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NOWHERE BOY von Regisseurin Sam Taylor-Wood ist ein Film über die Teenagerjahre von John Lennon (Aaron Johnson) - allerdings kein Film über die Beatles. Denn obwohl die Freundschaft mit Paul McCartney und die erste gemeinsame Band im Film vorkommen, sind sie nicht das Hauptthema des Films. Vielmehr geht es um Lennons Beziehungen zu den beiden Frauen in seinem Leben, seiner Tante Mimi (Kristin Scott Thomas), bei der er aufwächst, und seiner Mutter (Anne-Marie Duff), die er zum ersten Mal bei der Beerdigung seines Onkels George (David Threlfall) sieht, obwohl sie in der Nachbarschaft wohnt.
Lennons Musik findet in NOWHERE BOY eher am Rande statt. Beinahe vergisst man stellenweise, dass es sich hier um einen zukünftigen Beatle handelt. Als Musiker-Biopic taugt NOWHERE BOY daher nur bedingt - natürlich nahm diese prägende Zeit auch Einfluss auf Lennons Musik, doch Taylor-Wood interessiert sich weniger für den Musiker als den Menschen John Lennon. Und der ist in NOWHERE BOY vor allem ein recht normaler Teenager - großkotzig zwar, arrogant, aber letztlich dann doch verletzlich und (nicht nur sexuell) verwirrt. Aaron Johnson ist für diese Rolle sicher nicht die offensichtliche, aber wie sich herausstellt die ideale Wahl: Er fängt den rauen, überheblichen Charme des jungen Lennon, aber auch seine Zerrissenheit perfekt ein.
Dabei ist Johnson nicht einmal das Highlight des Casts: NOWHERE BOY gehört vor allem Kristin Scott Thomas und Anne-Marie Duff. Kristin Scott Thomas gibt der strengen, biederen Tante Mimi mehr Tiefe und Herz, als es die Figur auf den ersten Blick hergibt, Duff brilliert als Julia Lennon, die zu ihrem Sohn eine romantische, beinahe erotische und so gar nicht mütterliche Beziehung pflegt. Dieses Beziehungskonstrukt, die Annäherung Lennons an seine Mutter und die seltsame Ambivalenz ihrer Beziehung und die zeitweise Entfremdung von seiner Tante, sind der Kern von NOWHERE BOY und durch die hervorragenden Darsteller zu jedem Zeitpunkt glaubwürdig. Wenn Lennon dann seine Mutter durch einen Unfall verliert, ist es gerade deshalb - auch für den Zuschauer - schmerzhaft, weil sich diese Beziehungen gerade erst normalisiert hatten.
NOWHERE BOY ist also mehr Coming-of-Age-Drama als Biopic und funktioniert als solches auch sehr gut. Nach einem etwas zähen Einstieg wird die Geschichte, trotz all ihrer Tragik, leichtfüßig und mit pointierten Dialogen erzählt. Wenn die Band auf der Bühne steht, ist das, anders als in den meisten anderen Filmen über Musiker, kein Highlight des Films, wirkt fast schon wie ein Fremdkörper. Das könnte man beanstanden, wäre der Film nicht so unterhaltsam und warmherzig. Was da schon etwas mehr ins Gewicht fällt, sind die Momente, in denen NOWHERE BOY seine Erzählweise bricht, in denen sich Taylor-Wood nicht mehr auf ihre Darsteller verlässt. Wenn beispielsweise Lennon am Ende mit der Band zum ersten Mal im Studio steht und zum recht beschwingten Song das Gesicht schmerzhaft verzerrt, hätte dieses Bild gereicht, um alle nötigen Emotionen darzustellen - eine Montage glücklicher Momente mit seiner Mutter wirkt hier aufgesetzt und etwas pathetisch. Auch, dass am Ende dann doch die (wenn auch nicht namentliche) Anspielung auf die Beatles und deren Reise nach Hamburg sein muss, scheint eher erzwungen.
Denn hier beginnt der Teil der Bandgeschichte, den eigentlich jeder kennt und den Taylor-Wood gerade deshalb nicht zeigen möchte. Stattdessen nimmt sie dem Genie Lennon ein wenig den Mythos, macht ihn zum gewöhnlichen Teenager, der zwar mit einer ungewöhnlichen Jugend leben muss, aber doch die klassischen Teenie-Probleme durchmacht. Gerade deshalb ist NOWHERE BOY auch absolut empfehlenswert - wer hier allerdings Neues über die Beatles zu erfahren sucht, wird enttäuscht sein.
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