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Die zweite Regiearbeit von James DeMonaco wählt als inhaltliche Klammer, die im Film aufgeworfene Vorstellung dass sich eine allumfassende gesamtgesellschaftliche Ordnung nur durch das temporäre Außerkraftsetzen der selbigen erreichen lässt. Dass DeMonaco hierfür ein Zukunftsszenario entwirft wird dabei nur durch ein paar einleitende Worte in den Anfangsminuten sichtbar. Auf genreübliche Science-Fiction-Codes wird weitgehend verzichtet. THE PURGE - DIE SÄUBERUNG ist vielmehr ein sozialkritischer Thriller, der seine Grundidee überraschend straight durchzieht und dabei auf Motive aus ASSAULT ON PRECINCT 13 und NIGHT OF THE LIVING DEAD zurückgreift.
In einer nicht allzu fernen Zukunft werden in ganz Amerika einmal im Jahr für zwölf Stunden alle gültigen Gesetze und somit alle gesellschaftlichen Ordnungsformen außer Kraft gesetzt. Eine Strafverfolgung für die in diesem Zeitraum begangenen Verbrechen (inklusive Mord und Totschlag) ist in diesem geplanten Zustand der Anomie nicht vorgesehen. Die Medien schlachten das Event, genannt "Die Säuberung", als publikumswirksames Massenspektakel aus und bedienen dadurch die Sensationsgier eines schon lange nicht mehr empathiefähigen Publikums. Die Säuberung wird dabei von den Initiatoren, die sich als die neuen Gründungsväter bezeichnen, als unbedingt notwendige Form der Katharsis angepriesen. Dem zugrunde liegt die Idee des von Natur aus gewalttätigen menschlichen Wesen, dass einfach ab und an ein Ventil für die ganze angestaute negative Energie braucht. Das Ereignis spaltet in dieser Nacht die Bevölkerung in zwei Gruppen: Diejenigen die sich Schutz leisten können auf der einen Seite. Und die sozialen Gruppierungen am Rande der Gesellschaft (Obdachlose, finanziell weniger gut gestellte Bürger etc.), die zum Freiwild erklärt und hilflos dem Blutdurst der privilegierteren Bürger ausgeliefert sind auf der anderen Seite. Daneben gibt es noch diejenigen Personen, die an der Säuberung verdienen. Zu diesen Menschen zählt auch James Sandin (Ethan Hawke), der mit dem Verkauf von Alarmanlagen ein Vermögen verdient hat und mit seiner Familie in einem Nobelanwesen lebt. Freilich hat auch er sein schickes Häuschen mit den allerbesten Sicherheitsstandards ausgestattet. Gemeinsam mit seiner Frau Mary (Lena Headey) und seinen Kindern, will der Familienvater die Säuberung einfach nur, wie in den Jahren zuvor, unversehrt überstehen, doch als sein Sohn aus Mitleid einen Mann, der vor der Tür der Sandins um Hilfe bettelt in einem unbeaufsichtigten Moment hereinlässt steht der Familie eine albtraumhafte Nacht bevor. Es stellt sich heraus dass der Mann von einer Gruppe maskierter Männer und Frauen verfolgt wird, die ihr Recht auf Säuberung einfordern und bereits vor der Tür ausharren und drohen das Haus zu stürmen sollte ihnen der Mann nicht lebend übergeben werden.
THE PURGE - DIE SÄUBERUNG taugt sicherlich nicht als komplex und hintersinnig erzählte Zukunftsvision. Die bizarre Grundidee des Films dient stattdessen als Basis für einen überraschend klischeefreien und durchweg spannenden B-Film mit sozialkritischen Untertönen. Die temporeiche Inszenierung sorgt zudem dafür dass Längen im Filmverlauf ausbleiben und Ruhephasen innerhalb der Storyentwicklung auf ein Minimum begrenzt werden. Erfreulich ist außerdem, dass der Film fast bis zum Schluss seine Hauptfiguren ungewöhnlich kaltblütig agieren lässt und sie als Stellvertreter für eine abgestumpfte Gesellschaft anlegt. Der kulturpessimistische Tenor des Films wird auch dadurch deutlich, dass DeMonaco lediglich den Teenager-Sohn der Familie Sandin als Individuum mit von Anfang an gefestigten Vorstellungen von Moral und Ethik darstellt.
Abstriche muss man dennoch machen. Die Situation der Belagerung wird beispielsweise ganz solide abgehandelt. Eine wirklich nervenaufreibende und fatalistische Stimmung will sich aber nicht so wirklich einstellen. Diesbezüglich hat THE STRANGERS gezeigt, wie wirkungsvoll eine schier ausweglose Bedrohungssituation filmisch dargestellt werden kann. Einen Vergleich mit den ganz großen Vorbildern hält der Film deshalb natürlich in keiner Szene stand. Auch der Wechsel in das actionlastige Finale wirkt ein wenig aufgesetzt und arg herbeikonstruiert (schwer unterhaltsam ist der Showdown trotzdem). Zugute halten muss man THE PURGE - DIE SÄUBERUNG allerdings, dass sich der Film trotz einiger brachialer Einlagen in Punkto Gewaltdarstellung vergleichsweise zurückhält und eher auf Spannung als auf explizite grafische Gewalt setzt. Die betont kühl angelegte Stimmung wird ferner durch einige ironisierende Elemente angereichert, die in den letzten Minuten und vor allem im Abspann auf die Spitze getrieben werden und den Film mit einer weiteren Erzählebene versehen.
Kritisieren kann und muss man den Film für einige verschenkte Möglichkeiten. Das sich das Gewaltpotential nicht nur auf den urbanen Raum beschränkt, sondern ebenfalls in den Suburbs eine delinquente Entsprechung findet und auch hermetisch abgeriegelte Orte keinen endgültigen Schutz bieten bleibt eine Fußnote, die kaum Einzug in die narrative Ausrichtung der Geschichte erhält. Lediglich oberflächlich abgehandelt werden leider auch die implizierten Fragenstellungen nach gesellschaftlicher Spaltung und Klassengegensätzen, die aus der Idee der Säuberung resultieren und auf den Beginn der Akzeptanz einer faschistischen Ideologie verweisen.
THE PURGE - DIE SÄUBERUNG bietet, trotz der Schwächen, in der Schlussbetrachtung aber immer noch sehr solide Genrekost, die zwar vor wirklich radikalen Aussagen zurückschreckt und die durchaus interessante Grundprämisse nicht mit allen Konsequenzen auslotet, davon abgesehen aber als B-Film die Erwartungen des Publikums adäquat bedient.
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