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REDBELT (USA 2008)

von Björn Lahrmann

Original Titel. REDBELT
Laufzeit in Minuten. 99

Regie. DAVID MAMET
Drehbuch. DAVID MAMET
Musik. STEPHEN ENDELMAN
Kamera. ROBERT ELSWIT
Schnitt. BARBARA TULLIVER
Darsteller. CHIWETEL EIJOFOR . TIM ALLEN . ALICE BRAGA . EMILY MORTIMER u.a.

Review Datum. 2008-08-15
Kinostart Deutschland. 2008-09-18

In einer frühen Szene in David Mamets jüngster Regiearbeit REDBELT gerät Hauptfigur Mike Terry (Chiwetel Eijofor) in einen Barfight, den er mit müheloser Grazie für sich entscheidet; einen Schnitt später sieht man den gleichen Kampf noch einmal, als Überwachungsvideo, das der Fernsehübertragung eines Boxkampfes nicht unähnlich sieht. Diese Szene ist die thematische Metapher des gesamten Films: Das Wahre wird unweigerlich vom Falschen geschluckt, das Authentische von der Inszenierung überformt. Leider ist dieses Thema für sich genommen weitaus spannender als seine Umsetzung.

Mike Terry ist ein hoch verschuldeter Jiu-Jitsu-Trainer, und Authentizität ist – neben Ehrbarkeit, Fairness und Selbstkontrolle – der strenge Kodex, nach dem er lebt. Martial Arts sind für ihn eine Lebenseinstellung, kein schnöder Sport; Wettkämpfe sind ihm ein Gräuel, nichts als traditionsausbeutende Geschäftemacherei, die in künstlichen Regeln erstickt. Das Logo seines bescheidenen Studios bietet dezidiert und ausschließlich "real life skills" an. Als die Frontscheibe, auf der es prangt, aus Versehen von einer nervösen Unbekannten (Emily Mortimer) in Stücke geschossen wird, ist das nur der erste von vielen Zufällen, die Mikes Ethos langsam aber sicher unterminieren werden. Die starrköpfige Unbeugsamkeit und Selbstbestimmtheit, die er anfangs ausstrahlt, weicht bald dem Gefühl, einer Marionette zuzusehen, die durch knappe, nie recht ausformulierte Nebenplots gezogen wird. Seine Frau (Alice Braga) bedrängt ihn, endlich den brotlosen Idealismus beiseite zu legen und zur Abwechslung mal einen Wettkampfgewinn nach Haus zu bringen; ein befreundeter Polizist verliert durch Mikes Schuld seinen Job; ein zwielichtiger Schauspieler (Tim Allen) will ihn als Stunt-Koordinator für seinen neuen Film gewinnen (Mike dazu, charakteristischerweise: "It's all about authenticity!"); und ein schmieriger Martial-Arts-Promoter (Ricky Jay) stiehlt eine Trainingsidee von Mike, um sie bei einem Schaukampf zu mißbrauchen.

Das alles klingt so verschwurbelt und unnötig kompliziert, wie es letztlich ist. Zu keinem Zeitpunkt findet der Film eine klare Linie, zerfällt vielmehr in skizzenhafte, leidlich unterhaltsame Episoden, die alle einen einzigen Zweck verfolgen: ein Wettkampffinale herbei zu konstruieren. Die Häufung schicksalhafter Ereignisse wirkt dabei schnell forciert, zumal das graduelle Zusammenlaufen der Storystränge vage und unverständlich bleibt; die logische Verknüpfung der Fäden scheint oftmals bloße Behauptung zu sein, wenn nicht gar waschechte Drehbuchlöcher. Am schlimmsten ist jedoch, dass man nie genau weiß, ob man hier einem (recht platten) Hohelied auf Terrys unnachgiebige Prinzipienhaftigkeit oder, ganz im Gegenteil, ihrer zynischen Demontage zusieht; die letzte Szene, die wahlweise als grotesk kitschiger Triumph oder bittere Niederlage gedeutet werden kann, unterstreicht die Richtungslosigkeit des Films besonders. Gerade von Mamet, der seit seinem twistreichen Neo-Noir-Debüt HOUSE OF GAMES als Meister ausgefuchster filmischer Puzzlespiele gilt, ist die chaotische Unfertigkeit von REDBELT eine Enttäuschung.

Eijofors Performance wirkt dementsprechend unentschlossen, ist stoisch und schläfrig zugleich; untermalt von einer wehleidig zitternden Gitarre, steht er zuweilen wie ein großäugiger Don Quichotte vor den Windmühlen von Korruption und Betrug, man weiß nicht, ob verzweifelt oder fest entschlossen. Nur in den wenigen Kampfszenen (vor allem bei einem wahren Kabinettstücken, in dem Mike eigenhändig gleich ein Dutzend Gegner platt macht, ohne mit der Wimper zu zucken) strahlt er jene samuraihafte Ruhe und Kraft aus, die die Figur angeblich auszeichnet. Die durch die Bank namhaften Nebendarsteller bekommen in der Begrenztheit ihrer Rollen hingegen kaum Gelegenheit, ihre Klasse auszuspielen.

Die Inszenierung ist pragmatisch gehalten, es dominieren helle, warme Farben und unauffällige Kamerabewegungen; nur in den Kampfszenen wird auf eine etwas hektischere, aber nie unübersichtliche Handkamera umgesattelt. Die für den Dramatiker Mamet sonst so charakteristischen, rhythmisch stilisierten Dauerfeuerdialoge – man denke nur an Alec Baldwins legendäre Schimpftirade aus GLENGARRY GLEN ROSS – sind einem alltäglicheren, nüchternen Ton gewichen, blitzen aber gelegentlich doch noch auf, ironischerweise gerade dann, wenn der so auf Praxisnähe fixierte Mike seine Trainingsanweisungen in Form mantrahaft-theoretischer Stakkati gibt. Das häufigste dieser Mantras lautet: "There's always an escape." Diese Formel hätte sich Mamet besser zu Herzen nehmen sollen; vielleicht wäre REDBELT dann kein zerfahrenes Konvolut geworden, sondern die präzise Charakterstudie, die es so gern sein würde.











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