeihung, den vierten Teil des Zyklus, STAR WARS (1977). Rey tritt an die Stelle von Luke Skywalker. Wie damals R2D2, der eine Botschaft von Prinzession Lea entheilt, so fällt nun Rey der sehr ähnliche Droid BB-8 in die Hände, der ebenfalls ein Geheimnis birgt. Doch nicht nur seine Drehbuchcoautoren Lawrence Kasdan und Michael Arndt suchen die Nähe zum Ursprung der Saga, sondern auch Regisseur J.J. Abrams mit Panorama-Bildern, etwa von einem der artifizielle Schießkamele, die in DAS IMPERIUM SCHLÄGT ZURÜCK (1979) zu Fall gebracht wurden. Im Huf eines solchen Kolosses hat sich Rey häuslich eingerichtet. Ein schöner Einfall, um auszudrücken, wie weit die Teilhabe an einem großen Ganzen in der Ahnungslosigkeit dahindämmern kann. An diese Stelle Erwachen zu setzen, wie der Titel verheißt, vermag Abrams kaum zu gelingen. Seine Bekundung, er habe den Lucasschen Zauber nicht erwecken können, war alles andere als fishing for compliments.

Das große Ganze will sich partout nicht manifestieren. Es hat zunächst Charme, dass neben Rey nicht der schon sehr bekannte Oscar Isaacs als Fliegerass die Führung übernimmt, sondern John Boyega als Finn - kein strahlender Held, sondern einer wider Willen, wie einem Schelmenroman entsprungen. Wie neben ihm ein Imperiumssoldat fällt und den Abdruck seiner blutigen Hand auf seinem Helm hinterlässt, bleibt lange haften. Doch mythisches Potenzial entwickeln weder Finn noch Rey. Dass sie mit mentalen Kräften eine ganze Menge bewegen kann, wird eher schludrig entfaltet. So sind die beiden für ein bisschen Feminismus und Pazifismus gut - und Antirassimus. Finn ist schwarz und kommt einer weißen Frau näher als andere seiner Hautfarbe in Hollywood-Streifen. Zielgruppen-Abfischen ist das, meist aber ein bisschen ungelenk. Gleichsam modular ist das Drehbuch danach aufgebaut, für jeden ein bisschen was zu bieten.

Für die Kampfbegeierten sind Oscar Isaacs Flieger da, die sich in befleckten Helmen mit zitronenfarbenen Schutzbrillen an den Abschüssen ihrer Feinde euphorisieren. Harrison Ford und Carrie Fisher finden sich eher in der Arbeitsgruppe 'Nostalgie' wieder. Während Fischer mit begütigender Miene eine Angela Merkel des Weltraums mimt, ist Ford wie in vielen seiner letzten Rollen das Unbehagen über das eigene Alter anzumerken. Es scheint umso größer zu werden, je länger er sich im Bild weiß. Dass sein schiefes Grinsen nicht einfach in den unmöglichsten Momenten aufblitzt wie früher, sondern sich zu einer Kerbe im Gesicht verfestigt hat, vermittelt, dass nicht nur die Phantasie, sondern auch die Kraft des Darstellers mangelt, um die Figur des Han Solo weiterzuerzählen. Überhaupt das Erzählen: Es beschränkt sich darauf, komische oder sentimentale Momente durch das Auftauchen der schießwütigen Imperiumstruppen zu unterbrechen.

Was hatten die alten Filme im Vergleich für Handlungsbögen! Zögernd, zweifelnd, staunend tastete sich Luke Skywalker an seine Auserwähltheit heran. Nur weil Bedrängnis und Untergang den Rebellen in STAR WARS so geduldig schwarz ausgemalt waren, begleitet jedes Publikum die Rettung ausgerechnet durch den unsteten Han Solo mit tief empfundenem Jubel. Oder DAS IMPERIUM SCHLÄGT ZURÜCK: Fast einen ganzen Film lang tolerierten die Zuschauer, dass ihre Helden auf der Verliererstraße waren. Oder DIE RÜCKKEHR DER JEDI-RITTER (1983): Luke Skywalkers umständliche Unterweisung als Jedi langweilt kein bisschen, weil sein Lehrer der charismatische Yoda ist, dessen abgespreizten Zipfelohren Kult wurden.

Drollige und kauzige Weltraumgeschöpfe gibt es in STAR WARS EPISODE VII - DAS ERWACHEN DER MACHT durchaus, aber niemand wird sich an sie erinnern. Charaktere sind rudimentär vorhanden, springen aber sozusagen im Gemetzel über die Klinge: Pazifist Finn findet Ballern bald herrlich. Für Magie fehlen Glaube und Geduld. Die beschworene Nähe zu den um etwa 30 Jahre vorausliegenden Abenteuern lässt den neuen Film kaum glänzen. Er stammt erkennbar nicht von Leuten, die, wie über George Lucas kolportiert wird, sich monatelang einschlossen, mit niemandem redeten, Armeen von Bleistiften und andere Schreibutensilien zuschanden arbeiteten, Mythologien wälzten und sich im Ringen um Kreativität alle Nägel abbissen.

Den neuen Film braucht vielleicht auch niemand zur Selbstvergewisserung, wie einst STAR WARS die vor den ersten Computerspielen hockenden, alleingelassenen Knaben, die in Darth Vader den abwesenden Vater verteufeln durften. Die küchenschabenhaften Rebellenraumschiffe fliegen weiter durch enge Spalten, von grellen Geschossen umspült, aber in der Endlossschleife eines verblassten Reizes. STAR WARS EPISODE VII - DAS ERWACHEN DER MACHT ist nur ein weiterer Blockbuster. Nicht mehr, aber auch nicht weniger.











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