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RUBBER (Frankreich 2010)

von Björn Lahrmann

Original Titel. RUBBER
Laufzeit in Minuten. 84

Regie. QUENTIN DUPIEUX
Drehbuch. QUENTIN DUPIEUX
Musik. MR. OIZO . GASPARD AUGÉ
Kamera. QUENTIN DUPIEUX
Schnitt. QUENTIN DUPIEUX
Darsteller. STEPHEN SPINELLA . ROXANE MESQUIDA . WINGS HAUSER . DEVIN BROCHU u.a.

Review Datum. 2010-08-30
Kinostart Deutschland. nicht bekannt

Ideen sind wie Hits: Einer reicht nicht, um eine Karriere drauf zu bauen. Quentin Dupieux kann einen Beat davon trommeln, einen "Flat Beat", um genau zu sein. So hieß der weltweit einzige Chartknüller, den er anno 1999 unter dem Pseudonym Mr. Oizo zu verbuchen hatte. Seither hat er sich, weil man auf einem nicht stehen kann, ein zweites Standbein als Filmemacher zugelegt. RUBBER ist seine dritte Regiearbeit, sie handelt, rundheraus gesagt, von einem psychokinetisch begabten Autoreifen. Das ist, würde ich mal behaupten, eine Idee. Eine zweite, die die erste gewissermaßen ins Rollen bringt, ist ein Meta-Gag und der geht so: Auf einem Plateau in der Wüste steht eine Gruppe Menschen mit Ferngläsern und beobachtet, wie der Reifen sich aus dem Sand erhebt und, perpetuum automobile, in Bewegung setzt. Die Schaulustigen bilden gewissermaßen das körperlich am Set anwesende Kinopublikum, die Geschichte wird extra für sie inszeniert von einem Regisseur (Stephen Spinella), der, als Polizist verkleidet, auch in der Handlung mitmischt.

Also: metonymisch geschrumpfte Persiflage auf Vehikelhorror à la Stephen King einerseits, rezeptionsästhetische Spielerei andererseits. Vom Regisseur bekommen die Zuschauer eingetrichtert, dass jedem großen Film ein fundamentales Element der Sinnlosigkeit innewohne. "In the Steven Spielberg movie E.T., why is the alien brown? No reason!" Muss man sich also nicht wundern, wenn der Reifen plötzlich mit energetisch flatterndem Gummimantel Kleintiere in die Luft sprengt. Oder vielmehr: soll man nicht. Dem Publikum aber ist der Sinn mit plumper Abschwörung allein nicht auszutreiben, von Minute eins an wird vermenschlicht und verniedlicht, was das Zeug hält. Torkelnd lernt der Reifen rollen, erkundet in quietschvergnügtem Slalom seine Umgebung, nippt mit vorsichtiger Neigung an Wasserpfützen und genießt das Knacken einer überfahrenen Plastikflasche. Sein Rund ist ein Kopf, ein Auge das Loch, Gesichtszüge das Profil. Viel anders hat DIE LUSTIGE WELT DER TIERE auch nicht funktioniert. Zum Manne schließlich reift der Reifen, als er eine Frau beim Duschen bespitzelt und es sich hinterher vorm Fernseher gemütlich macht. "Ich fange langsam an, mich mit ihm zu identifizieren", verkündet ein Betrachter.

Einen wahrhaft sinnlosen Film zu drehen ist so lange ein Ding der Unmöglichkeit, wie auch nur ein einziger Zuschauer gewillt ist, sich den ostentativen Nonsens mit Gewalt zurecht zu biegen. Im Grunde also, was Roland Barthes mit dem Tod des Autors meinte, nur halt als Splatterkomödie mit reihenweise platzenden Köpfen. (Die ist, im Übrigen, eine Zeitlang ganz charmant anzusehen, irgendwann wird einem das Lächeln dann zäh, der Reifen nutzt sich auf halber Strecke ab, ein Kurzfilm hätte es auch getan, aber sowas kann man sich ja vorher denken.) Derweil heckt der Regisseur aus, was man nur als programmatische Gegenreaktion auf den Verlust der eigenen Deutungshoheit bezeichnen kann: Wiedergeburt des Autors im Tod des Zuschauers. Kein Problem, das Publikum frisst buchstäblich alles, was es vorgesetzt bekommt, Arsen und Spitzenhäubchen inklusive. Im rastlos rollenden, von jeder Karosserie unbehelligten Reifen versinnbildlicht sich somit der Künstlerrebell, der mit seiner Kunst allein gelassen werden will. Tun wir ihm den Gefallen: RUBBER ergibt von vorn bis hinten absolut und überhaupt nicht das geringste bisschen Sinn. Gute Idee, eigentlich.











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