|
In Zeiten, in denen Super- und Batman wieder von Neuem beginnen oder Bond es nicht juckt, ob sein Martini geschüttelt oder gerührt ist, mag eine Fortsetzung wie ROCKY BALBOA überraschen. Gewiss, es ist nicht mehr der gewohnte kontinuierliche Übergang inklusive Zusammenschnitt der Kampfhöhepunkte des letzten Teils. Hätte bei dem langen Zeitabstand keinen Sinn gemacht und ganz ehrlich, Teil V wollte man wohl auch eher vergessen lassen bleiben. Was aber heute schon fast eine Rarität ist, ist die hohe Anzahl an Reverenzen zu den alten Teilen, die hier eingebaut werden. Apollo Creeds alter Betreuer ist wieder dabei (im Gegensatz zu anderen Rollen mit seinem alten Darsteller), dass Rocky Paulie mal eine Uhr geschenkt hat, wird auch in die Dialoge eingebaut. Nicht wenige alte Fans werden da in Nostalgie schwärmen, das junge Publikum, dem man nicht zutraut einen Film aus den 80ern oder gar 70ern zu kennen, mag hier (vielleicht?) vieles verpassen.
Freilich: In einem Punkt muss man Konzessionen an die Jugend machen. Adrian wurde aus der Saga rausgeschrieben. Man muss die Produzenten verstehen: Sylvester Stallone ist gerade mal 60 Jahre alt und Talia Shire ist schon 60. Das wäre nimmer gegangen. Da lässt man sie lieber ein paar Jahre zurück an Brustkrebs verenden und schreibt eine neue Romanze für Rocky rein. Im ersten Teil war doch das Mädel, dem Rocky eine Moralpredigt gehalten hat, die würde doch vom Alter her passen. Getan, nur leider konterkariert man mit diesem Kniff vieles von der an sich sympatischen Aussage und der starken Charakterzeichnung. Natürlich ist die Geschichte, so wie gezeichnet, denkbar, natürlich gönnt man einem seit ein paar Jahren trauernden Witwer eine neue Liebe, es sind nur die offenkundigen Motive, die hinter dieser Entscheidung stehen, die sauer aufstoßen. Zudem verschenkt man auch einiges an Konfliktpotential hier. Man mag sich mal vorstellen, Rocky hätte Adrian statt Marie weismachen müssen, dass er wieder in den Ring will. (Gehört hätte er wohl freilich auch dieses Mal nicht auf sie.)
ROCKY war ja schon immer nicht das reine Action-Vehikel für das die Marke Sylvester Stallone gemeinhin stand, sondern zu einem Gutteil auch Drama. Im 3. und 4. Teil ist das etwas in den Hintergrund geraten, im 2. und 5. war die Dosis dafür schon wieder zu hoch. Der neue Film hat mal wieder wie im Original die Balance recht gut gefunden, was vor allem an der Qualität der Charakterzeichnung liegt. Ein Rocky, der seine Gäste mit alten Geschichten bei der Stange hält hat halt weit mehr Substanz als einer, der etwa minutenlang am Bett seiner komatösen Frau betet. Stallone hat mit dem Thema "In Würde Altern" einen guten Aufhänger gefunden, der die gute Stunde bevor es mit Training und Wettkampf ernst wird, kurzweilig ausfüllt. Über weite Strecken erinnert das Gezeigte zwar schon fast mehr an ein Remake des Originals statt an ein Sequel. Rocky ist wieder der haushohe Außenseiter, der aus PR-Gründen seines Gegners in den Kampf gedrängt wird. (Also doch wieder Rocky Begins?) Doch hat Stallone merkbar gelernt, mit seinem Charakter umzugehen. So reif, so ehrlich, hatte er Balboa bislang noch nicht gestaltet. Intensiv sein Betteln vor der Kommission um die Erneuerung seiner Boxlizenz. Man mag über die Fehler schmunzeln wie wenn sie Homer Simpson unterlaufen wären, desavouiert wird die Gestalt dennoch nicht.
Doch der eigentliche Höhepunkt jedes ROCKYS liegt freilich woanders und hier muss man die Erwartungen doch zurückschrauben. Die Trainingssequenz bietet nichts, was man nicht schon gesehen hätte, auch wenn das beim 60 jährigen Stallone schon Einiges an Respekt einen abverlangt, allein, das wird wirklich im Nullkomanix abgehandelt. Schlimmer noch: Man dürfte es bereits komplett kennen, wenn man den Trailer gesehen hat.
Beim eigentlichen Kampf fällt zunächst mal auf, dass man Bezüge zum realen Box-Zirkus sucht. Das gab's bislang nur durch die namentliche Nennung von Rocky Marciano oder verdeckt, wie beim fiktiven Promoter aus Teil V, der Züge von Don King trug. Hier sitzt Mike Tyson im Publikum, Michael Buffer gibt sein "Let's get ready to rumble" und George Foreman wird zumindest als der "andere Box-Opa" erwähnt. Doch wenn Rocky erst richtig in Fahrt kommt, ist man wieder ganz in "Balboa-Land", wie sich ein Kommentator ausdrückt. An seinem Kampfstil hat sich noch immer nichts geändert. Die erste Runde mal schön mit runtergelassener Deckung die Fresse polieren lassen, dann, wenn mindestens eine Braue offen ist, erst richtig aufwachen. Die Inszenierung des Fights variiert schon merklicher, leider nicht unbedingt zum Besseren. Vor allem in der Mitte ist die Abfolge der Schnitte schon zu schnell, hier kriegt man fast gar nichts mehr gescheit mit. Dazu gibt's an jeder Ecke HBO-Werbung und auch sonst Inserts, die an eine TV-Übertragung erinnern. Wirklich enttäuscht muss man über diesen Kampf nicht sein, absolut Neues wird halt nicht geboten.
Summa summarum ein Film, der die alten Fans absolut wieder gewinnen sollte. Ohne den Nostalgiebonus wird er es aber schon schwerer haben vollauf zu begeistern, auch wenn die typische märchenhaft positive Grundaussage aller ROCKY-Teile im Abspann auf wirklich schöne Weise die kollektive Rockymania lostritt.
|
|
|