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RED SPARROW (USA 2018)

von André Becker

Original Titel. RED SPARROW
Laufzeit in Minuten. 139

Regie. FRANCIS LAWRENCE
Drehbuch. JUSTIN HAYTHE
Musik. JAMES NEWTON HOWARD
Kamera. JO WILLEMS
Schnitt. ALAN EDWARD BELL
Darsteller. JENNIFER LAWRENCE . JOEL EDGERTON . CHARLOTTE RAMPLING . JEREMY IRONS u.a.

Review Datum. 2018-02-27
Kinostart Deutschland. 2018-03-01

Lässt man die anfängliche Skepsis über die Prämisse des Films (Jennifer Lawrence als taffe russische Agentin) mal komplett außer Acht, überwiegt doch die Vorfreude darüber, das mal wieder ein klassischer Thriller-Stoff mit ordentlich Starpower und angemessener R-Rating-Attitüde in den Startlöchern steht. Selbst als unverbesserlich optimistischer Kinogänger verliert man angesichts der nicht enden wollenden Flut mäßiger Marvel-Verfilmungen (mit einem Zeitplan für weitere Filme bis zum Sankt-Nimmerleins-Tag) und schrecklich generischer, garantiert jugendfrei inszenierter Grusel-Streifen alle Hoffnungen auf halbwegs routinierte Genre-Ware.

Die Teaser und Trailer haben glücklicherweise nicht den Fehler gemacht den kompletten Film nachzuerzählen. Stattdessen wurde mit einer schön abgeschmeckten Mischung aus Andeutungen und klaren Szenenbildern auf eine knallharte Geschichte um Spionage, todbringende Machtspiele und eiskalte Killer eingestimmt. Das ganze garniert mit einer deutlichen sexuellen Konnotation, die mehr oder minder ausbuchstabiert Lawrence als kühle Femme-Fatale im Todesmodus zeigte.

Das dieses, gegenwärtig fast schon anachronistisch anmutende, Bedienen von Männerphantasien gar von einer hyper-aufgeregten Berichterstattung über ein Promo-Foto von Lawrence (sie trug bei winterlichen Temperaturen ein dünnes Kleid, während die männlichen Schauspielerkollegen in dicken Mänteln steckten) überstrahlt bzw. fast unbeachtet blieb, erscheint im Kontext von Metoo etc. schon sehr verwunderlich. Die Reaktion von Lawrence (in etwa: ich trage selbstbestimmt, das was mir gefällt) auf die an sie vorgebrachten Anschuldigungen, sich in einer Männerwelt durch ihr Verhalten devot unterzuordnen, ist deshalb interessant, weil sie sogleich die Frage aufwirft, welche Geschlechterbilder eine bereits durch die Trailer stark sexuell aufgeladene Großproduktion wie RED SPARROW denn nun genau bedient. Ordnet man den Agenten-Thriller, was nahe liegt, ebenso in die Schublade genre-typischer Rollen vom Schlage NIKITA ein, steht unweigerlich die Frage im Raum, ob hier die fortschreitenden emanzipatorischen Bestrebungen seitens Schauspielerinnen endlich einmal auch in den Skripten von Big-Budget-Filmen eine nachhaltige Wirkung entfaltet haben.

Zum Film selbst: Lawrence spielt die frischgebackene russische Agentin Dominika, die den Auftrag erhält einen Verräter in den eigenen Reihen aufzuspüren. Schnell wird sie auf einen amerikanischen Agenten (Joel Egderton) angesetzt, der sie jedoch rasch enttarnt und seinerseits versucht sie als Überläuferin zu gewinnen. Als das Vertrauen ihrer Vorgesetzten (u.a. ein arg schmieriger Onkel) langsam schwindet, gerät Dominika zwischen die Fronten und muss sich endgültig entscheiden auf wessen Seite sie eigentlich steht.

RED SPARROW wirkt wie aus der Zeit gefallen. Und das ist leider nicht als Kompliment zu verstehen. Regisseur Francis Lawrence wühlt kräftig in der Klischeekiste und präsentiert dem Publikum eine erschreckend hohe Anzahl von abgehangenen Stereotypen, die an die plumpe Schwarzweiß-Malerei der B-Movies der achtziger Jahre erinnern. Das geht soweit, dass man sich bereits nach kurzer Zeit fragt, in welcher Zeit der Film eigentlich spielen soll (angepeilt ist die Gegenwart). Das Russland, das Lawrence hier auf fragwürdige Weise als allumfassendes Feindbild zeigt, ist ein tristes (es dominieren karge Häuserblöcke a la DDR-Plattenbau), von Frauenhass und eisiger Gefühlskalte gezeichnetes Land, dass direkt aus der Kalten-Krieg-Hölle entsprungen zu sein scheint. Dem folgend werden sämtliche russischen Männer als degenerierte Widerlinge skizziert, die Frauen in erster Linie gewaltsam unterwerfen wollen. Auf der anderen Seite werden die amerikanischen Protagonisten als moralisch integre Saubermännern charakterisiert. Sollte es Ziel gewesen sein mit diesem Agenten-Thriller ein Stimmungsbild der Verstrickungen global agierender Nachrichtendienste zu entwerfen, kann man angesichts der erschreckend undifferenzierten Herangehensweise der Macher nur den Kopf schütteln.

Jennifer Lawrence spielt ihre Rolle dabei mal überzeugend und mal steif. Nichtsdestotrotz ist es ihr zu verdanken, dass RED SPARROW zumindest in einigen wenigen Szenen das Publikum an die ambivalente Hauptfigur heranlässt. Unterm Strich geht das Drehbuch aber nie soweit die Widersprüche ihres Charakters wirklich gewinnbringend für den Handlungsverlauf abzubilden. Ärgerlich ist außerdem, dass der Film sein Vorhaben Lawrence als starke Persönlichkeit zu zeigen immer wieder selbst durchkreuzt. Im Endeffekt war hierfür wohl doch das Verharren in einer dezidiert männlichen Sichtweise das Problem. So oder so verkommt die Produktion nicht selten zum bloßen, oft unmotivierten Ausstellen weiblicher Reize. Insofern ist die Produktion von progressiven Geschlechterbildern so weit entfernt wie Russland von Neuseeland.

Kaum mehr als bloße Behauptung bleibt ferner das Vorhaben ein größeres Ganzes zu entwerfen. Da hilft es auch nicht, dass der Film insbesondere im letzten Drittel mehrfach die Schauplätze wechselt und z.B. von Wien nach London switcht. Außer den üblichen Postkartenmotiven fällt Regisseur Francis Lawrence hier wenig ein, geschweige denn das Stetting als adäquaten Background für die angeblich politisch hochbrisante Spionage-Story nu nutzen, die RED SPARROW so gerne wäre. Der überlange Agenten-Thriller ist somit im noch jungen Kino-Jahr 2018 eine der ersten Enttäuschungen, die durch die lustlose Performance einiger prominenter Nebenrollen (Jeremy Irons, Charlotte Rampling) und die unnötig ausgewalzten Gewaltszenen einen bitteren Beigeschmack erhält.











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